Bericht zeigt systematischen Missbrauch von EU-Geldern
Neue Vorwürfe gegen Ungarn, Tschechien, die Slowakei, Rumänien und Bulgarien in Sachen EU-Agrarsubventionen. Laut einer neuen Studie sollen in den fünf untersuchten Ländern EU-Gelder systematisch missbraucht werden.
Die Studie wurde von den Grünen im EU-Parlament in Auftrag gegeben und diese Woche veröffentlicht. Dazu haben Wissenschaftler in den genannten Mitgliedstaaten die Förderungen und deren Verwendung genauer unter die Lupe genommen.
Das Fazit ist erwartet ernüchternd: Die Agrargelder aus Brüssel (insgesamt rund 60 Milliarden Euro) würden in den untersuchten Staaten Osteuropas „zur Entstehung oligarchischer Strukturen“ beitragen.
Ungarn: Land für Freunde
Etwa in Ungarn, wo seit dem Beitritt 2004 Agrarsubventionen von rund 21 Milliarden Euro angekommen sind. Der Fall Mészáros sei ein Beispiel wie Betriebe mit Beziehungen zur Regierungsebene den Großteil der Mittel abgreifen. Lörinc Mészáros ist derzeit der größte Tycoon in Ungarn – und Viktor Orbáns Jugendfreunde.
In Ungarn gehen laut der Studie 70 Prozent der Gelder an die obersten 10% (die größten Grundbesitzer). Kleine und mittelständische Landwirtschaftliche Betriebe hingegen werden demnach „systematisch benachteiligt“.
Hunderttausende Hektar Land wurden nach 2011 an Freunde und Verbündete von Viktor Orbán verpachtet, die eigentlich gar keine Landwirte sind. Etwa Grundstücke, die früher dem Staat gehört haben, seien günstig an Orbáns Freunde und Familie verkauft oder verpachtet worden, so der Vorwurf.
Daniel Freund, deutsches Mitglied der EU-Grünen und ausgesprochener Orbán-Kritiker, nennt Ungarn ein „warnendes Beispiel, dass in anderen Mitgliedstaaten bereits Schule macht“. Unter der Regierung von Viktor Orbán seien „EU-Agrarsubventionen systematisch abgegriffen und an politische Günstlinge verteilt“ worden.
Einen "Tsunami der Lügen" nennt die Presseabteilung der ungarischen Regierung den Bericht der Grünen auf KURIER-Anfrage, die den Bericht als "Attacke auf das europäische Agrar-Modell" versteht. Er sei "gezielt auf Landwirtschaft und Bauern ausgerichtet", die Autoren seien "schlecht informiert".
Der Regierungssprecher setzt dem Report engegen, dass in Ungarn jährlich fast 170.000 Bauern Zugang zu EU-Geldern hätten. Dass die größeren Betriebe größere Beträge erhalten, liege daran, dass die Gelder etwa an die Größe der Nutzflächen gekoppelt sei, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber dem KURIER.
Die Berichte über Ungarn sind keineswegs neu. Schon seit Jahren werden von Oppositionellen, ehemaligen Fidesz-Mitgliedern, Journalisten und EU-Politikern Missstände im Agrar- und in anderen geförderten Bereichen angeprangert. Seit 2015 laufen Untersuchungen der EU-Betrugsbekämpfer in Sachen Missbrauch von Agrarfördergeldern. Die Regierung von Viktor Orbán hat sich seither immer wieder der Verantwortung entziehen können.
Tschechien: EU-Gelder in die eigene Tasche
Ähnlich wie die Regierung von Andrej Babiš in Tschechien. Mehrmals wurde ihm bereits ein Interessenskonflikt bescheinigt, zuletzt im Dezember von der EU-Kommission. Der Milliardär und Premierminister hat vor Jahren den Vorsitz über den Agrofert-Konzern mit mehr als 230 Unternehmen und über 30.000 Mitarbeitern abgegeben. Doch über Treunhandfonds im Ausland sollen Babiš und seine Familie den Agrar-Konzern weiterhin kontrollieren.
Seit 2013 hat Agrofert rund 50 Millionen Euro an EU-Förderungen erhalten. Und als Premier ist Babiš in die Verteilung der Gelder involviert. Immer wieder gehen in Tschechien Menschen auf die Straße, um gegen die Missstände zu demonstrieren.
Doch bis zuletzt wies der Premier die Vorwürfe immer wieder zurück. Tschechien hat seit seinem EU-Beitritt 2004 mehr als 15 Milliarden Euro an Fördergeldern erhalten.
EU: Mangel an Kontrolle
Die Grünen fordern mit Veröffentlichung der Studie und ihrer weitgehend bekannten Vorwürfe auch, die Maßnahmen gegen den Missbrauch von EU-Geldern zu verbessern. Anlass seien die jüngsten Analysen der Situation in Tschechien, sowie die laufenden Verhandlungen zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik auf EU-Ebene, sagt Thomas Waitz, österreichischer grüner EU-Abgeordneter.
Seine Fraktion plädiert „dringend“ für eine Reform der Europäischen Agrarpolitik. „In ihrer jetzigen Form sorgt sie nicht nur dafür, dass Milliardenbeträge in den Taschen von Oligarchen landen. Der Mangel an Kontrolle gefährdet auch die Demokratie.“ Die Grünen fordern mehr Transparenz (eine Datenbank, in der alle Empfänger von Subventionen, aber auch Bewerber für Landverpachtungen aufgelistet werden), mehr Kontrolle über die nationalen Behörden, mehr Ressourcen für die Untersuchungsbehörden OLAF und EPPO und eine Kontrolle der Umsetzung der Anti-Geldwäsche Verordnung.
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