Ja, er ist es wirklich: Norbert Hofer, ehemaliger Minister und Parteichef der FPÖ.
Jener Norbert Hofer, der bei der Bundespräsidentenwahl gesagt hat, man werde sich wundern, was alles geht; und der mit 46,21 Prozent mehr Stimmen gewann als jeder andere Freiheitliche der jüngeren Zeitgeschichte.
Seither ist es ziemlich still geworden um ihn. Und würden den 52-Jährigen nicht ab und zu Menschen wie der stellvertretende Parlamentschef von Südkorea treffen, die Parlamentskorrespondenz hätte wenig über ihn zu berichten.
Wie kam es dazu, dass der Dritte Nationalratspräsident im Gemeinderat einer 6.000 Seelen-Gemeinde sitzt? Wie geht einer, der seit 25 Jahren in den Spitzengremien der Partei sitzt, mit dem wahrgenommenen Bedeutungsverlust um? Und: Ist Hofer gerade dabei, sich in die Privatwirtschaft zu verabschieden?
So absurd ist die Überlegung nicht – immerhin hat der gelernte Flugzeugtechniker einige Geschäftsideen entwickelt: Auf das Nahrungsergänzungsmittel „Formula Fortuna“ (60 Kapseln um 19,90 Euro) werden sein Name und Foto gedruckt; und auch ins Geschäft mit Solarbänken ist der Burgenländer eingestiegen. Ein Rückzug auf Raten also?
„Überhaupt nicht“, antwortet Hofer und nippt an einem Soda-Zitron. Er sitzt in einem Cafe in der Pinkafelder Hauptstraße. Hofer ist mit dem eScooter da, es ist sein dritter. „Das ist die beste Möglichkeit, sich fortzubewegen“. Daheim setzt der ehemalige Tempo-140-Minister auf eMobilität. Und wenn er erzählt, wie schade es sei, dass „die schönsten Plätze im Ort für Parkplätze reserviert sind“, klingt er nicht wie ein Mitglied der heimlichen Autofahrerpartei, sondern beinahe wie ein Grüner.
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Aber wir schweifen ab. Die Frage ist nicht beantwortet: Warum Gemeinderat? „Die Bezirkspartei war in Schwierigkeiten, man hat mich gebeten, ganz hinten auf der Liste zu kandidieren.“
Hofer bekam dann viele Vorzugsstimmen, wie schon einmal in Eisenstadt. „Aber in Eisenstadt habe ich das Mandat nicht angenommen, das wurde mir übel genommen.“ Politische Fehler macht man nicht zweimal, zumindest nicht, wenn man Norbert Hofer heißt. Deshalb bleibt er eine Periode dabei. „Und dann übernehmen wieder die jungen Wilden.“
Natürlich weiß er, dass das eine irgendwie witzige, aber sicher keine staatstragende Antwort ist. Deshalb fügt er hinzu, dass sich „eigentlich jeder“ engagieren muss. „Egal ob bei der Feuerwehr oder in irgendeinem Chor. Ich mache, was ich am besten kann: Politik. Das ist mein Beitrag.“
Wie dieser Beitrag konkret aussieht, lässt sich am besten im Rathaus beobachten. Auffallend oft geht es bei Gemeinderatssitzungen ums Geld – und gar nicht um wenig.
Im Rathaussaal wird gerade über eine Firma diskutiert, die die Vermögensverhältnisse der Stadt prüfen und der Gemeinde so Geld sparen will. „Kreditportfolioanalyse“, heißt der technische Begriff, einzelne Gemeinderäte wollten das gern ein Jahr lang ausprobieren.
Nicht so Norbert Hofer.
Es sei Aufgabe der Politik und nicht von Privaten, das Geld der Stadt zu verwalten, sagt er. Und: Er habe recherchiert. Es gäbe alte Medien-Berichte über den Wohnbauskandal in Niederösterreich; und da würden auch handelnde Personen der neuen Firma erwähnt. Es gibt nicht viele Zeugen im Saal, abgesehen von den Gemeinderäten sind sechs Zuhörer dabei – eine davon häkelt unentwegt. Hofer lässt sich trotzdem zu keiner konkreten Anschuldigung hinreißen, er begnügt sich mit einer Warnung: „Wir sollten das prüfen, ehe wir uns als Gemeinde darauf einlassen.“ Auch hier hat er die Gemeinderäte auf seiner Seite. Abgesehen vom Bürgermeister gibt es niemanden, der sich so oft zu Wort meldet.
Norbert Hofers politisches Geschick hat ihm den Beinamen „Chamäleon“ eingebracht. Er ist wandelbar, kann gewinnend-mild und dann extrem angriffig sein. Und dann werden Flüchtlinge zu „Invasoren“ und politische Konkurrenten zu „faschistischen Diktatoren“.
Im Stadtcafe weicht er heiklen Festlegungen vorsorglich aus.
Sind die rechtsextremen Identitären auch für ihn eine „rechte NGO“, wie Parteichef Kickl behauptet?
Die Frage stellt sich für Norbert Hofer so nicht. „Weil es die Identitären de facto nicht mehr gibt.“
Ist der Klimawandel von Menschen gemacht? Auch diese Debatte hält er für überflüssig. „Das ist ein Streit zwischen zwei Lagern, wo keiner den anderen überzeugt. Unser Ziel muss sein, die Abhängigkeit von Oligarchen und Scheichs zu reduzieren und die Lebensmittel und Medikamente, die wir brauchen, möglichst selbst herzustellen.“ Möglichst viel Autarkie also, dagegen kann niemand etwas haben.
Sein Verhältnis zu Herbert Kickl beschreibt Norbert Hofer als „entspannt“, und das stimmt vermutlich sogar: Man kommt einander nicht weiter ins Gehege. Und solcherart ist auch klar, dass der Pinkafelder Gemeinderat für Hofer keine End-, sondern nur eine Zwischenstation darstellt. Eine kleine Bühne, auf der man trainiert und warm bleibt - bis zur Nationalratswahl. Und wenn die FPÖ diese tatsächlich gewinnen sollte - was macht er dann? Hofer lässt das offen. Fix sei nur eines: „Wir haben in der Partei ausgemacht, dass sich niemand irgendwelchen Aufgaben verwehrt und jeder das tut, wo er am dringendsten gebraucht wird.“
Er hat gut reden. Gewinnend, rhetorisch bewandt und mit Regierungserfahrung beschlagen: So jemanden braucht die FPÖ jedenfalls – und das nicht nur im Gemeinderat von Pinkafeld.
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