Jugendliche surfen auf den Wellen mehrerer Sprachen
Meist ein strahlendes Lächeln – zumindest in und um die Augen: So spricht Sihaam Abdillahi aus dem Gymnasium Geringergasse (Wien-Simmering). Selbst in den Momenten wo sie über traurige, fast unfassbare Momente ihres Lebens spricht, strahlt sie Stärke, Selbstbewusstsein, Optimismus, Hoffnung, ja sogar Zuversicht aus. Die 16-Jährige erzählt in ihrer Rede von den ganz frühen Anfängen – als ihre Mutter mit ihr im Bauch aus Somalia flüchtete, der Vater aber auf der Geburt während der Flucht gemeinte hatte, ein Mädchen hätte keinen Nutzen …
In zwei erlernten Sprachen
Möglicherweise ortet sie auch dort ihre feministische Grundhaltung – als Kampf gegen patriarchalische Strukturen und Verhaltensweisen – überall und jederzeit. Sihaam Abdillahi hielt ihre Reden – von der Vorrunde bis zum Finale und bei der Preisverleihung übrigens auf Englisch und Deutsch. „Somali kann ich schon, lerne es zu Hause, aber ich hab keinen wirklichen Bezug dazu, ich war ja auch noch nie in diesem Land“, sagt sie zum Kinder-KURIER, dem sie auch „verrät“, dass sie neben Englisch und Französisch in der Schule „jetzt auch Mandarin lerne“.
Und wie gut sie Deutsch können!
Vielleicht wär’s ganz gut, wenn die u.a. für Integration und Frauen zuständige Ministerin Susanne Raab diese und einige anderen Reden der 21 Sieger_innen aber auch „nur“ von den 118 Finalist_innen des mehrsprachigen Redebewerbs „SAG’S MULTI!“ hören würde. Die Jugendlichen drohen nicht „im Sprachbad unterzugehen“ (wie Raab in einem Interview im Sonntags-KURIER meinte), sondern schwimmen wie Fische im Wasser sogar von meist mehr als zwei – bis zu fünf oder sechs - Sprachen. Oder reiten bzw. surfen auf den Wellen mehrsprachiger Meere...
So wie Sihaam Abdillahi haben nicht alle, aber viele, nämlich an die 90 % der 585 Jugendlichen die in diesem Schuljahr angetreten sind, eine andere Erst- oder Familiensprache als Deutsch. Neben dieser – oder einer erlernten Fremdsprache – hielten sie aber (wie immer bei dieser rhetorischen Herausforderung) ihre Rede mindestens zu gleichen Teilen auf Deutsch. Und wie sie das beherrschen!
Vom Selbst-Zweifel zum Selbst-Bewusstsein
Zurück zu Sihaam Abdillah: Bis vor ca. zwei Jahren sei sie sehr schüchtern und gar nicht kämpferisch gewesen, gesteht sie im Interview mit dem Kinder-KURIER. Grund: Sie wurde gemobbt, hatte deswegen viele (Selbst-)Zweifel. Lernte aber – über einen Lehrer – die Liebe zu und Leidenschaft für Sprachen kennen. „Ich habe den Platz gefunden, auf dem ich mich ausleben kann.“ Davon ausgehend fand sie auch den Mut, zu ihren Haltungen zu stehen.
In ihrer Rede liest sich das so: „Eine schwarze Hijabi ist das was mich definiert? Trage ich den Mut, die Kraft und die Stärke zu mir selbst zu stehen, oder zerbreche ich an diesem Hass, der mir entgegengebracht wird? But everytime I doubt myself I say, “You are a fighter. Look at everything you have overcome. Don’t u dare to give up.” (Du bist eine Kämpferin. Schau auf all das, was du schon überwunden hast. Wage es nicht, aufzugeben.)
Kampf gegen Rassismus
„Als ich mit Rassismus in der Schule zu kämpfen hatte und es niemanden gab, an den ich wenden konnte, als ich niemanden hatte, zu dem ich hinaufschauen kann, habe ich mit vorgenommen, diese Person zu werden. Für mich selbst und für die anderen. An meiner Schule bin ich die Älteste, die eine schwarze Hijabi ist, und deshalb gebe ich mein Bestes ein gutes Vorbild zu sein. Mich in Positionen hoch zu arbeiten, die für so manche unmöglich scheinen, und sie genau dort zu repräsentieren, damit erhoffe ich mir sie zu inspirieren… Die nächste Generation sollte mithilfe von Bildung zu starken, jungen Frauen und Männern werden, sodass Selbstbewusstsein auch nichts „Außergewöhliches“ ist für die, die der Norm nicht entsprechen, sondern der Normalzustand. …
Leiste Widerstand, indem du du selbst bist! … Leiste Widerstand, indem du kämpfst, für dich selbst und für die, die es selbst nicht können oder noch nicht können, sodass du sie durch deinen Willen, deine Kraft und deine Liebe inspirierst, für sich selbst einzustehen. Sei eine Heldin. Sei deine Heldin. Be your own heroine.“
In der Schüler_innen-Vertretung
In diesem Schuljahr war die 16-Jährige zumindest schon soweit Heldin und Vorbild, dass sie in die Schüler_innen-Vertretung gewählt wurde.
Bei der Preisverleihung, die in diesem Jahr wegen eh schon wissen (Corona) online aufgezeichnet und ausgestrahlt wurde (mit der Möglichkeit, die rund 1 ½ Stunden auch später anzuschauen), durfte diese „Heldin“ – neben zwei anderen Jugendlichen – ihre Rede nochmals halten. Und wurde zu einer der – in diesem Jahr 21 – Sieger_innen gekürt.
Ihre Finalrede (zu Hause) ist hier nachzusehen und –hören:
Hier geht es zum gesamten 1 1/2-stündigen Stream der Preisverleihung
Ihr repräsentiert die große, bunte Vielfalt in unserem Land – gut so!“
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