Sobotka: "Gut, wenn man nach 42 Jahren ein Ende setzt"
Im September wird der Niederösterreicher Wolfgang Sobotka zum letzten Mal einer Parlamentssitzung als Nationalratspräsident vorstehen. Nach der Wahl wird er die Politische Akademie der ÖVP übernehmen.
KURIER: Als Sie am vergangenen Sonntag aufgestanden sind und vom Attentat auf Donald Trump gelesen haben, was waren da Ihre ersten Gedanken?
Wolfgang Sobotka: Dass Waffen gegen Politiker gerichtet werden, ist auch ein Anschlag auf die Demokratie. Das mahnt uns, demokratisches Verhalten wirklich zu leben und unterschiedliche Meinungen nicht mit Aggression und Gewalt auszutragen.
Englands Ex-Premierministerin Theresa May hat beim Europaforum Wachau im Stift Göttweig gewarnt, dass die Demokratien in Gefahr sind. Sehen Sie das auch so?
Nein, wir haben zwar in Europa in den vergangenen Jahren eine Entwicklung zu verzeichnen, wo die politischen Ränder stärker werden. Egal, ob rechts oder links. Die Welt ist komplexer geworden, daher sucht man sehr schnell einfache Antworten. Wenn wir uns in Österreich aber den Monitor anschauen, dann sagen 80 Prozent der Menschen, dass die Demokratie die beste Form des regulierten Zusammenlebens ist. Ich denke aber, dass wir darunter leiden, dass Politiker, Parteien, aber auch Medien, Kirchen an Reputation verloren haben, aber die Demokratie selbst – zumindest in Österreich – nicht. Das zeigen auch die vielen Besucherinnen und Besucher in unserem Parlament.
Zu Ihrer Rolle im Parlament. Wie fühlt es sich an, wenn man weiß, dass man in wenigen Wochen aus der aktiven Politik aussteigt?
So wie bei jedem anderen Beruf auch. Es gibt einen Anfang und es gibt ein Ende. Und wenn man das Ende selbst gewählt hat, dann fühlt sich das gut an.
Aber wenn man Politik so lebt, wie Sie das tun, ist das wohl kaum mit einem anderen Beruf vergleichbar.
Ich habe immer auch ein gesamtgesellschaftliches Engagement bewiesen. Egal, ob das jetzt in der Musik gewesen ist oder in anderen Bereichen. Das heißt, ich habe mich nie aus der Politik als solcher heraus definiert. Ich werde auch immer Politiker im Sinne der gemeinsamen Verantwortung bleiben.
Dass Sie nicht mehr kandidieren, das haben Sie tatsächlich nur mit Ihrer Familie ausgemacht?
Mit meiner Frau.
Aus Ihrer Partei hat es keinen Druck gegeben?
Ich denke, man hat selbst zu entscheiden, wenn man die aktive Politik im Sinne der Ausübung seines Mandats verlässt. Ich habe das vor etwa einem Jahr bereits überlegt und bin zu diesem Entschluss gekommen, bevor es eine dementsprechende Reaktion in der Partei gegeben hätte. Aber das Angebot, auf der Bundesliste zu kandidieren, habe ich gehabt und das hat mich sehr gefreut. Aber ich glaube, es ist gut, wenn man nach 42 Jahren ein Ende setzt.
Politisch haben Sie viele Funktionen durchlaufen: Gemeinderat, Bürgermeister, Landesrat, Landeshauptmannstellvertreter, Innenminister, jetzt Nationalratspräsident. Was war die spannendste Station?
Ich glaube, dass der Beruf des Präsidenten des Nationalrates ein ungeheuer spannender ist, eine ungeheuer verantwortungsvolle Aufgabe, die letzten Endes auch zufrieden macht.
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Viele hätten ja erwartet, dass Sie als Landeshauptmann von Niederösterreich in Pension gehen.
Das war mir eine kurzzeitige Überlegung. Aber es war der Wunsch von Erwin Pröll, dass ihm Johanna Mikl-Leitner als Landeshauptfrau nachfolgt. Letztendlich habe ich das dann auch als gut empfunden.
Was waren für Sie die drei wichtigsten Punkte, die Sie als Nationalratspräsident umgesetzt haben?
Auf der einen Seite war es das Renovieren des Hauses, das Parlament zu einem attraktiven Ort zu machen und dabei das Budget einzuhalten. Ein zweiter Punkt war sicherlich der Kampf gegen den Antisemitismus. Und das Dritte ist, dass es uns im Gesamten gelungen ist, im Konzert der Parlamente Europas eine ganz wesentliche Rolle zu spielen. Etwa, wenn es die Erweiterung der Europäischen Union anlangt.
Die Eröffnung des restaurierten Parlaments war von der Debatte über ein vergoldetes Bösendorfer-Klavier überschattet. Sie haben das Klavier dann weggegeben. Warum haben Sie sich der Kritik gebeugt?
Wenn man bei einer Renovierung, die sehr viel Steuergeld gekostet hat und wo wir das Budget eingehalten haben, nur auf das reduziert wird, noch dazu in meiner Situation als ehemaliger Musiker, dann würde das dem Amt nicht gerecht werden. Dann muss man auch mit Rückziehern leben. Eigentlich habe ich mich persönlich nie gescheut, auch etwas zurückzunehmen, was man nicht gut empfunden hat.
Bis zum Schluss hat Sie auch begleitet, dass Sie im Vertrauensindex als Nationalratspräsident den letzten Platz eingenommen haben. Wie sehr hat Sie das geärgert oder vielleicht gar getroffen?
Es geht um Zahlen, die aus unterschiedlichsten Beweggründen zustande kommen. Ich habe mich nie an Umfragen orientiert. Auf der einen Seite ist dieser Vertrauensindex, auf der anderen Seite sind es Briefe, SMS und Mails, die meine Arbeit unterstützt haben. Das muss man in der Politik schon einmal aushalten.
Es wäre vielleicht nicht so gekommen, wenn Sie nicht den Vorsitz in den U-Ausschüssen übernommen hätten.
Nein, das denke ich nicht. Wenn ich nicht den Vorsitz in den Ausschüssen übernommen hätte, wär es vielleicht leichter gewesen. Aber ich bin immer wieder als jemand charakterisiert worden, der vielleicht ein sehr ausgeprägtes Profil hat. Das hat in der einen Funktion positive Auswirkungen gehabt, in den anderen vielleicht weniger positive.
Sie mussten auch damit umgehen, dass Sie gleich mehrfach angezeigt worden sind.
Anzeigen bin ich gewohnt, seit ich in der Politik bin. Man versucht immer wieder dort, wo man politisch keine Argumente gehabt hat, mit Anzeigen zu operieren. Ich bin nie angeklagt worden. Ich bin nie in irgendeiner Form auch nur in ein Verfahren verwickelt worden. Alles ist zurückgelegt oder eingestellt worden. Grundsätzlich halte ich das nicht für eine gute Entwicklung. Ich halte den politischen Diskurs ganz einfach für notwendiger, als gegen politisch Andersdenkenden immer gleich mit Anzeigen vorzugehen.
Sie haben vor fünf Jahren den Koalitionsvertrag mitverhandelt. Ist im Nachhinein gesehen das Experiment einer türkis-grünen Koalition geglückt?
Ich glaube, diese fünfjährige Periode war sicherlich nach 1945 jene mit den meisten beschlossenen Gesetzen. An Arbeit hat es sicherlich nie gemangelt. Nach dem Motto, das Beste aus beiden Welten’ sind natürlich auch sehr konfrontative Themen auf der Tagesordnung gewesen sind. Summa summarum, glaube ich, wäre ein gewisser Pragmatismus notwendig gewesen. Es war eine Periode mit den größten Herausforderungen, mit den größten Krisen, die wir seit 1945 zu bewältigen hatten. Das war natürlich auch eine gewisse Ausnahmesituation.
In Ihrer Partei, in der ÖVP, wird es aber sehr zwiespältig gesehen, wie die Koalition mit den Grünen zuletzt funktioniert hat. Man hat nach dem Alleingang von Ministerin Leonore Gewessler beim Renaturierungsgesetz gegen den Willen des Kanzlers schon viele Stimmen gehört, die sich ein vorzeitiges Ende der Koalition gewünscht hätten.
Das ist die Emotion, die ich durchaus verstehen kann. Aber es war auch die Verantwortung des Kanzlers, der gesagt hat, drei Monate vor einer Wahl kündigt man nicht eine Koalition auf. Mit einem freien Spiel der Kräfte im Parlament als Folge, wo man aus der Vergangenheit weiß, dass dann zig Vorhaben beschlossen werden, die den Staatshaushalt Milliarden kosten.
Dieser Konflikt innerhalb der Regierung hat natürlich in der EU kein gutes Bild abgegeben.
Da muss man letzten Endes doch auf die grüne Seite verweisen, die sich im Wahlkampf in ihrer eigenen Klientel bewegen möchte, strategisch kann man das durchaus verstehen, aber staatspolitische Verantwortung sieht anders aus.
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