Grand Egyptian Museum: Wer die Pyramide der Neuzeit baut

Grand Egyptian Museum: Wer die Pyramide der Neuzeit baut
Grand Egyptian Museum: Iren sind für das Gebäude verantwortlich, das Innenleben haben Deutsche konzipiert.

Als sich Róisín Heneghan und ihr Team mit dem Gedanken trugen, sich für den Bau des künftig weltgrößten Museums ägyptischer Kunst und Kultur zu bewerben, kannten sie den Ort nicht einmal. „Nachdem sich herausstellte, dass wir tatsächlich das Rennen gemacht haben, waren wir wirklich überrascht“ erzählt die Leiterin des irischen Architekturbüros Heneghan Peng.

Fast 2000 Büros haben sich beworben, um das Gand Egyptian Museum, nahe der berühmten Gizeh-Pyramiden, zu bauen. An der ersten Idee haben Heneghan und ihr Team zu dritt gearbeitet – das war vor 16 Jahren. „Der Baugrund liegt recht nahe an den Pyramiden – auf einem Plateau etwas höher als der Rest rundum. Darum entschieden wir, dass das Museum nicht höher werden durfte“, erinnert sie sich. Viele Besucher werden in dieses Museum kommen, daher war unser Gedanke: Wie um alles in der Welt kommen sie in drei Stunden durch diesen riesigen Komplex?“

Niemand könne bei einem Besuch alles sehen. „Aber wir haben alles daran gesetzt, dass der Besucher nicht verloren geht und eine Idee von dieser alten Zivilisation mitnimmt. Schließlich liegen zwischen Altem Reich und Kleopatra 3500 Jahre.“

50.000 Artefakte

Mehr als 50.000 Artefakte aus dieser Zeit sollen im Museum präsentiert werden. Wie man sie in Szene setzt, weiß Shirin Frangoul-Brückner, Geschäftsführerin des Atelier Brückner aus Stuttgart. Eine gute Ausstellung sei wie ein guter Film: Sie muss eine Geschichte erzählen. Prolog, Spannungsbogen, emotionales Highlight und Epilog gehören zur Dramaturgie dazu, erklärt die Architektin. Sie hat an einem Konzept gefeilt, das es in sich hat: 40.000 Quadratmeter müssen für etwa 15.000 Besucher täglich publikumsgerecht gestaltet werden.

Mit großen Projekten ist ihr Atelier vertraut, da wäre etwa das BMW Museum in München, das Besucherzentrum des EU-Parlaments in Brüssel, sowie acht archäologische Museen. Man habe oft mit Exponaten wie Faustkeilen, Knochenfunden oder Gefäßen zu tun, „die teils zerstört sind und für sich erst einmal keine Geschichte erzählen“. Diese herauszuarbeiten, ist eine Herausforderung, sagt die Architektin – auch bei ihrem neuen Projekt. Exponate wie Vasen oder Schreine sollen dort die Stars sein.

Am Anfang waren sie es noch auf Papier und Pappe. Brückners Team musste zuerst alles als 3-D-Modell im Maßstab 1:100 bauen. Damit flog das Team zu den Meetings nach Kairo – in der sechsmonatigen Anfangsphase alle drei Wochen. Dort sah Frangoul-Brückner erstmals das alte Ägyptische Museum im Stadtzentrum und fühlte sich 50 Jahre zurückversetzt. „Dort ist die Zeit stehen geblieben. Es hat die weltweit renommierteste Sammlung an ägyptologischen Exponaten, die in einfachen historischen Vitrinen stehen, ohne Beleuchtung, Erklärebene oder Grafik. Es ist ein verstaubtes Museum, das einen wahnsinnigen Charme hat.“

Bei aller Nostalgie, in puncto Klimatisierung und Konservierung werden im neuen Museum ganz andere Standards gesetzt. „Tutanchamun etwa wird in modernsten Vitrinen ausgestellt, die von zwei führenden europäischen Firmen hergestellt werden – in Deutschland und Italien“, ergänzt der langjährige GEM-Direktor Tarek Tawfik. „Sie garantieren das richtige Klima und Umfeld.“

Das Grab von Tutanchamun mit seinen fast 5400 Artefakten spielt eine Sonderrolle – rund um ihn wird Geschichte erzählt: Vom Leben, Tod und der Wiedergeburt des Kindkönigs – bis zur Entdeckung des Grabes durch Howard Carter 1922 in Luxor. „Es ist das emotionale Highlight“, findet Frangoul-Brückner. „Wir haben dort ein 1:1 Modell des Grabes, wo der Besucher verstehen kann, wie groß es war.“ Und natürlich findet sich dort auch die berühmte Totenmaske von Tutanchamun.

Tuts kleine Helfer

Noch mehr gefallen ihr aber seine Grabbeigaben: Tiegel, Gefäße sowie Mini-Figuren, die ihn als Helfer auf seinem Weg begleiten sollten. „Das Streben des Menschen, sein Leben so auszurichten, dass er im Jenseits besonders gut ausgestattet ist, ist etwas, das in unserer Gesellschaft so nicht existiert.“ Diese Geschichten sollen die Besucher erspüren. Berührt man etwa die Scheiben bestimmter Vitrinen, werden Hieroglyphen übersetzt. Auf Scan-Tischchen wird erklärt, was bei der Mumifizierung passiert.

Viel zu sehen gibt es auch außerhalb des neuen Pharaonentempels, nämlich im Garten, erklärt Róisín Heneghan. „Viele der Dinge im GEM kommen aus Gräbern, gleichzeitig dominiert der Nil dieses Land und die Zivilisation. Die Gärten sind also eine gute Gelegenheit, über den Fluss zu reden und die Fruchtbarkeit zu zeigen, die dieses Land so reich gemacht hat.“

Leute, die das alles weniger interessiert, beruhigt die Architektin zum Schluss: Nein, man müsse nicht durchs ganze Museum, um endlich Tutanchamuns Schatz zu sehen. „Links geht es zu den Galerien. Doch wer beim Eingang gleich rechts abbiegt, kommt direkt zu ihm.“

 

Diese und noch viel mehr Geschichten lesen Sie im KURIER-History-Magazin „Im Reich der Pharaonen“. Auch als ePaper erhältlich unter: www.ikiosk.de/shop/epaper/kurier-magazin-history

Kommentare