Auf den Spuren Tutanchamuns durch das Land am Nil

Pharaonen-Hotspot Nr. 4: Das Grab mit der Mumie des Tutanchamun im Tal der Könige
Diese Orte sollte, wer zum 100-Jahr-Jubiläum der Entdeckung von Pharao Tutanchamun an den Nil aufbricht, unbedingt besuchen.

Al-Tayeb  Abbas hat noch immer ein Haus nahe dem Tal der Könige. Dort ist er geboren worden, dort hat er sich, seit er sechs war, herumgetrieben und all die Gräber  erkundet.  Auch das des berühmtesten Pharaos – Tutanchamun. „Ich liebe unsere Geschichte, daher habe ich mich für Ägyptologie entschieden“, erzählt er. Und weiter: „Aber ich habe mir nicht vorgestellt, dass ich eines Tages h i e r sitzen würde.“

H i e r ist das „Grand Egyptian Museum“ (GEM), dessen stellvertretender Direktor und wissenschaftlicher Leiter der junge Forscher ist. Hauptaufgabe: die Ausstellung im weltweit größten archäologischen Museum endlich fertigzumachen. Das GEM ist unser erster Pharaonen-Hotspot:

1. Eigentlich sollte das Grand Egyptian Museum unweit der Pyramiden in Gizeh zum ikonischen Datum am 4. November 2022 eröffnen. Denn an diesem Tag vor hundert Jahren hat Howard Carter das unversehrte Grab des Tutanchamun im Tal der Könige entdeckt. Jetzt hört man, dass es wohl im kommenden Jahr so weit sein wird. Die Halle des Tutanchamun im GEM sei aber schon so gut wie fertig. Wer also seine Nilkreuzfahrt für das kommende Frühjahr plant, hat gute Chancen,  erstmals den kompletten Schatz aus Tuts Grab – renoviert und in modernster Museumstechnik herausgeputzt – zu sehen.

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Das Grand Egyptian Museum in Gizeh wird den kompletten Grabschatz zeigen

„Viele Stücke waren noch nie ausgestellt“, erzählt Abbas. Sie mussten also restauriert werden. Siebzehn Restaurierungslabore zählt das GEM. „Später“ – wenn endlich eröffnet ist –, verspricht der Vizedirektor,  „werden wir  Besuchern den Zutritt erlauben, um zu zeigen, was wir tun und wie die Objekte hergerichtet werden“.

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Über Jahre herrschte Hochbetrieb in den Laboren des GEM

Tutanchamuns 145 Unterhosen sind jedenfalls  bereits 2018 im Haus eingetroffen. Vorsichtig hatte die Restauratorin damals  eines der etwa 3.400 Jahre alten Leinen-Dreiecke ausgebreitet.  Fünf Monate lang war der Stoff mittels  Röntgen und C14 analysiert worden. Die Restaurierung selbst dauerte Monate.

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Altes Leinen-Dreieck? Falsch! Pharaonen-Unterhose

2. „Etwa zweihundert Objekte von Tutanchamun sind jetzt noch im Museum am Tahrir-Platz, in Sharm El Sheikh und Hurghada. Sie bleiben – restauriert und bereit für den Transport – auch dort, bis der Eröffnungstag feststeht“, sagt Abbas. Die berühmtesten Stücke sind bis zum Schluss im bekannten Ägyptischen Museum im Zentrum von Kairo ausgestellt, zum Beispiel die Maske, der gesamte Goldschmuck und der goldene Sarkophag des Königs.

Wann immer Touristen nach Ägypten kommen, sie können die Maske des Tutanchamun sehen – zuerst am Tahrir und nach der Eröffnung im neuen Museum bei den Pyramiden.

von Sabah Abdel-Razek

Direktorin des alten Ägyptischen Museums

 Wie überhaupt viele wichtige Stücke in ihrem Haus verbleiben werden – zum Beispiel die berühmte Sammlung rund um Tutanchamuns Urgroßeltern, Juja und Tuja, oder Statuen  von seinem Vater Echnaton und seiner Stiefmutter Nofretete.

Juja und Tuja werden übrigens bereits neu präsentiert:

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Juja uns Tuja waren die Urgroßeltern von Tutanchamun und das Ägyptische Museum zeigt, was von ihnen geblieben ist

Nachdem Tutanchamuns Hausrat den ersten Stock des alten Museums Richtung GEM verlassen hatte, sind seine Urgroßeltern eingezogen – mit einem prächtigen Wagen, ihrem ganzen Haushalt und den Sarkophagen sowie Mumien, die im Tal der Könige gefunden worden waren.

3. Apropos Mumien. Die waren  einer  d e r  Publikumsrenner im alten Museum. Mittlerweile haben sie ihre neue hypermoderne Heimstatt im National Museum of Egyptian Civilization (NMEC) im acht Kilometer entfernten Kairoer Stadtteil  al-Fustat gefunden.

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Im NMEC haben die Königsmumien die letzte Ruhestätte gefunden

Idyllisch an einem See gelegen, ist dieses Museum eigentlich weit weg von den üblichen Touristenpfaden. Beim KURIER-Lokalaugenschein ist es aber gut gefüllt.  Eine runde Lichtinstallation dominiert den zentralen Saal. Verschiedene Motive wie  Mumien, Särge, Tiere, Pflanzen, Götter werden im Sekundentakt projiziert und vermitteln einen Überblick über Ägyptens große Vergangenheit von der Frühzeit bis zu Gegenwart.

Die eigentliche Mumienabteilung liegt – wie es sich für Gräber gehört – mystisch in Dunkelheit gehüllt unter der Erde. Amenhotep III. (der Großvater von Tutanchamun) und Teje (die  Großmutter) sind hier zu bestaunen. Insgesamt zweiundzwanzig Mumien – achtzehn Könige und vier  Königinnen – darunter Hatschepsut, Nefertari und sechs Mal Ramses. Das Who’s who des Alten Ägyptens.

Nervenkitzel?

Im NMEC wollen die Wissenschafter die Königsmumien jedenfalls ganz anders präsentieren. Nicht mehr Nervenkitzel, sondern Bildungsauftrag. Tatsächlich ist das Ambiente stilvoll und minimalistisch. Ein paar Tafeln mit den Lebensdaten, dazu die Resultate der DNA-Analysen und anderer wissenschaftlicher Untersuchungen, etwa die Todesursache.

4. Wer sich jetzt fragt, wo Tutanchamun selbst steckt: Seit knapp 3.400 Jahren in seinem Grab im Tal der Könige nahe Luxor. Weil die Priester beim Einbalsamieren zu viel  Salböl erwischten, waren Goldmaske, Mumie und Sarg zu einer harten pechschwarzen Masse verklebt.

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Der Eingang zum berühmtesten Grab der Welt

Nüchtern notierte Howard Carter: „Das verfestigte Material musste unter Gliedern und Rumpf weg gemeißelt werden, bevor es möglich war, die Überreste des Königs herauszuheben“. Lediglich die Füße und die Goldmaske über dem Gesicht sind von der schwarzen Masse frei. Die Folge: Tutanchamuns Mumie ist nicht transportfähig, hat sein Grab nie verlassen und kann nahe Luxor im Tal der Könige bestaunt werden.

5. Wer zum Tal der Könige fährt, muss daran vorbei: Kurz hinter der Abzweigung zur Ruhestätte vieler Pharaonen nahe Luxor, liegt es, das Carter Castle, unser fünfter Tutanchamun-Hotspot. Der großspurige Name täuscht. Das Wohnhaus des Ägyptologen Howard Carter  ist bescheiden und zweckmäßig. Und dennoch durchaus einen Besuch wert, wenn man nicht nur die übliche Tempel-Grab-Schiff-Tour machen möchte.

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Seit 2009 ein Museum: Carter Castle nahe Luxor

1910 von George Herbert, dem fünften Earl of Carnarvon, für Carter errichtet, und 2009 als Museum eröffnet, atmet  der  Ziegelbau mit der Holzdecke den Geist von damals – so, als wäre der weltberühmte Tutanchamun-Entdecker erst vor einer Viertelstunde aufgestanden, um zur Arbeit zu gehen. Das Bett ist ungemacht, die Bettwäsche wirkt, als wäre sie seit 1922 nicht mehr gewaschen worden.

Total verstaubt

Überall stehen Carters persönliche Gegenstände  herum: sein Toiletten-Koffer mit Fläschchen, Tinkturen, Bürsten und Maniküre-Set – alles total verstaubt. Auf Garderobenhaken an der Wand im Vorzimmer haben zwei Sonnenhüte des Ägyptologen das Jahrhundert überdauert, daneben lehnen Carters Spazierstöcke. In der hauseigenen Dunkelkammer entwickelte der Wissenschafter seine Grabungsfotos.

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Das Wohnhaus des Tut-Entdeckers ist wenig besucht

Von diesem Haus brach der britische Ägyptologe am 4. November 1922  auf, um den Fund seines Lebens zu machen. Der Telegraphenapparat, auf dem sich die Nachricht von der Entdeckung des einzigen unversehrten Pharaonengrabs  in die Welt verbreitet hatte, steht ebenfalls immer noch da.

Wer jetzt noch nicht genug von Tutanchamun hat, könnte auch seinen Geburtsort Amarna auf halber Strecke zwischen Kairo und Luxor besuchen. Aber das ist eine andere Geschichte, die Sie ab 6. Oktober im neuen KURIER-History-Magazin „100 Jahre Tutanchamun“ lesen können.

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