Trump, Bestatter der Demokratie: Das sagt die internationale Presse zur US-Wahl
Nicht nur in den USA, sondern auch international ist die US-Präsidentschaftswahl aktuell ein großes Thema. Hier eine Auswahl der internationalen Pressestimmen zur US-Wahl am Mittwoch:
"La Repubblica" (Rom)
„Wie im Jahr 2016, nur besser. Trump versprüht noch während der Auszählung der wichtigsten Präsidentschaftswahl der US-Geschichte Zuversicht, ja geradezu Prahlerei. Überzeugt davon, dass er den Schlag gegen Hillary Clinton wiederholen würde, sogar gegen die zweite demokratische Kandidatin für das Weiße Haus.
Sollte sich das bewahrheiten, stehen Kulturkriege zu Themen wie Abtreibung, LGBT-Themen und “Wokeness„ auf der Tagesordnung. Ganz zu schweigen von den Kriegen in der Ukraine und in Nahost. Diese will Trump im Namen eines Isolationismus, den die USA vielleicht seit den Tagen vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor nicht mehr erlebt haben, schnell beenden. Vergessen werden seine Verurteilungen, Anklagen, der Sturm aufs Kapitol, zahlreichen Sex-Affären, Wutausbrüche und Beleidigungen sein. Denn alles wird verziehen, wenn der Wähler überzeugt ist, dass er zur Wahl geht, um sein Überleben zu sichern. (...) Wenn alles so ausgeht, wie derzeit angenommen, dann bedeutet das “Game Over„ - das Spiel vorbei.“
"The Times" (London)
"Die Demokraten hatten immer damit zu kämpfen, dass die Wähler mit dem Status quo unzufrieden waren. Sie konnten keine Wahlkampagne nach dem Motto 'Das Land ist auf dem richtigen Weg' führen. Also versuchten sie es mit 'Besser den Teufel, den man kennt'. Wie es aussieht, hat sich dieser als schwächer erwiesen als die Botschaft, dass Veränderungen nötig sind. (...)
Warum wurden die Demokraten zuversichtlicher, je näher der Wahltag rückte? (...) Zum einen, dass es einen Unterschied in der Begeisterung zwischen ihren Wählern und denen der Republikaner gibt. Insbesondere hatten sie das Gefühl, dass sich die weiblichen Wähler gegen Gesetze zur Einschränkung der Abtreibung auflehnen und auch das 'Macho'-Gehabe von Trump nicht mögen würden.
Man wird viel Zeit haben, dies zu bewerten, aber eine erste Einschätzung scheint zu sein, dass dieser Glaube an die Begeisterung der Frauen für Harris fehl am Platz war. Etwas Ähnliches hatte es 2016 mit Hillary Clinton gegeben."
"Politiken" (Kopenhagen)
"Es ist nicht richtig, dass wir in Europa wegen einer US-Präsidentschaftswahl auf unseren Nägeln herumkauen. Wenn man eine Lehre aus der Wahl zieht, dann die, dass Europa in der Lage sein muss, besser für sich selbst zu sorgen. Zum einen können wir uns nicht auf US-Wahlen und den wechselnden Fokus der Vereinigten Staaten verlassen. Zum anderen dürfen wir auch nicht russische Einmischung und wirtschaftliche Untergrabung durch China fürchten.
Europa muss zeigen, dass wir bei technologischer Entwicklung, grünem Wandel, wirtschaftlicher Nachhaltigkeit und sicherheitspolitischer Unabhängigkeit eine Führungsrolle übernehmen können. Nicht aus Misstrauen gegenüber anderen. Keineswegs, um andere kleinzuhalten. Sondern um uns selbst oben zu halten und zu vermeiden, dass wir in der Abhängigkeit von den politisch krisengeschüttelten USA oder auch von autoritären Kräften in Russland oder China verwittern."
"De Telegraaf" (Amsterdam)
"Nach dem 6. Jänner 2021 dürfte es kaum noch viele Menschen gegeben haben, die auch nur einen Cent auf eine politische Zukunft von Donald Trump gesetzt haben. Schließlich hatte sich der 45. Präsident der Vereinigten Staaten nicht nur geweigert, seine Wahlniederlage gegen Joe Biden anzuerkennen, sondern auch einen regelrechten Volksaufstand inszeniert, um zu verhindern, dass sein Vizepräsident Mike Pence diese Niederlage offiziell macht. Dennoch hat er es nun erneut geschafft - die Wähler in den USA machen Trump wieder zu ihrem Präsidenten."
"Neue Zürcher Zeitung"
"Die deutsche Regierung hatte alles auf einen Sieg von Harris gesetzt. Einen Plan B hatte sie anscheinend nicht. Das war ein Fehler. Trumps Sieg offenbart nun schonungslos die Versäumnisse der deutschen Regierung. Die Amtszeit Joe Bidens hätte diese nutzen müssen, um sich unabhängiger von den USA zu machen. Stattdessen hat sie die vergangenen vier Jahre verschlafen.
Das gilt insbesondere für die deutsche Verteidigungspolitik. Deutschland hat die Bundeswehr vernachlässigt. Schließlich konnte man sich stets auf die Schutzmacht USA verlassen. Doch Trump hält nicht viel von der NATO. Für die Ukraine hat er nur vage Pläne. Ob er ihr Waffen liefern wird oder sie finanziell unterstützen will, sagt er nicht. (Deutschlands Bundeskanzler Olaf) Scholz will nun wieder aufrüsten und den europäischen Pfeiler der NATO stärken, etwa durch das kürzlich geschlossene Verteidigungsabkommen mit Großbritannien.
Aber das wird nicht reichen, sollten die USA unter Trump ihre Hilfen für die Ukraine reduzieren und sich weniger in der NATO engagieren. Scholz wäre dann Europas wichtigster Mann in Sachen Verteidigung - und müsste diese Führungsrolle auch ausfüllen. Bisher verhält er sich jedoch nicht so. Bei seinen Abwägungen geht es immer wieder auch darum, (Russlands Präsident Wladimir) Putin nicht zu provozieren. Einen Zauderer an der Spitze kann sich Europa in Zeiten des Krieges jedoch nicht leisten."
"Sydney Morning Herald":
"(Der erste US-Präsident) George Washington bezeichnete die amerikanische Demokratie einmal als 'ein Experiment, das den Händen des amerikanischen Volkes anvertraut wurde'. Das amerikanische Volk gibt dieses nun als gescheitertes Experiment auf. Donald Trump hat jahrelang in Wort und Tat deutlich gemacht, dass er die Ergebnisse von Wahlen nicht respektiert - es sei denn, er gewinnt. Doch die meisten amerikanischen Wähler haben bei der Wahl am Dienstag in vollem Bewusstsein für ihn gestimmt.
Falls jemand seinen autokratischen Instinkt vergessen haben sollte, hatte Trump zwei Tage vor dem Wahltag noch einmal an diesen erinnert. Denn er hat das Ergebnis der Wahl von 2020 nie akzeptiert, einen Aufstand angezettelt, um im Weißen Haus zu bleiben, und am Sonntag betont, dass er es 'nie hätte verlassen sollen'. Sieben von zehn Amerikanern waren sich des Risikos bewusst und sagten gegenüber Meinungsforschern von CNN letzte Woche, sie würden nicht damit rechnen, dass Trump im Falle einer Wahlschlappe seine Niederlage eingestehen würde. Dennoch haben die meisten Wähler ihm bereitwillig die Macht überlassen. Wenn Washington der Vater der amerikanischen Demokratie war, dann hat Donald Trump sich als ihr Bestatter beworben - und ist nun in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen."
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