Adiós, Demokraten? Warum mehr Latinos denn je Trump wählen werden
In fingerhutgroßen Plastikbecherchen schenkt Claudia gratis Kaffee aus. „Schwarz, stark, kubanisch“, lacht sie, aber Zeit zum Plaudern mit ihren Gästen im übervollen Souvenirladen in Miamis Stadtteil Little Havanna hat sie nicht. Nur ein paar freundliche Worte, auf englisch, auf spanisch, die Tochter kubanischer Einwanderer muss darauf achten, dass ihr Laden läuft. Über Politik will die lebenslustige Mittvierzigerin sowieso nicht reden, nur so viel: „Die Steuern müssen runter.“
Und damit steht auch ohne viele Worte fest, während sie ihre blond gefärbten, hüftlangen Haare schwungvoll hinter die Schultern wirft, wo die politische Vorliebe der Geschäftsfrau liegt: Bei den Republikanern – bei Donald Trump. Der verspricht schließlich weitere Steuererleichterungen, während die Demokratin Kamala Harris im Fall ihres Sieges bei der Wahl am Dienstag die Unternehmenssteuern von 21 auf 28 Prozent erhöhen will.
Florida, Trumps Wahlheimat und einst ein Swing State, dürfte am Dienstag bei den Präsidentenwahlen mit solider Mehrheit republikanisch stimmen. Latino-Wähler werden einen bedeutenden Anteil daran haben. Fast zwei Drittel aller aus Kuba geflohenen Amerikaner leben heute im Sunshine State, und von dort haben sie ihre anti-kommunistische Einstellung mitgebracht. „Kamala Harris wählen?“, sinniert Manuel vor sich hin.
Seine Eltern hatten einst wegen Kubas Revolutionsführer Fidel Castro das nahe Miami angesteuert. "Die Demokraten", sagt er, "sind mir viel zu links. Dieses ganze woke Gerede interessiert mich überhaupt nicht. Es geht doch um ganz andere Dinge im Leben“, meint der Gast in Miamis berühmtem ikonisch-kubanischem Lokal, dem Cafe Versailles.
Worum geht es den rund 36 Millionen potenziellen Wählern mit Latino-Wurzeln? Sie stellen bereits mehr als 15 Prozent der Wählerschaft – und galten für die Demokraten bisher immer mehrheitlich als sichere Bank. Doch das hat sich geändert.
Die Schuld für die Inflation sehen viele bei Präsident Biden
Mehr und mehr ist es die wirtschaftliche Lage, die das Wahlverhalten der Latinos in zweiter oder dritter Generation in den USA bestimmt. Inflation, Lebensmittelpreise, die sich seit der letzten Präsidentenwahl um ein Viertel erhöht haben; fast doppelt so hohe Kreditraten – die Schuld dafür sehen viele bei US-Präsident Joe Biden.
Für Iris Acosta-Zobel ist es dennoch undenkbar, einen Mann wie Donald Trump zu wählen. Was die Mutter einer elfjährigen Tochter vom jüngsten Versprechen des republikanischen Ex-Präsidenten hält, er werde die „Frauen beschützen, egal ob sie das wollen oder nicht?“ Die Hotelfachfrau verdreht die Augen.
Auf rund 36 Millionen
potenzielle Wähler beläuft sich die Zahl der US-amerikanischen Staatsbürger mit hispanischen Wurzeln. Sie stellen damit rund 15 Prozent der amerikanische Wahlberechtigten. Im Jahr 2.000 lag die vergleichbare Zahl bei 14,3 Millionen.
In den Swingstates
Arizona und Nevada ist die Wahl der Latino-Stimmen für den jeweiligen Bundesstaat besonders wichtig. Hier stellen sie 22 bzw. 25 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung.
In Florida
stellen Latinos 27 Prozent der Bevölkerung. Nach 2012, als Barack Obama noch siegte, hat kein demokratischer Präsidentschaftskandidat mehr in Florida gewonnen. Auch Kamala Harris hat den Wahlkampf im Sunshine State gleich links liegen lassen.
Viel mehr ärgert die gebürtige Puerto Republikanerin da schon die Beleidigung eines Comedians aus dem Trump-Lager, ihre alte Heimat sei eine „im Ozean schwimmende Insel aus Müll“.
„Es mag ja in Puerto Rico nicht alles perfekt sein“, sagt sie, „aber für ihre Militärbasis auf der Insel sind wir ihnen gut genug?“
Zusammen mit ihrem Mann Marcos Zobel, der vor zwanzig Jahren aus Venezuela nach Miami kam, sitzt sie in ihrem gepflegt eleganten Wohnzimmer - ein Paar, das den Traum aller Immigranten wahr gemacht hat. Gut bezahlte Jobs, sozialer Aufstieg, ein Haus in der Vorstadt, Leben in Sicherheit und mit Perspektiven für die Zukunft ihrer Tochter.
Traditionell konservativ
Trotz aller Beleidigungen und Fake News aus dem Trump-Lager - richtig warm aber werden Iris und Marcos aber auch mit den Demokraten und ihrer Kandidatin Kamala Harris nicht. „Wir Latinos sind traditionell konservativ, auf alle Fälle, was unser Familienleben betrifft.“ Man halte zusammen, sie selbst sei auch erst von daheim ausgezogen, als sie geheiratet habe. Traditionelle Familienwerte, Anstand und Moral – das steht für viele Latino-Wähler in einem geradezu erschreckenden Gegensatz zum Einsatz für LGBTQ+-Rechte, für die viele Demokraten kämpfen. Und auch beim Thema Abtreibung, sagt Iris, „können viele von uns nicht mit.“
Marcos erklärt sich das mit dem katholischen Hintergrund vieler Immigranten aus Lateinamerika. Das Wahlmotiv des Marketingmanagers für eine schweizer Firma: „Ich wähle weniger für Republikaner oder Demokraten“, sagt er, „ ich wähle, um die Institutionen des Staates zu schützen.“
Der Enkel eines 1938 vor den Nazis geflohenen Wieners wünscht sich eine stabile USA, einen Staat, der weiterhin Demokratie und Freiheit garantiert. Ereignisse wie den 6. Jänner, 2021, als Trump-Anhänger das Kapitol in Washington stürmten, will er nie wieder sehen.
Trennlinien entlang des Bildungsgrades
So wie bei vielen anderen Wählergruppen in den USA verläuft auch bei den Latinos, die 2020 zu rund 60 Prozent demokratisch gewählt haben, die Trennlinie zwischen Trump und Harris entlang des Bildungsgrades: Je besser ausgebildet, desto mehr Neigung zu den Demokraten, je weniger – und das ist der größere Teil der Latino-Wähler in den USA – desto mehr dreht sich der Wind in Richtung blau, zur Grand Old Party (GOP). Ein homogener ethnischer Block waren die Latinos in den USA nie.
Dass Trump droht, bis zu zwanzig Millionen undokumentierter Immigranten auszuweisen, die teils schon Jahrzehnte im Land leben, schreckt die meisten seiner Latino-Wähler mit US-Staatsbürgerschaft nicht ab.
Nicht einmal in Florida, wo nach Trump-Plänen 1,2 Millionen illegale Migranten rausfliegen würden. „Klar, meine Eltern sind auch aus Kuba gekommen“, schildert Manuel, der Gast im bombastisch-kitischigen Cafe Versailles. „Aber wir haben legalen Status, und ich finde, und nur wer legal ins Land kommt, soll bleiben dürfen.“
Nicht einmal den illegalen Immigranten aus Honduras, der Tag für Tag in einem Park in Little Havanna Hühner mit Reiskörnern füttert, scheinen Trumps Drohungen zu schrecken.
Seit 17 Jahren sei er in den USA, erzählt er. Englisch hat er nie gelernt, brauche er auch nicht, sagt er, bei seiner einfachen Arbeit als Pflücker in der Landwirtschaft. Die Wahlen am Dienstag interessieren ihn nicht., wählen darf er ohnehin nicht. Sein Leben? „Ich wohne in einem schönen Haus, ich arbeite, ich füttere die Hühner.“
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