Welche Bedeutung die neu entdeckte „Pharaonenstadt Schillernder Aton" hatte und warum Ketzerkönig Echnaton sie verlassen haben könnte, erzählt Ägyptologe Zahi Hawass.
Ein Gefäß mit zwei Gallonen (10 kg) Fleisch trug die wertvolle Inschrift: Jahr 37, zubereitetes Fleisch für das dritte Heb Sed Fest aus dem Schlachthaus des Lagerhauses von Kha, hergestellt vom Metzger luwy. Damit kannten die Forscher mit einem Schlag nicht nur den Namen des Metzgers, der anlässlich des Jubiläumsfestes zum 37. Regierungsjahr des Königs den Braten geliefert hatte, sondern waren auch sicher: Sie befanden sich mit ihrer Grabung mitten in der Zeit von Pharao Amenhotep III. und seinem Sohn Echnaton. Nur ein Jahr nach der Herstellung dieses Topfes wurde die Stadt aufgegeben und die Hauptstadt nach Amarna verlegt.
Um zu verstehen, warum Ägyptologen jubilieren, seit vor einer Woche der Fund der Stadt tehn Aten (Schillernder Aton) in Luxor bekannt gegeben wurde (der KURIER berichtete), müssen wir uns in die Zeit von vor 3.400 Jahren zurück versetzen: Damals gab ein umstrittener altägyptischer König seinen Namen, seine Religion und seine Hauptstadt in Theben (dem heutigen Luxor) auf.
Bekanntes
Was dann passierte, ist bekannt: Pharao Echnaton stampfte weit entfernt flußabwärts eine neue Stadt – Achetaton – aus dem Wüstensand, wo er mit seiner Frau Nofretete, den sechs Töchtern, seinem Sohn sowie seinen Anhängern lebte und die Sonne verehrte. Er änderte seinen Namen von Amenhotep IV. in Echnaton, was „jener, der Aton dient“ bedeutet.
Während seiner 17-jährigen Herrschaft stellte er die ägyptische Kultur und Kunst auf den Kopf. Nach seinem Tod wurde sein Sohn Tutanchamun Herrscher über Ägypten und kehrte dem umstrittenen Erbe seines Vaters den Rücken.
Unbekanntes
Was nicht bekannt ist: Warum verließ Echnaton Theben, das mehr als 150 Jahre lang die Hauptstadt des alten Ägypten gewesen war?
In der nun entdeckten Siedlung, die Echnaton von seinem Vater Amenhotep III. geerbt hatte, könnten sich Hinweise verbergen. Die Stadt war genau in dieser spannenden Epoche gebaut worden – als nämlich die Verehrung des Sonnengottes aufkam, alle anderen Götter verboten wurden und der Monotheismus erfunden wurde.
Der berühmte ägyptische Archäologe Zahi Hawass hat nach seiner jüngsten Entdecker von Schillernder Aton jedenfalls bereits eine Theorie, was passiert sein könnte.
Im Interview mit dem KURIER ist er sich sicher, dass die Verehrung des Sonnengottes bereits mit Amenhotep III. begonnen hat.
„Wir haben den Namen einfach überall hier gefunden. In den Häusern gab es Bilder, die Aton und seine Verehrung zeigen“, erzählt er.
Den mächtigen Priestern des Amun passte es natürlich überhaupt nicht, dass ihr Gott und der restliche Pantheon plötzlich unten durch waren.
„Aber Amenhotep III. war ein starker Herrscher, weshalb sie gegen ihn und seinen Lieblingsgott nichts ausrichten konnten. Im Unterscheid dazu war sein Sohn und Nachfolger Echnaton schwach. Darum war er machtlos gegen die Attacken der Amun-Priester.“ Die Folge: Er räumte mitsamt seinem einzigen Gott Aton das Feld.
Mehr über die Siedlung und wie es mit der Grabung weiter geht lesen Sie hier im Interview mit dem Entdecker von Tehn Aten:
Soweit Hawass Theorie, für die es durchaus Indizien gibt: So stand die Stadt weitab von den Amun-Priestern auf der gegenüberliegenden Seite des Nils.
3.400 Jahre alt ist jener Ort, der von einem der größten Herrscher Ägyptens, König Amenhotep III., gegründet wurde. Sein Sohn Echnaton gab Schillernder Aton (tehn Aten) auf. Sein Enkel Tutanchamun nutzte die größte Industriesiedlung wieder.
Knapp 90 Jahre ist es her, da sind die Forscher C. Robichon und A. Varille bereits auf Reste der antiken Anlage gestoßen. Der weitaus größere und besser erhaltene Teil wurde aber erst im September 2020 entdeckt (siehe Bild unten).
Tatsächlich scheint die alte Stadt aus dem Neuen Reich gut für weitreichende Erkenntnisse: tehn Aten, in der Nähe der berühmten Memnon-Kolosse gelegen, dürfte Ägyptens größte administrative und industrielle Siedlung gewesen sein. Überall kamen Werkzeuge zum Vorschein, die zum Spinnen und Weben verwendet wurden. Dazu fand man Metall- und Glasmacherschlacken.
...und ein Tongefäß auf dem sich die Farben gut erhalten haben.
Irene Forstner-Müller ist jedenfalls von den „wahnsinnig gut erhaltene Wirtschaftsanlagen“ sehr angetan: „Man hat hier den Verwaltungstrakt eines Palastes, mit dessen Hilfe man nachvollziehen kann, wie der Hofstaat vom König bis hinunter zum letzten Diener versorgt wurde“, sagt die österreichische Expertin für Stadtarchäologie.
Christian E. Loeben von der Uni Göttingen glaubt daher, dass es sich nicht um eine Stadt, sondern um Annexbauten des Palasts von Amenhotep III. handelt: „Um einen so großen Palast zu betreiben, braucht man Werkstätten, Küchen, Bäckereien – also Wirtschaftseinheiten“. Genau solch eine Einheit hätte Hawass nun ausgegraben. „Deshalb überrascht auch der Fund eines Tongefäßes mit zehn Kilogramm Fleisch nicht“, sagt Loeben Spektrum.de gegenüber.
Momentaufnahme jener Zeit
So oder so dürfte der Ort ein Herzstück der Herrschaft der Tutanchamun-Familie gewesen sein. Wenn es irgendetwas Neues über diese Dynastie zu entdecken gibt, dann hier. Über den gute Erhaltungszustand beeindruckt, meint etwa Salima Ikram, Leiterin der ägyptologischen Abteilung der American University in Kairo: „Es ist eine Momentaufnahme jener Zeit – eine ägyptische Version von Pompeji.“
Weil tehn Aten erst im September 2020 entdeckt wurde, haben die Forscher erst an der Oberfläche der weitläufigen Anlage gekratzt. Bisher wurde nur ein Drittel des Geländes freigelegt – schwer zu sagen, wie genau die Bedeutung der Entdeckung im ägyptologischen Kontext einzuordnen ist. Gut möglich, dass es einer der Orte ist, die ein Herzstück der Herrschaft der Tutanchamun-Familie darstellen.
Und wenn es etwas Neues über diese Dynastie und den jungen König selbst zu entdecken gibt, könnte es hier sein, glaubt zumindest Hawass: „Wir haben eine Menge Informationen über Gräber und Tempel, aber dies ist das erste Mal, dass wir die Geheimnisse über das Leben der Könige des goldenen Zeitalters Ägyptens enthüllen können“.
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