Kickl über sich und Hofer: "Das ist wie beim Twinni-Eis"
Der Parteiausschluss von Heinz-Christian Strache liegt wenige Stunden zurück. Herbert Kickl sitzt an seinem fast leeren Schreibtisch – „wir richten uns hier nicht ein, weil es ja nur ein Übergangsbüro ist“. Das alte werde noch renoviert. Auf den ersten Blick sichtbar sind zwei persönliche Dinge: ein Ritterhelm, „ein Geschenk aus Kärnten“ und ein Feldbett, das bereits im Innenministerium stand.
KURIER: Straches Ausschluss sei eine Angelegenheit von Stunden, haben Sie vor zwei Wochen wissen lassen. Was ist passiert, dass Heinz-Christian Strache erst am Freitag ausgeschlossen wurde?
Herbert Kickl: Ich habe das gesagt, weil ich meinem Unbehagen Ausdruck verleihen wollte, dass es ein bisschen langsam geht. Wohl wissend, dass Verantwortungsbewusstsein und Sorgfalt in der Vorgangsweise wichtig sind. Es ist nun mal so, dass die Wiener Parteistatuten bestimmte Regelungen haben, die andere nicht haben. Und das erklärt, warum es so lange gedauert hat. Es kam aber noch etwas dazu: Es lag nicht im Ermessen der Partei, dass Herr Strache einen Urlaub in einem Chalet einlegen musste. Das hat die Sache noch einmal verzögert, denn sonst hätten wir uns eine Woche erspart.
Nicht Ibiza, nicht die Spesen, die Sie als „Belegwaschmaschine“ bezeichnet haben, sondern Straches Verhalten in den sozialen Medien haben jetzt den Ausschlag für den Parteiausschluss gegeben. Das ist für Außenstehende nicht ganz nachvollziehbar.
Es ist vieles zusammengekommen. Es war ein „Sich selbst Ausschließen“ in mehreren Schritten und irgendwann ist das Maß voll. Im Übrigen ist nicht ganz korrekt, was sie gesagt haben, denn: Das eine ist die Beurteilung des Parteigerichts und das Zusätzliche ist die Einschätzung, die der Parteivorstand vornimmt. Dort hat selbstverständlich die Vorbereitung einer Gruppe von politischen Fluchthelfern für Strache in eine andere Wirklichkeit eine Rolle gespielt. Wir wissen ja schon geraume Zeit, dass rund um Strache ein solches Fluchtprojekt geplant war.
Seit wann wussten Sie von Straches Plänen?
Das pfeifen weniger die Spatzen von den Dächern als die PR-Berater von den Barhockern.
Sie meinen damit Gernot Rumpold?
Ja, natürlich. Wien ist zwar die Bundeshauptstadt, aber wenn es um Informationen geht, dann doch ein Dorf.
Welche Chancen räumen Sie der Allianz für Österreich ein?
Mir ist vorab wichtig, den Begriff der Spaltung oder Abspaltung zurückzuweisen. Wir sind am Ende des Jahres – da gibt es Worte des Jahres, da gibt es Unworte des Jahres und der Begriff Abspaltung in Zusammenhang mit dieser Gruppierung ist für mich die Übertreibung des Jahres. Wir haben es mit drei Personen zu tun. Wenn ich das gewichten und die Erfolgsaussichten dieses Projektes bewerten möchte, müssen wir das fast mathematisch machen.
Wie rechnen Sie?
Wenn Sie 0 mit 3 multiplizieren, dann kommt immer noch null heraus. Das entspricht auch meiner Einschätzung des politischen Gewichts dieses Projekts. Alle Erfolgsaussichten, die Meinungsforscher jetzt herbeischreiben, sind ein Messen im luftleeren Raum. Was immer da als Möglichkeit ausgewiesen wird, ich würde jedem empfehlen, einmal kurz über den Begriff der Möglichkeit nachzudenken: Möglichkeit ist immer noch das Gegenteil von der Wirklichkeit.
Wenn in der Wirklichkeit Strache DAÖ angehört und in die Wiener Wahl führt, sehen Sie dann Chancen?
Nein! Ich war an Straches Seite, als Jörg Haider – und der war ein anderes politisches Kaliber – und sein BZÖ-Projekt 2005 in den Himmel geschrieben wurden. In Wirklichkeit war diese Abspaltung der Beginn des politischen Siechtums Haiders. Das hat niemand so sehr bereut wie er selbst, doch er konnte nicht mehr zurück. Es war damals der gleiche Gernot Rumpold, der Haider den Abspaltungs-Floh ins Ohr gesetzt hat. Nicht das BZÖ ist in lichte Höhe gestiegen, sondern eher der Kontostand des PR-Beraters. Und so wird es auch jetzt sein.
Trifft die Bezeichnung „Sprengmeister“ der Freiheitlichen auf Rumpold zu, wie manche meinen?
Für mich ist Heinz-Christian Strache fast schon ein bisschen bedauernswert. Er ist in Ibiza einer vermeintlichen Milliardärin auf den Leim gegangen, und anstatt daraus zu lernen, geht er am Ende des Jahres wieder jemandem auf den Leim – einem PR-Berater, der seine politischen Kunden kurz- und mittelfristig selbst bestattet.
Wut auf Strache hatten Sie nie?
Enttäuschung ist das richtige Wort. Ich war ja doch ein langjähriger Wegbegleiter, habe versucht, ehrlich mit ihm umzugehen und war daher wahrscheinlich auch der Erste, der ihm gesagt hat, dass man die Hypothek Ibiza-Video nicht einfach wegwischen und zur politischen Tagesordnung übergehen kann. Das hat nichts mit Wut oder Zorn zu tun, sondern ist eine ganz nüchterne Einschätzung eines Sachverhalts. Strache verdrängt das bis heute. Wenn er überhaupt ein Opfer ist, dann ist er ein Opfer seiner selbst.
Sind Strache und Sie jetzt geschiedene Leut’?
Im Begriff Entscheidung steckt die Scheidung. So gesehen, ja. Die Dinge sind jetzt geklärt. Ich wüsste auch nicht, worüber man sich in der gegenwärtigen Phase noch austauschen sollte. Ich sehe keine Verbindungslinie mehr. Ich bin froh – und das ist mir wichtig zu sagen –, dass andere das Verantwortungsbewusstsein bewiesen haben, das ich mir eigentlich von Strache erwartet hätte.
Von wem sprechen Sie?
Von Dominik Nepp. Wenn jemand so lange Obmann war wie Strache, endet die Verantwortung gegenüber der Partei ja nicht mit dem Rücktritt, da besteht immer auch eine Restverantwortung, die darüber hinaus wirkt. Dieses Pflichtbewusstsein habe ich bei Strache nicht erlebt. Dafür habe ich Dominik Nepp jetzt als jemanden kennengelernt, der sehr umsichtig, sorgsam und besonnen mit dieser schwierigen Situation umgeht. Da bewahrheitet sich der Spruch, dass unter Druck Diamanten entstehen.
Dominik Nepp, der Diamant der FPÖ?
Er wird von manchen zu Unrecht unterschätzt. Er hat das Rüstzeug, bei der Wien-Wahl ein wirklich anständiges Ergebnis zustande zu bringen. Und weil jetzt immer alle sagen, die Situation sei so schwierig: Ich kenne keine Situation, in der die FPÖ in eine Wien-Wahl gegangen wäre, in der man nicht gesagt hätte, dass alles furchtbar ist und unter einem ganz schlechten Stern steht – jedes Mal haben wir entgegen den Kassandra-Rufen gut abgeschnitten, und das wird wieder so sein.
Vor Wien wählt das Burgenland im Jänner. Sie verlieren seit Ibiza jede Wahl.
Ich glaube, es wird für die FPÖ gar nicht schlecht ausgehen. Erstens, weil das Burgenland ein anderes politisches Biotop ist und zweitens gibt es dort eine sehr gute Partnerschaft. Die wird von der Bevölkerung honoriert, während es auf Bundesebene – Stichwort Schwarz-Grün – bald drunter und drüber geht und vieles einen gefährlich experimentellen Charakter hat.
Sie halten eine Wiederauflage von Rot-Blau im Burgenland für möglich?
Ich denke, dass das durchaus so sein wird und es auch die Intention der dort handelnden Regierungspartner ist.
Denken Sie wirklich, dass FPÖ-Chef Norbert Hofer aus der FPÖ eine stabile 25-Prozent-Partei machen kann?
Niemand freut sich über die Verluste. Aber dass eine Stabilisierung zwischen 16 und 18 Prozent bei den Wahlen möglich war, nach allem, was passiert ist, das ist ein Qualitätsnachweis der hervorragenden Arbeit der FPÖ in der Vergangenheit. So ehrlich müssen selbst die sein, die es mit der FPÖ nicht gut meinen. Deshalb denke ich, dass wir die Talsohle erreicht haben und dass wir gute Gründe haben, davon auszugehen, dass uns dieser Aufstieg auf über 20 Prozent auch bald gelingen wird. Denn insgesamt haben wir derzeit mit dem Problem zu kämpfen, dass wir mit dieser Übergangsregierung eine eigenartige Sondersituation haben: Es gibt keine politische Auseinandersetzung entlang der klassischen Verläufe Opposition und Regierung, kein „Sich-Abarbeiten“ der Opposition an der Regierung und umgekehrt, sondern es herrscht ein seltsamer Hybrid-Zustand. Dadurch haben andere Themen mehr Platz, eine viel größere Dominanz als es ansonsten der Fall wäre und eine längere Haltbarkeit.
Zwei Entscheide des Verfassungsgerichtshofes waren diese Woche Thema. Die Sozialversicherungsreform von FPÖ-Ministerin Beate Hartinger-Klein ist bestätigt, Ihr Sicherheitspaket ist gekippt worden. Sind Sie enttäuscht, dass Hartinger-Klein besser war als Sie?
Ich ärgere mich, weil es um die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung geht. Ich kann den Entscheid nicht nachvollziehen, deshalb habe ich von einem Feiertag für die organisierte Kriminalität, die extremistischen-terroristischen Kräfte gesprochen. Die Polizei sollte nicht schlechter gestellt sein als die Kriminellen. Wir haben das Paket aus den Bedürfnissen der Ermittlungspraxis heraus geschnürt und das gemacht, was in anderen Ländern längst an der Tagesordnung ist.
Was zum Beispiel?
Der Bundestrojaner, der verteufelt und verflucht wird, weil man so tut, als würde man jedem etwas in sein Handy implementieren. In Wahrheit geht es um ganz strenge Auflagen und um Kapitalverbrecher, bei denen dieses Instrument zum Einsatz kommt. Österreich läuft jetzt aber Gefahr, Insel der Seligen für Großkriminelle zu sein. Dass man Autokennzeichen aufnehmen darf, um eine Verwaltungsstrafe wie fürs Schnellfahren vollstrecken zu können, dass es aber nicht zulässig ist, die organisierte Kriminalität mit demselben Bildmaterial zu verfolgen, das versteht doch kein Mensch.
Hätten Sie nicht vielleicht einfach besser arbeiten müssen?
Das glaube ich nicht. Wir haben internationale Standards erfüllt. Was den Rechtsschutz betrifft, sind strengen Mechanismen eingezogen worden. Offensichtlich war die Propaganda derer, die von einem Überwachungsstaat gefaselt haben, so mächtig, dass auch der eine oder andere am Verfassungsgerichtshof daran geglaubt hat.
Sie stellen die unabhängige Urteilsfähigkeit der Verfassungsrichter infrage?
Ich akzeptiere die Entscheidung, aber Kritik muss zulässig sein. Es ist seltsam, dass ein Justizsystem, das inzwischen leider dafür bekannt ist, dass Datenschutz das Letzte ist, was gewährleistet wird, weil es ja nur so hinausrinnt aus Verschlussakten, plötzlich eben diesen Datenschutz für sich entdeckt. Das passt hinten und vorne nicht zusammen.
Wären Sie noch Innenminister, würde es die Details aus den Ibiza-Ermittlungsakten in den Medien nicht geben?
Ich hätte zumindest versucht, den Lecks auf den Grund zu gehen. Ich sehe allerdings keine Aktivitäten. Man tut so, als sei es ein gottgegebenes Schicksal, die undichten Stellen nicht ausfindig machen zu können. Wozu gibt es dann das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung? Es wäre genau dafür zuständig.
Macht Ihr Nachfolger Wolfgang Peschorn demgemäß keinen guten Job?
Die Minister, die jetzt aktiv sind, sind für mich 40-Prozent-Minister. Sie könnten sich um wesentliche, strukturelle Dinge kümmern, weil sie a nicht wiedergewählt werden wollen, b keine budgetären Verhandlungen führen müssen, c vom Parlament mit Glacéhandschuhen angefasst werden und letztlich keine Gesetze auf den Weg bringen müssen. Da wäre doch viel Zeit für anderes. Ich habe Peter Gridling suspendiert, weil aus Akten hervorging, dass er schwerwiegende Versäumnisse im Sicherheitsbereich des BVT zu verantworten hat. Dass er jetzt nach dem Bericht des Berner Klubs, der das Schwarz auf Weiß bestätigt, immer noch in Amt und Würden ist – genauso wie zwei Sektionschefs, die sich mit Anklagen konfrontiert sehen – ist kein Zeichen der Stärke des Innenministers, sondern das genaue Gegenteil.
Was bleibt von der Innenminister-Ära Kickl über?
Ich glaube, manche arbeiten an einer damnatio memoriae (lateinisch: „Verdammung des Andenkens“). Alles muss getilgt werden, was ich versucht habe, auf den Weg zu bringen. Glauben Sie mir, in der Erinnerung vieler Beamten und Polizisten bleibt, dass es einen Innenminister gegeben hat, der sich für sie eingesetzt hat. Der nicht nur Minister gespielt, sondern versucht hat, das Ruder in wesentlichen Bereichen herumzureißen. Stichwort Asylpolitik, Stichwort bessere Ausstattung der Polizei, Stichwort Grenzschutz, um nur einiges zu nennen.
Polizeipferde, Sicherheitspaket, „Ausreise“-Schild – nichts ist geblieben.
Ich glaube, dass jede einzelne dieser Maßnahmen sinnvoll gewesen ist. Sowohl das, was wir legistisch gemacht haben, als auch mit der sogenannten Symbolpolitik. Da gehört das Schild „Ausreisezentrum“ dazu. In einer Kommunikationsgesellschaft darf man die Rolle von Symbolen nämlich nicht unterschätzen. Im Übrigen warte ich ja nur mehr darauf, dass sie den Teppich der Feststiege im BMI herausreißen.
Den blauen Teppich, den Sie verlegen haben lassen.
Dieser Teppich ist verlegt worden, weil der andere schon so durchgetreten war, dass es eine Schande für diese Repräsentationsräumlichkeiten war.
Themensprung zu den Casinos Austria. Handelte es sich bei der Besetzung von Peter Sidlo um Postenschacherei?
Das glaube ich nicht. Mir fällt auf, immer, wenn es um Entscheidungen oder Positionen für Personen im freiheitlichen Umfeld geht, ist von Postenschacherei die Rede. Bei mir als Innenminister ist immer der Bestgereihte zum Zug gekommen: Da sind schwarze Parteigänger etwas geworden und auch rote. Genutzt hat es mir gar nichts. Sofort war von „blauem Postenschacher“ und „Umfärbeaktionen“ die Rede.
Haben Sie mit Peter Sidlo gesprochen?
Ich kenne Herrn Sidlo gar nicht, nur das immergleiche Foto von ihm.
Zum Schluss und weil immer wieder die Rede von zwei Parteien, einer Kickl- und einer Hofer-FPÖ die Rede ist: Wie ist Ihr Verhältnis zu Norbert Hofer?
Ich kann ihn ja nicht heiraten, um den Nachweis zu erbringen, dass wir uns gut miteinander verstehen. Wir sind unterschiedliche Typen, haben eine andere Art zu kommunizieren. Gestatten Sie mir den Vergleich: Das ist wie beim Twinni-Eis.
Sind Sie das grüne oder orange Twinni?
Darum geht’s nicht. Der eine mag das grüne, der andere das orange, aber nur in der Gemeinsamkeit ergeben sie dieses Eis. Der Hersteller ist nicht auf die Idee kommen, es getrennt voneinander anzubieten. Das wird einen Grund haben.
Und was symbolisiert bei Ihrer Metapher die Schokolade?
Darüber habe ich nicht nachgedacht. Klar ist: Seit es die FPÖ gibt, wird von außen versucht, Konflikte in der Partei festzustellen: Die Bundesländer gegen Wien, Nationale gegen Liberale, Hofer gegen Kickl usw. – solche Behauptungen haben alle nichts mit den Tatsachen zu tun.
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