Norbert Hofer: Die zwei Gesichter des netten Blauen

Norbert Hofer mimt gerne das freundliche Gesicht der FPÖ.
Fröhlich, freundlich und zurückhaltend: So präsentiert sich der freiheitliche Präsidentschaftskandidat. Tatsächlich kann der Burschenschafter aber auch anders. Ganz anders.

Er muss erst kurz seine Hosentaschen durchsuchen, Sie verzeihen das Warten, der Gehstock ist im Weg. Aber gleich hat er ihn, seinen Talisman – das Kreuz. Der Präsidentschaftskandidat der FPÖ, Norbert Hofer, steht am Rochusmarkt und sucht seinen Glücksbringer. Vier Kamerateams sind dabei, Radioreporter und Zeitungsjournalisten, kurzum: ein Auflauf. Eine Reporterin fragt nach Hofers liebsten Schuhen ("Hauptsache bequem"), seiner größten Stärke ("die Ruhe") und ob er einen Talisman hat. Und weil der Dritte Nationalratspräsident keine Antwort schuldig bleiben will, zieht er flugs sein schwarz-silbernes Kreuz hervor. "Ich hab’s immer dabei."

Leberkäse für alle

Minuten später spaziert der 45-Jährige samt Entourage durch den kleinen Wiener Markt. Man besucht einen Obsthändler, an der Wursttheke besorgt Hofer Leberkäse-Semmeln für alle, zwischendurch gibt’s Selfies mit Parteigängern. Die Passanten sind meist freundlich, und wäre da nicht diese junge Frau, die ihm ins Gesicht sagt, er mache eine "schäbige Politik", man könnte fast glauben: Alle mögen Norbert Hofer. Denn egal, wie man zu dem Freiheitlichen steht, eines hat er geschafft: Er wurde binnen kürzester Zeit nicht nur bekannt, sondern für viele sogar wählbar.

Die dunklere Seite

Seit Wochen liegt er in allen Umfragen stabil über 20 Prozent, der Einzug in die Stichwahl gilt als wahrscheinlich – verdammt viel für einen, dessen Name und Funktion vor Monaten nur politisch Versierte kannten.Die politische Großwetterlage spielt dem Freiheitlichen in die Hand, kein Zweifel. Die Flüchtlingsthematik, der Gram auf die Regierungsparteien – Hofer ist für all das ein dankbarer Blitzableiter, ein nett anmutender noch dazu. Aber wer das Phänomen Hofer ganz verstehen will, der muss den gelernten Flugzeugtechniker länger beobachten. Nur dann wird seine andere Seite sichtbar; seine offensive, man könnte auch sagen: seine dunklere.

Erleben kann man den "anderen" Hofer auf Bühnen vor FPÖ-Fans. Beim Wahlkampfauftakt in Kapfenberg zum Beispiel. Da husste er ohne Hemmung: Alexander Van der Bellen? Ein "faschistischer, grüner Diktator". Die SPÖ? "Nadelstreif-Sozialisten", die sich in Sachen Kunst und Kultur als Schutzherren von "Kinderschändern" gerieren. Und auch den ÖVP-Integrationsminister versteht der sonst auf Korrektheit bedachte Freiheitliche plötzlich bewusst falsch. Das klingt dann so: "Laut Sebastian Kurz sind die Zuwanderer im Schnitt viel intelligenter als die Österreicher. Sollen wir uns das gefallen lassen?" In Situationen wie diesen ist der nette Herr Hofer plötzlich sehr weit weg. Keine Spur vom Gentleman.

Völkischer Nationalismus

Politische Gegner erklären das damit, dass Hofer ja einer der zentralen Ideologen der FPÖ sei. Ein Wolf im Schafspelz, nicht umsonst habe er das Parteiprogramm federführend mitformuliert. Für Lothar Höbelt, einen Wiener Universitätsprofessor und Kenner des Dritten Lagers, ist der Hinweis überzogen. "Die Arbeit an einem Parteiprogramm hat vor allem einen Zweck: Lästige Alt-Vordere sollen ruhiggestellt werden." Nein, interessant sei an Hofer etwas anderes, nämlich seine geografische Heimat.

Der gebürtige Steirer wuchs im burgenländischen Pinkafeld auf. Und eben hier wurde er Ehrenmitglied einer Burschenschaft, die für rot-weiß-rote Patrioten irritierende Ideale vertritt. Gibt es eine österreichische Nation? In Hofers "Marko-Germania" würde man das eher mit "Nein" beantworten. Die "österreichische Kulturnation" gebe es so nicht, nur eine deutsche. Und weil man in eine "Volksgemeinschaft" nur hineingeboren werden kann, werden gebürtige "Kubaner, Afghanen oder Chinesen" nie echte Österreicher – daran ändert auch die Staatsbürgerschaft nichts. "Völkischer Nationalismus", nennen das Experten. Latenter Rassismus, könnte man als Laie sagen. Aber für Hofer ist ohnehin beides Unsinn. Denn immer dann, wenn er auf die "völkischen" Ansichten der Burschenschaften angesprochen wird, antwortet er eher schablonenhaft: In den Statuten der Marko-Germanen stehe das ja gar nicht. Punkt, nächste Frage. So zu beobachten auch im ORF-Duell mit Rudolf Hundstorfer.

Höhnischer Angriff

Der Auftritt mit dem Ex-Minister war insofern bemerkenswert, als Hofer zum ersten Mal auch im Fernsehen seine scharfe Seite zeigte. "Ich schenke Ihnen Redezeit, Herr Hundstorfer. Je mehr sie reden, desto mehr Stimmen bekomme ich", höhnte Hofer."Das war ein Moment, in dem die Luft gefror", sagt Stefan Sengl. Der PR-Experte hat einst die Wiederwahl-Kampagne von Heinz Fischer geführt und glaubt, dass Hofer in dem Moment wohl punkten konnte. "Mit dem Angriff hat er Hundstorfer beschädigt. Allerdings hat er sich auch selbst Schaden zugefügt." Der herablassende, aggressive Stil gefalle zwar den Funktionären. "Unentschlossene Wähler finden so einen Stil eher unsympathisch." Blöd eigentlich. Denn genau das kann man als Kandidat für die Hofburg eher nicht gebrauchen. Schon gar nicht, wenn man sich bislang als der freundliche Blaue gegeben hat.

Ausbildung

Norbert Hofer (*1971) wuchs im burgenländischen Pinkafeld auf und wurde nach dem HTL-Abschluss Flugtechniker. Seine Flug-Leidenschaft wurde ihm 2003 zum Verhängnis: Er brach sich bei einem Paraglider-Unfall die Wirbelsäule und geht heute am Stock.

FPÖ-Karriere

Hofer war Gemeinderat und Stadtparteiobmann der Eisenstädter FPÖ, von 1996 bis 2007 hatte er den Job des Landesparteisekretärs der burgenländischen FPÖ inne. Seit 2005 ist der Vater von vier Kindern stellvertretender Parteichef der Freiheitlichen. 2013 wurde Hofer zum Dritten Nationalratspräsidenten – was er bis heute ist.

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