Erste Einblicke
Das hält die Besucher aber nicht ab. Beim Lokalaugenschein des KURIER tummeln sich unzählige Einheimische, Schulklassen und Touristen im gigantischen Atrium des GEM, wo Stein, Glas, Metall und Wasser dominieren. Vor dem Museum hat sie der Hängende Obelisk begrüßt und jetzt bekommen sie von der Führerin, einer kleinen smarten Ägypterin, eine Nachhilfestunde in Sachen Ramses II.
Die Riesenstatue des großen Pharaos (oben) dominiert das Atrium und weist den Weg zur „Journey to Eternity“, wie die kleine Smarte sagt. Diese „Reise in die Ewigkeit“ treten die Besucher an, wenn sie die große Treppe (groß ist im GEM irgendwie alles) in den ersten Stock hinaufsteigen – gesäumt von Statuen der Königin Hatshepsut und Pharao Seti I., von Säulen und Sarkophagen (Bild unten).
Oben angekommen gibt ein riesiges, 27 Meter hohes Panoramafenster den Blick auf die nahe gelegenen Pyramiden frei (sofern das der Kairoer Smog nicht verhindert) (Bild unten).
Wir wenden uns – immer der kleinen Führerin hinterher – nach links. Rechts ist derzeit noch verboten. Sie erinnern sich: Die vorerst geheimen Tutanchamun-Säle. Wobei uns die zwölf linken Hauptgalerien mehr als entschädigen: Entworfen von einem irischen Architekturbüro, finanziert mit japanischem Geld, findet man hier 50.000 antike Objekte, 20.000 davon praktisch unbekannt, von der Ur- bis zu griechisch-römischen Geschichte.
Timeline
„In den Sälen wird das Leben im alten Ägypten, die Gesellschaft, das Königtum, der Glaube, die Unsterblichkeit, wie der ägyptische Staat gegründet wurde, gezeigt“, sagt Ägyptologe Tarek Tafik, der das Projekt GEM bis 2019 geleitet hat.
Auch die Mutter von Pharao Cheops ist nach Gizeh zurückgekehrt. Das Grab von Hetepheres I. wurde 1925 unweit des Museums entdeckt, ihr 4.500 Jahre altes vergoldetes Bett in jahrelanger Kleinarbeit mühevoll rekonstruiert. Jetzt kann es erstmals bewundert werden. Hetepheres selbst schaut – in Gestalt einer Statue – auf die Pyramide ihres Sohnes (Bild unten).
Und wenn wir schon bei großen ägyptischen Namen sind: Selbstverständlich wird die Expedition von Hatshepsut nach Punt thematisiert – als interaktiver Comic. Auch Amenhotep IV., der als Echnaton (Bild unten) Tabula rasa mit den alten Göttern machte, den Monotheismus erfand und scheiterte, hat den ihm gebührenden Platz.
Wandgemälde zeigen das Alltagsleben, Festszenen, Tanz und Begräbnisprozessionen. Kämme, Schmuck, Parfümschalen, Pinzetten und eine Perücke belegen, was Frauen schon immer unbedingt brauchten und runden die Tour de Force durch mindestens 6.000 Jahre ägyptische Geschichte ab. Alles bekommt durch die futuristische Architektur den gebührenden Rahmen und wird vom edlen Lichtdesign zum Strahlen gebracht.
Eine Frage der Politik
So gesehen hat sich das mehr als 20 Jahre lange Warten auf das Museum gelohnt. Und irgendwann wird wohl auch die Tutanchamun-Ausstellung eröffnet. Sobald sich die weltpolitische Lage (Stichwort: Ukraine-Krieg und Nahost-Konflikt) beruhigt hat, wie der ehemalige Antikenminister Khalid El-Enany in einem Interview mit dem KURIER einmal meinte. Schließlich will man Regenten und Regierungschefs einladen, wenn der kleine König und seine Schätze der Weltöffentlichkeit präsentiert werden. Ob die dann aber noch immer König Charles, Putin, Trump oder Xi Jinping heißen, sei dahingestellt.
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