Nach dem Wahlerfolg: Wo die Wurzeln der FPÖ liegen
Einst Sammelbecken für nach 1945 politisch heimatlose Nationalsozialisten, pendelte der Kurs der Freiheitlichen im Laufe ihrer Geschichte zwischen radikal-populistisch und liberal.
Als sich das „dritte Lager“ nach dem Krieg formierte, war überhaupt nicht klar, wohin die Reise gehen würde.
Da war zum einen Herbert A. Kraus, ein Salzburger Journalist, der mit Gleichgesinnten den Wahlverband der Unabhängigen (WdU/VdU) aus der Taufe hob. Er dachte an eine liberale Honoratiorenpartei. Wählbar für das gehobene Bürgertum wollte man sein, schielte aber doch auch auf die 556.000 Österreicher, die als NS-Belastete nach dem Krieg – noch – von den Wahlen ausgeschlossen waren.
„Dr. Kraus erklärte, eine neue Partei, die große Teile der mit dem derzeitigen Parteisystem unzufriedenen Kreise vertreten würde, sei notwendig“, schrieb der Wiener KURIER am 8. Juli 1949. Forderungen gab es auch: Volksdeutschen seien den österreichischen Staatsbürgern gleichzustellen. In der Außenpolitik strebe man die Errichtung der Vereinigten Staaten von Europa an.
Zum anderen gab es aber auch Anton Reinthaller. „Ihm war der VdU viel zu ,liberal‘“, erinnert die Historikerin Margit Reiter, die sich intensiv mit der Geschichte der FPÖ beschäftigt hat. „Reinthaller war kein kleiner Nazi, auch kein Mitläufer.“ Er sei schon 1928 – also extrem früh – der NSDAP beigetreten. 1938 wurde er belohnt und Landwirtschaftsminister. Nach Kriegsende folgte eine Verurteilung wegen Hochverrats. Reiter: „Kaum, dass Reinthaller begnadigt ist, fängt er an, seine rechten Netzwerke zu aktivieren, darunter der sehr nationale Teil des VdU. 1956 wechselten sämtliche Abgeordnete des VdU geschlossen zur neu vom „belasteten Nationalsozialisten“ Reinthaller gegründeten FPÖ. Die zentrale Botschaft im Wahlkampf lautete schon damals: „Gegen Rot und Schwarz – die Dritte Kraft“.
Die Nationalen hatten über die Liberalen gesiegt und es sollte nicht das einzige Mal bleiben.
Bei Wahlen wuchs die FPÖ jahrzehntelang, aber selten signifikant über fünf Prozent (siehe oben). Man blieb ein Paria der Politik, auch weil die Erinnerung an die NS-Verbrechen noch nahe war und die Partei es vermied, sich kritisch mit den eigenen Wurzeln auseinanderzusetzen. Doch dann, in den 1970er-Jahren, startete man den Versuch, eine liberale Bewegung zu werden. Der „Atterseekreis“, eine Denkfabrik, arbeitete Ideen aus: Man wollte eine moderne, wirtschaftsfreundliche Partei werden, sich vom braunen Erbe emanzipieren – und fuhr 1983 das schlechteste Wahlergebnis seit Parteigründung ein.
Opposition zum System
„Der Widerstand gegen den liberalen Kurs, der in Österreich keine Tradition hat, wuchs“, sagt Historikerin Reiter. Sofort setzten die FPÖ unter ihrem neuen Obmann Jörg Haider auf Opposition zum System insgesamt. „Sie wurde zum Prototyp dessen, was bald in Europa als ,Rechtspopulismus‘ gelten sollte. Dabei nutzte die Partei zunehmend eine fremdenfeindliche Rhetorik, die oft als rassistisch empfunden wurde“, analysiert der Historiker Anton Pelinka auf bpd.de
Seit damals habe sich viel geändert:
Das, was lange Zeit eine ganz gefestigte ideologische Partei war, ist heute wesentlich breiter im Wählerspektrum.
von Margit Reiter
Zeithistorikerin
Die Forscherin analysiert weiter: „Viele Funktionäre aber sind noch immer dieser Gesinnung verhaftet.“
Womit wir bei der Frage sind, wie viel NS-Vergangenheit heute noch in der FPÖ steckt. Da müsse man differenzieren, mahnt Reiter. „Es würde zu kurz greifen, zu behaupten, dass alle noch immer dem Nationalsozialismus verhaftet wären. Was man aber beobachten kann, ist eine strukturelle Kontinuität – die Feindbilder sind nach wie vor da, die Abwertung, die Ressentiments, die Verschwörungstheorien, der Rassismus, die Hetze. Und die Wortwahl.“ „Systemparteien“ und „Volkskanzler“ höre man ausschließlich aus dem Mund Freiheitlicher.
Kontinuität
„Diese Ideologie besteht oft über Generationen in einem spezifischen politischen Milieu und bestimmten Familien“, sagt Reiter und weiß, dass die Funktionäre bis heute dort rekrutiert werden – „zum Beispiel bei den Burschenschaftern“.
Eine weitere Kontinuität hat die Historikerin ebenfalls festgestellt: „Reinthaller stützte sich bei der Parteigründung auf seine Netzwerke in den rechten Kernländern – Oberösterreich, Steiermark und Kärnten.“ Ein Zufall, dass dort die FPÖ bei der Wahl vor einer Woche besonders stark abschnitt?