Ohne Parlament ist alles nichts - was die Kongress-Wahlen für Harris und Trump bedeuten
Das Rennen um die US-Präsidentschaft verspricht äußerst knapp zu werden. Die Legislative passt sich dem wohl an. Ob Demokraten oder Republikaner die Kontrolle über Repräsentantenhaus und Senat in Washington gewinnen, war unmittelbar vor dem Urnengang ebenfalls ungewiss.
Tendenziell werden der „Grand Old Party” bessere Chancen eingeräumt, das „Oberhaus" zu erobern. Die Demokraten hingegen hoffen auf einen Wachwechsel im „House”. Denkbar ist aber auch, dass der Kongress komplett in konservative Hände gerät. In beiden Kammern liegen nur sehr wenige Mandate zwischen zwei Parteien, die sich spinnefeind sind. Die Endergebnisse können sich tagelang hinziehen.
Präsident oder Präsidentin womöglich erheblich eingeschränkt
Käme es zu einer gesplitteten Machtverteilung, sind bis zu den Zwischenwahlen 2026 erhebliche Reibungsverluste zwischen Weißem Haus und Parlament programmiert. Die politische Beinfreiheit des Präsidenten/der Präsidentin wäre empfindlich eingeschränkt. Bei knappen Mehrheiten könnten radikale Einzelgänger, die gegen ihre Fraktion votieren, Sand ins Regierungsgetriebe werfen.
Die Zerrissenheit der Republikaner, die von moderat-konservativ bis erz-nationalistisch mehrere Machtzentren haben, ist nach Ansicht von Analysten der wichtigste Grund für die mangelhafte Produktivität des 118. Kongress. Weniger als 40 Gesetzesvorhaben wurden gestemmt. Im 117. Kongress verabschiedete das Repräsentantenhaus unter demokratischer Führung über 300 Gesetze.
Im Senat steht bei den Konservativen ein prominenter Wachwechsel an. Mitch McConnell aus Kentucky, über Jahrzehnte der einflussreichste Strippenzieher, geht aufs Altenteil. John Cornyn, John Thune und Rick Scott bringen sich als potenzielle Nachfolger in Stellung. Auf demokratischer Seite herrscht bis auf weiteres mit Mehrheitsführer Chuck Schumer Kontinuität.
Von 435 Sitzen im „House" waren nach letzten Erhebungen des parteiunabhängigen „Cook Report” 409 Mandate (202 Demokraten, 207 Republikaner) so gut wie vergeben. Resultat des von beiden Parteien durch das sogenannte „gerrymandering” geregelten Zuschnitts der Wahlkreise. Dadurch sind Mehrheiten für „Blau” (Demokraten) oder „Rot" (Republikaner) nahezu zementiert.
218 Sitze für Mehrheit nötig
Für die Mehrheit im „House of Representatives” werden 218 Sitze benötigt. Aktuell stehen sich 220 Republikaner und 212 Demokraten gegenüber. Wobei drei Sitze vakant sind. Laufen fünf Republikaner bei einer Abstimmung über, ist die Mehrheit futsch.
Bei der Wahl waren nur 26 Abgeordneten-Sitze so stark umkämpft, dass man von „toss up” spricht - von beiden Parteien gleichermaßen zu holen. Acht dieser Rennen spielten sich in den bevölkerungsreichen Bundesstaaten New York und Kalifornien ab. Darum floss der Löwenanteil der Parteispenden für TV-Werbung in diese Regionen.
Im Senat sind die Mehrheiten noch enger. Dort stehen zurzeit 47 Demokraten plus vier Parteiunabhängige, die wie etwa der frühere Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders in der Regel mit ihnen stimmen, 49 Republikanern gegenüber. Die demokratische „majority” von 51:49 ist hauchdünn.
Anders als im „House” werden nicht alle 100 Senatoren/-innen neu gewählt, sondern nur 34. Schon ein, zwei Siege/Niederlagen können das Machtgefüge dramatisch ändern. Wobei der sogenannte Filibuster die Macht der Mehrheit einhegt. Demokraten und Unabhängige haben diesmal 23 Sitze zu verteidigen, die Republikaner nur elf. Alle diese Sitze befinden sich in Bundesstaaten, die Donald Trump 2020 gewonnen hat.
Widrige Startbedingungen für die Demokraten
Die Startbedingungen für die Demokraten sind widrig. Mindestens drei Mandate - Jon Tester (Montana), Tammy Baldwin (Wisconsin) und Sherrod Brown (Ohio) - sind heftig umkämpft oder tendieren in den Umfragen sogar republikanisch. Auch der Kampf um Michigan zwischen Elissa Slotkin (Demokraten) und Mike Rogers (Republikaner) steht auf Messers Schneide.
Durch den Rückzug von Senator Joe Manchin wird der West-Virginia mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Republikaner Jim Justice fallen. Bleiben Sensationen - ein demokratischer Sieg gegen Rick Scott (Florida) und Ted Cruz (Texas) - aus, spricht vieles für eine Machtübernahme der Republikaner, stellt der „Cook Report” fest. Daran würde auch der in Nebraska gerade aussichtsreich im Rennen liegende Parteiunabhängige Dan Osborn wohl nichts ändern.
Jeder US-Bundesstaat entsendet zwei Senatoren nach Washington, die sechs Jahre im Amt bleiben. Im „Oberhaus” ist bei 50:50-Patt-Abstimmungen der Vize-Präsident (seit 2021 Kamala Harris, künftig J.D. Vance oder Tim Walz) das Zünglein an der Waage.
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