Kommission vs. Ungarn: EU-Geld ist Prinzipsache

COMBO-HUNGARY-EU-POLITICS
Wer gegen die Rechtsstaatlichkeit verstößt, soll weniger Geld aus Brüssel bekommen. Viktor Orbán gefällt das nicht.

Jeder EU-Bürger und jede EU-Bürgerin hat Grundrechte, das Recht auf unabhängige Richter und das Recht auf unabhängige und vielfältige Medien. Die Rechtsstaatlichkeit ist eines der Grundprinzipien der EU. Ein Mitgliedstaat, der erwiesenermaßen gegen sie verstößt, soll zumindest finanziell bestraft werden können – soweit die Idee der amtierenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft.

Bei Verstößen, wie sie etwa Ungarn und Polen vorgeworfen werden, sollen künftig Gelder aus Brüssel gekürzt werden können. Das hat am Mittwoch eine Mehrheit der Mitgliedstaaten beschlossen. Sie haben den – abgeschwächten – Vorschlag der deutschen Präsidentschaft gebilligt. Neben Ungarn und Polen sollen auch die Niederlande, Finnland, Schweden, Dänemark und Belgien gegen den Vorschlag gestimmt haben. Sie aber deshalb, weil ihnen – wie auch Österreichs Vertretern – die Maßnahmen zu lasch sind.

Ein entsprechendes Verfahren soll nun auf den Weg gebracht werden. Als Nächstes befasst sich das EU-Parlament mit dem Mechanismus, schließlich entscheiden die Staats- und Regierungschefs im Rat mit qualifizierter Mehrheit. Weil die Gegner dieses Verfahrens, Ungarn und Polen, in dieser Sache kein Vetorecht haben, drohten sie bereits mit anderen Blockaden, etwa zum EU-Budget, Stichwort Coronavirus-Konjunkturprogramm.

Bericht mit viel Kritik

Der Mittwoch stand in Brüssel ganz im Zeichen der Rechtsstaatlichkeit. Denn auch die EU-Kommission stellte das Grundprinzip in den Fokus. Vizekommissionspräsidentin Věra Jourová (Bild ganz oben) und Justizkommissar Didier Reynders stellten den erwarteten Bericht über die Rechtsstaatlichkeit in den 27 EU-Staaten vor, in dem insbesondere Ungarn und Polen – die sich intensiv gegen den oben erwähnte Rechtsstaatlichkeitsmechanismus gestemmt hatten – ein schlechtes Zeugnis erhielten. „Ernsthafte Bedenken“ gebe es dort in Sachen Unabhängigkeit der Justiz, abgeschwächt aber auch in Bulgarien, Rumänien, Kroatien und der Slowakei.

Im Falle Ungarns kritisiert die Kommission, dass die Vielfalt der Medien einem hohen Risiko ausgesetzt sei. Unabhängige Medien würden systematisch behindert und eingeschüchtert. Im Kampf gegen Korruption und bei der Regulierung von Lobbyismus gebe es Mängel – alles bekannte und mehrfach artikulierte Vorwürfe. Doch genau weil sich bisher andere Instrumente zum Kampf dagegen nicht bewährt haben, drängen mehrere EU-Staaten auf den Mechanismus. Auch Österreich. Gegen Ungarn und Polen laufen wegen mutmaßlicher Verletzung von EU-Grundwerten Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge - diese kommen aber kaum voran.

Infight mit Orbán

Zwischen Werte-Kommissarin Jourová und Ministerpräsident Viktor Orbán hatte es schon am Tag zuvor einen Schlagabtausch gegeben. Jourová hatte bemängelt, dass in ungarischen Medien kaum noch Kritik an der Regierung möglich sei und Orbán eine „kranke Demokratie“ aufbaue. Und Orbán? Der starke Mann in Budapest lässt solche Angriffe für gewöhnlich nicht einfach vorüberziehen. Er forderte die Vizepräsidentin der Kommission in einem Brief zum Rücktritt auf.

Mängel in Österreich

Österreich stellte die EU-Kommission übrigens ein grundsätzlich gutes Zeugnis aus, wenngleich sie mehrere Bedenken im Justiz- sowie im Medienbereich festgestellt hat. Insbesondere kritisiert sie das Weisungsrecht des Justizministers und das Ausmaß an Regierungsinseraten. Außerdem habe die WKStA , die in der Korruptionsbekämpfung eine „Schlüsselrolle“ habe, nur „begrenzte Ressourcen“.

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