Der Dritte Nationalratspräsident über den FPÖ-Chef und Notwendigkeiten, Nehammers größten Fehler, sein "hervorragendes Verhältnis zu Doskozil" und schmutzigen Wahlkampf.
2016 unterliegt er in der Bundespräsidenten-Stichwahl (46, 21 %) Alexander Van der Bellen, 2017 wird er FPÖ-Verkehrsminister der türkis-blauen Koalition unter Sebastian Kurz. Nach deren Aus übernimmt er die Partei. "Ich mag nicht mehr", sagt er im Juni 2021 und tritt als FPÖ-Chef zurück. Seit drei Jahren ist Norbert Hofer wieder Dritter Nationalratspräsident. Im KURIER-Interview spricht er über seinen Nachfolger an der Spitze Herbert Kickl, Ex-Vizekanzler und Parteichef Heinz-Christian Strache und "zwei elementar wichtige Gefühle".
KURIER: Werden Sie im Herbst in diesem Büro sitzen oder in dem von Wolfgang Sobotka?
Norbert Hofer: Das wäre vermessen.
Wünschen Sie sich einen Umzug?
Man muss in der Politik aufpassen, was man sich wünscht. Zuerst müssen die Wahlen geschlagen werden und dann die Partei entscheiden, welche Persönlichkeit sie ins Rennen schickt. Die dritte große Hürde: Diese Person muss von einer Mehrheit im Parlament gewählt werden.
An Letzterem dürfte nicht scheitern. Sie gelten als Verbinder und umgänglich.
Trotzdem entscheidet die Partei. Und es gibt eine Bitte des Bundesparteiobmannes, nämlich, wenn es aufgrund des Wahlergebnisses personelle Notwendigkeiten gibt, soll sich niemand diesen Notwendigkeiten entziehen.
Sie würden also auch Susanne Fürst als Nationalratspräsidentin unterstützen – und selbst dann was machen?
Ich unterstütze jede Person, die von der Partei vorgesehen wird. Egal, ob es für den Nationalrat, die Regierung oder die Hofburg ist.
Es hätte gewissen Charme aus Ihrer Sicht, zumal Ihre Hofburg-Kandidatur 2016 besonders erfolgreich war.
Ich weiß, wie schwierig es vor einer Wahl für einen Parteichef ist, wenn Menschen vorstellig werden, die über ihre Vorstellungen reden wollen. Kickl soll in Ruhe entscheiden können.
Fix ist, dass Sobotka geht. Was bleibt von seiner Amtsführung?
Wolfgang Sobotka hat das Amt anders angelegt, was auch daran gelegen haben mag, dass er vorher nicht im Parlament war. Ich glaube, dass sich jemand leichter einfindet, wenn er den parlamentarischen Betrieb kennt.
Jetzt haben Sie ihn kennengelernt. Was zeichnet den Ersten Präsidenten aus – außer die schlechten Vertrauenswerte?
Er hat Durchsetzungsvermögen, sonst wäre er nicht in der Funktion. Was ich in seiner Position nicht gemacht hätte, das wäre der Vorsitz in den U-Ausschüssen gewesen, in denen seine Partei vom Themenkomplex betroffen war. Ich selbst habe mich geweigert, den Vorsitz zu übernehmen, als die Freiheitlichen betroffen waren.
Wie beurteilen Sie Ihre eigene Vorsitzführung?
Ich hoffe, dass übrigbleibt, dass ich in schwierigen und emotionalen Sitzungen wieder für Ruhe gesorgt habe.
Das liegt natürlich am Amt. Ich habe aber keine Parteisprecherfunktion und melde mich daher zu tagesaktuellen, sachpolitischen Themen nicht zu Wort wie auch meine geschätzten Kollegen Sobotka und Bures.
Sie posteten Anfang des Jahres Gentleman-Regeln auf X. Manche mutmaßten, Sie adressierten Kickl damit.
Das sind meine eigenen Regeln die ich mir gebe – genau so, wie ich ein eigenes Credo habe, das da an der Wand hängt.
Ich bin keiner, der gerne in den persönlichen Angriff geht. Ich kann es, war lange genug Landespolitiker, aber es ist mir unangenehm. Mein Weg ist, in der Sache zu kritisieren, aber das Persönliche außen vor zu lassen.
Wie schwierig oder schmutzig wird der Wahlkampf?
Ich weiß, die Erwartung ist, dass der Wahlkampf besonders schmutzig wird. Ich denke, er wird kantig sein, aber in Summe nicht anders als frühere Wahlkämpfe. Da im August das Interesse für Politik noch nicht so groß ist, wird es wohl auch kein sehr langer Wahlkampf werden.
Wenn ich mich recht erinnere, dann übernächste Woche.
Mit welchen Themen abseits der Migration und der Anti-System-Partei wird die FPÖ punkten können?
Ich bin nicht Generalsekretär, aber ich weiß. die Zuwanderungspolitik wird uns noch lange beschäftigen. Egal ob in der Stadt oder am Land: Menschen, die zu uns kommen und Recht brechen, haben bei uns keinen Platz. Darüber gibt es mittlerweile Common Sense – wir sagen das seit Jahren. Was wir jedenfalls brauchen ist eine Standortpolitik. Wir haben steigende Arbeitslosigkeit und einen Arbeitskräftemangel. Wenn Sie nach China schauen, sehen, was allein auf dem Autosektor passiert und den Blick nach Europa werfen, dann sehen Sie, wie weit wir hinterherhinken. Mir fehlt ein großer Wurf auch auf EU-Ebene.
Mir fehlt, das sage ich auch als ehemaliger Verkehrsminister, eine richtige Schnellbahnverbindung zwischen den europäischen Hauptstädten. Die gibt es nicht, weil es kein einheitliches Bahnnetz gibt. Schiene und Straße sind die Adern, die das Gebilde der Wirtschaft und der EU auch zusammenhalten. Wenn man etwas für Umweltpolitik tun will, dann sollte man weniger darauf achten, wie man Menschen bestraft, sondern Alternativen attraktiver machen.
Skizzieren Sie gerade das Wirtschaftsprogramm der FPÖ?
Es gibt bereits ein Programm und es wird ein neues kommen. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, wie man Leistung in Zukunft misst. In vielen Berufen wird es die Zeit sein, die gemessen wird, in anderen werden wir andere Parameter anlegen müssen.
Sie selbst sind Unternehmer. Wie einträglich sind die Formula-Fortuna-Kapseln?
Ich habe keinen einzigen Cent aus der Firma genommen. Ich habe es gemacht, weil ich Erfahrung sammeln will. Die größte Hürde für Unternehmer ist die Bürokratie.
Wie kann ich vier Jahrzehnte in der Regierung sein und Forderungen stellen? An wen stellt Nehammer die Forderung? An sich selbst? Ich dachte nach der „Österreichplan“-Präsentation, dass Nehammer die Koalition aufkündigen wird. Dann in der Regierung zu bleiben, das halte ich für den größten strategischen Fehler des Kanzlers.
Gibt es mit der ÖVP die größten Schnittmengen?
Wenn das umgesetzt würde, was sich die ÖVP selbst in den Plan geschrieben hat, dann hätten wir wohl wirtschaftlich die größten Gemeinsamkeiten mit der ÖVP – aber auch mit den Neos. In der Sozialpolitik ähneln wir der SPÖ. Man kann gesellschaftspolitisch konservativ sein, in anderen Bereichen progressiv, in der Wirtschaftspolitik liberal.
Gibt es eine Überschneidung zwischen FPÖ und KPÖ?
Inhaltlich nicht. In Graz hat sich die KPÖ jedenfalls immer bemüht, direkt zu helfen. Den Kontakt nie zu verlieren, das ist wesentlich in der Politik. Ich meine damit nicht Bürgernähe, sondern echte Empathie.
Ist Herbert Kickl empathisch?
Natürlich ist er empathisch, wenn Sie mit ihm persönlich sprechen und ihn kennen. Kickl hat die Strategie, einfach nicht vom Gas herunterzugehen, damit er von anderen Parteien akzeptiert wird. Sein Weg ist, dass er mit der FPÖ so stark wird, dass man an ihm nicht mehr vorbeikommt.
Wir sind unterschiedlich, aber geeint. Die FPÖ ist derzeit so geeint wie keine andere Partei, was nicht heißt, dass wir alle ununterbrochen auf einen Kaffee miteinander gehen müssen.
Haben Sie noch Kontakt zu Heinz-Christian Strache oder dem ehemaligen Koalitionspartner?
Sie kommen aus dem Burgenland. Werden wir uns noch wundern, was alles möglich ist und Sie koalieren 2025 mit Hans Peter Doskozil?
Möglich ist immer alles. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass SPÖ und FPÖ koalieren, weil es schon gut funktioniert hat und die Beziehung zwischen SPÖ und ÖVP zerrüttet ist. Mit Hans Peter Doskozil habe ich ein ganz hervorragendes Verhältnis, wenn wir auch in manchen Bereichen ganz unterschiedlicher Meinung sind.
Dass Doskozil ständig gegen den SPÖ-Chef Andreas Babler schießt, sagt das mehr über Doskozil, Babler oder die Verfasstheit der SPÖ aus?
Mehr über die Empfindlichkeit der SPÖ. Was da passiert sind Dinge, die würde die FPÖ leicht aushalten. Wir haben viele Menschen mit unterschiedlichen Meinungen, das führt aber nicht zu einer Krise. Ich beobachte gerade mit großem Interesse, wie die SPÖ von der Eskalationsstufe von win-win zu win-lose nach lose-lose wandert.
Nein überhaupt nicht. Wir haben als FPÖ alles erlebt: Von Himmel hoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Das gehört zum politischen Alltag.
Wo rangieren Sie gerade?
Ich bin nicht jauchzend, aber zufrieden. Es gibt im menschlichen Leben zwei Gefühle, die elementar wichtig sind. Dankbarkeit, für das, was war und Vorfreude, auf das was kommt. Beides habe ich.
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