Betrug mit EU-Geldern: Die Aufdecker haben kaum eine Chance
Andrej Babiš ist nicht nur Regierungschef, sondern auch steinreich. Babiš soll seit Jahren EU-Gelder veruntreuen, so der Vorwurf. Der bekannteste Fall im Fokus: die „Storchennest-Affäre“, ein Wellnessressort, das mit 1,6 Millonen Euro als „Kleinunternehmen“ von der EU subventioniert wurde, obwohl es zu Babiš’ riesigem Firmenimperium gehörte. Seit Wochen wird in Prag demonstriert, weil Babiš offenbar versucht, einer Anklage wegen Betrugsverdachts bei EU-Subventionen aus dem Weg zu gehen.
Knapp 500 Kilometer südöstlich, in der ungarischen Kleinstadt Felcsút, tuckert ein Bummelzug in die Station neben dem riesigen Fußballstadion. Die Heimatstadt von Premier Viktor Orbán steht auf der roten Liste der Ermittler des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF). Das Stadion und der Zug verschlangen – zum Privatvergnügen des Premiers – mehrere Millionen Euro an EU-Geldern.
1,5 Milliarden versickert
Den Vorwürfen, dass EU-Fördermilliarden durch Betrug versickern, ging nun erneut der Europäische Rechnungshof nach. Mehr als 4.000 potenziell betrügerische Unregelmäßigkeiten wurden zwischen 2013 und 2017 in der EU ermittelt. 1,5 Milliarden Euro an Fördermitteln gingen so EU-weit verloren, schreibt der Rechnungshof in seinem am Donnerstag präsentierten Bericht. Drei Viertel dieser Gelder stammen aus dem sogenannten Kohäsionsfonds: Aus diesem werden Maßnahmen finanziert, um regionale Ungleichheiten in der EU aufzuheben.
Dabei spürte die Behörde allerdings nicht den konkreten Betrugsfällen nach. Sie nahm vielmehr die nationalen Behörden der EU-Staaten unter die Lupe. Denn diese sind zuständig für die Verhinderung, Aufdeckung und Ahndung von Betrug. Düsteres Fazit des Rechnungshofes: „Die Bemühungen der EU-Mitgliedsstaaten zur Bekämpfung von Betrug bei den Kohäsionsausgaben reichen nach wie vor nicht aus.“
In Griechenland etwa hatten die Verwaltungsbehörden keinen der Verdachtsfälle, die dem Rechnungshof vorlagen, an die Strafverfolgungsbehörden verwiesen. In Spanien fehlen die Anweisungen an die Behörden, wann genau und welcher Betrugsverdacht untersucht werden muss.
Bei groben Verdachtmomenten, dass EU-Fördergelder versickern könnten, tritt auch OLAF auf den Plan. Doch die Behörde darf nur ermitteln – und dann die Ergebnisse dem Staat übergeben. Dieser hätte den Auftrag, ein Verfahren einzuleiten.
Keine Kooperation
So geschehen etwa im Fall von Orbáns Schwiegersohn. István Tiborcz soll hohe Profite erzielt haben, weil ein öffentlicher, von der EU-subventionierter Auftrag an seine Firma gegangen ist. Diese hat zwischen 2009 und 2014 dutzende ungarische Gemeinden mit LED-Straßenlampen beliefert. OLAF berichtete und es passierte – nichts. Alle Korruptionsermittlungen wurden im Vorjahr fallen gelassen, Anklage wurde nicht erhoben.
Mehr Durchgriffsrecht soll nun die Europäische Staatsanwaltschaft bekommen. Der Plan: Sie soll Betrugsfällen in den EU-Staaten nachgehen und deren Ahndung durchsetzen können. Die Krux dabei: Ausgerechnet jene Staaten, in denen sich Betrugsfälle häufen, wollen die EU-Staatsanwaltschaft nicht bei sich arbeiten lassen – Ungarn gehört dazu.
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