USA vor der Wahlentscheidung: Frau Präsidentin oder Trumps Rückkehr ins Weiße Haus
Conny Gyura ist keine Frau, die sich schnell vor etwas fürchtet. Mit 18 erkämpfte sich die gebürtige Deutsche den Titel als Weltmeisterin im Bodybuilding für Frauen. Und auch heute noch legt sich die durchtrainierte Chefin eines Fitness-Studios in Pompano Beach, Florida, unerschrocken mit allen an, die unerlaubterweise „Wählt-Harris“-Plakate aus dem Rasen reißen.
Aber die Pistole in der Handtasche hat die studierte Volkswirtin jetzt doch immer dabei. „Man weiß nicht, was da kommt“, meint sie, besonders in den Tagen nach der heute anstehenden Präsidentenwahl. „Ich kann ja meinen Mund nicht halten“, lacht sie über sich selbst, und das schätzten nicht alle ihre Nachbarn, die die glühende Demokraten-Anhängerin überwiegend im Trump-Lager verortet.
In ihrem italienischen Sportwagen-Cabrio düst die quirlige Mitfünzigerin noch schnell in ein naheliegendes Büro der Demokratischen Partei. Dort verrät kein Türschild, kein Sticker, nicht einmal eine Glocke, was sich darin befindet. Ständige Drohungen und Übergriffe wild gewordener Trump-Anhänger hätten die Mitarbeiter dort so geängstigt, dass man beschlossen habe, lieber unauffällig zu bleiben, erzählt Büroleiterin Wanda.
Überhaupt ist die Sorge groß: Was werde der Ex-Präsident machen, wenn er die Wahl wieder verliere? „Natürlich werden Trump und seine Leute dann wieder sofort sagen, die Wahl wurde ihnen gestohlen. Ich bin mir sicher, dass sie schon eine ganze Liste an Klagen vorbereitet haben, mit denen sie dann um sich schlagen werden“, erwartet die demokratische Aktivistin.
Die Geschichte vom "Betrug"
Tatsächlich trommelte der republikanische Präsidentschaftskandidat bei seinen Auftritten bis zum heutigen Wahltag unaufhörlich: Wenn er verliere, könne das nur „Betrug“ sein. Schon bei der verlorenen Wahl 2020 folgte die Mehrheit seiner Anhänger den Lügen des Ex-Präsidenten: Zwei Drittel der republikanischen Wähler glauben laut einer CNN-Umfrage, dass Präsident Joe Bidens Sieg vor vier Jahren „illegitim“ war.
Wenn wiederum Kamala Harris die Wahlen verliere, dann, „weil die Demokratische Parteiführung ihre Basis ignoriert und den Kontakt zu den Arbeitnehmern verloren hat“, ist sich Will Pierce sicher. Bis vor kurzem gehörte der junge Politologe noch zu den eifrigsten Antreibern der Demokraten, für den früheren Wahlkämpfer Bernie Sanders hat er Reden geschrieben.
Doch im Vorjahr zog der Afroamerikaner aus Enttäuschung über den Kurs der Demokraten die Reißleine – und wechselte zu den Republikanern.
Richtungswechsel
Ausgerechnet vom Alt-Linken Sanders zum rechten Populisten Trump? „Donald Trump ist nicht der perfekte Kandidat“, gesteht Pierce gegenüber dem KURIER ein, „aber er spricht genau das an, was schon Sanders betont hatte: dieses tiefe Gefühl der Vernachlässigung der ländlichen Wähler und der Arbeiterschaft.“ Die Demokraten wiederum hätten sich in die Identitätspolitik verrannt und „dämonisieren die Hälfte des Landes, wenn man nicht ihrer Meinung ist: Dann ist man gleich ein Sexist, ein Rassist, ein Faschist.“
Er sei ein Militärveteran, sagt Pierce, „und ich bin für den zweiten Verfassungszusatz, also den freien Besitz einer Waffe, aber wenn man das bei den Demokraten sagt, wird man schon beschimpft.“ Und als „inländischer Terrorist“ wolle er schon gar nicht bezeichnet werden, nur weil er wie andere besorgte Eltern auch radikale Lehrpläne ablehne , "die kleinen Kindern sexuelle Inhalte vermitteln".
Wirtschaft war das Thema Nummer 1
Alles beherrschendes Thema dieses höchst emotionalen Wahlkampfes war die Wirtschaft, die Teuerung, die gestiegenen Lebenshaltungskosten – zum Nachteil für US-Präsident Joe Biden und der regierenden Demokraten. Und auch die hohen Zahlen undokumentierter Immigranten – Schätzungen liegen bei 11 Millionen Menschen – lasten viele Wähler Versäumnissen der Demokraten an.
Negativ für Trump wiederum könnte sich das landesweite Aus für das freie Recht auf Abtreibung auswirken. Florida ist einer von zehn US-Bundesstaaten, wo neben dem Präsidentenamt auch über Schwangerschaftsabbrüche abgestimmt wird. „Sagen Sie JA zum Änderungsantrag 4“, schallen Werbespots im Viertelstundentakt auf spanisch und englisch aus den meisten großen TV-Kanälen. Erhält der eine 60 Prozentige Zustimmung, würde das Abtreibungsverbot (ab der 6. Woche) in Florida wieder gekippt.
Fitnesstrainerin Conny, die sich als studierte Volkwirtin auch durch alle verfügbaren Statistiken ackert, ist überzeugt davon, dass das Abtreibungsverbot in den ganzen USA mehr Frauen denn je an die Urnen bringen wird. „Ich sehe das schon bei mir im Studio, da gibt es republikanische Frauen, die erstmals nicht mit ihrem Ehemann mitziehen und dieses Mal anders wählen wollen. Die denken ja auch an ihre Töchter und Enkelinnen.“ Seit Wochen trägt die „pushy“ Trainerin, wie sie sich selbst bezeichnet, mit der deutsch-amerikanischen doppelten Staatsbürgerschaft T-Shirts mit der Aufschrift: „Lies, denk, wähle“ – Kamala Harris natürlich.
Die deutliche Zunahme von Frauen an den Wahllokalen, die Motivation vor allem vieler jüngerer Wählerinnen, sieht Conny Gyura als eindeutiges Zeichen: „Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass Harris gewinnt.“ Und selbst im 1-Dollar-Shop um die Ecke will die umtriebige Gesundheitstrainerin untrügliche Zeichen für einen Sieg der Demokraten erkannt haben: „Da gibt es fast nichts Blaues - die Parteifarbe der Demokraten - mehr zu kaufen. Im Rot Republikaner ist noch viel zu haben.“
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