Bombenbau im Kinderzimmer: So tickt das Terrorhirn Beran A.
Aufmerksamen Nachbarn in Ternitz war die enorme Wesensveränderung des 19-Jährigen deutlich aufgefallen. "Dienstag in der Früh haben wir ihn noch gesehen. Er sah aus, wie man sich den Schläfer einer Terrorzelle vorstellt“, schildert Mara T.
Mord- und Bombenfantasien
Üppiger Vollbart, hochgekrempelte Hosen, langärmeliges Baumwollhemd: So ist Beran A. in den vergangenen Wochen in Erscheinung getreten.
Aus dem scheinbar "harmlosen Nachbarsbuben“ in Jeans und Turnschuhen soll ein radikalisierter Islamist mit Mord- und Bombenfantasien geworden sein. Besonders sein äußeres Erscheinungsbild hat sich drastisch verändert. Aus dem milchgesichtigen Buben ist ein "auftrainierter“ Gefährder geworden – angezogen vom Terror des Islamischen Staates.
Gegen die Werte der westlichen Welt
Was in Ternitz nach dem Polizei-Großeinsatz von Mittwoch kaum jemand versteht: Wie konnte sich ein junger Mann, der bereits vor 19 Jahren als Sohn nordmazedonischer Einwanderer in Österreich geboren, seine schulische Ausbildung erfahren und hierzulande aufgewachsen ist, derart gegen die Werte der "westlichen Welt“ radikalisieren lassen?
Ungläubige Menschen töten
Die Anschlagspläne auf eines der Konzerte von US-Star Taylor Swift waren laut dem Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, weit fortgeschritten. Die Ermittler haben ein Video sichergestellt, wonach er dem obersten Führer des Islamischen Staates die Treue schwor.
Außerdem ist ein Bekennervideo gesichert worden. Die Radikalisierung hat – wie bei vielen anderen IS-Anhängern zuvor – über einschlägige Foren im Internet stattgefunden, so die Ermittler. "Er findet es richtig, ungläubige Menschen zu töten“, so die Polizei.
Wer ist Beran A. ?
Beran A. ist in Wien aufgewachsen und hat seine Kindheit dort verbracht. Vor einigen Jahren ist die Familie – Vater, Mutter und eine jüngere Schwester – mit dem Burschen nach Ternitz im Bezirk Neunkirchen gezogen.
"Sie waren unscheinbar und ruhig. Es gab keine Probleme. Die Mutter spricht sehr gut Deutsch, der Vater eher weniger“, schildert Nachbarin Nicole. Kürzlich habe ihr die nordmazedonische Familie geholfen, als im Zuge eines Sturms Teile gegen ihr Reihenhaus geschleudert wurden.
Die Familie hat ihr Haus in den vergangenen Wochen umgebaut und eine Terrassenüberdachung errichtet. Das Zusammenleben in der Siedlung verlief nicht immer harmonisch.
Nachbarin Mara T. und ihr Lebensgefährte Dieter S. erzählen von Streitigkeiten, weil sie manchmal zum Ein- und Ausladen aus dem Auto vor dem Haus der Nachbarn stehen geblieben sind. "Wir hatten sofort einen Zettel am Wagen, dass wir hier nicht stehen dürfen. Freundlich waren sie nicht.“
Chemikalien aus dem Stahlwerk
Beran A. arbeitete, wie sein Vater, in einem der Edelstahlwerke in Ternitz. Der 19-Jährige machte dort eine Lehre als Einzelhandelskaufmann. Dabei hatte er auch Zugang zum Labor des Stahlwerks und damit zu Säuren und jeder Menge Chemikalien.
Im Reihenhaus fanden die Bombenentschärfer Substanzen zur Herstellung des Sprengstoffes TATP, der gerne vom IS bei Anschlägen heran gezogen wird. Der 19-Jährige soll bereits damit selbst laboriert haben.
An der Adresse wurden außerdem Zünder und andere Vorrichtungen sichergestellt, daneben IS-Propaganda, 21.000 Euro Falschgeld und Anabolika-ähnliche Substanzen. Während andere gleichen Alters mit dem Computer oder der Playstation spielen, hantierte der Verdächtige mit 12-prozentigem Wasserstoffperoxid und anderen Stoffen.
Diese Fakten hat der KURIER bereits berichtet:
- Der 19-jährige Hauptverdächtige aus Ternitz soll bereits im Juni einen Treueschwur auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) abgelegt haben.
- Der junge Österreicher mit nordmazedonischen Wurzeln soll offenbar die 20.000 Fans, die sich während der Konzerte außerhalb des Ernst-Happel-Stadions aufgehalten hätten, ins Visier genommen haben. Mit einem Auto wollte er dabei in die feiernden Swift-Fans rasen. Auch von Messern und Macheten, die zum Einsatz kommen sollten, ist die Rede. Alles erinnert an die Anschlagspläne auf die Pride in Wien.
- Der Bau der Bombe soll weit fortgeschritten gewesen sein. Die Chemikalien dafür stahl er von seinem Arbeitsplatz.
Bombenbau im Kinderzimmer
Wie kann es sein, dass die Eltern in dem kleinen Reihenhäuschen nichts von dem Bombenbau im Kinderzimmer mitbekommen haben?
Aktuell befinden sie sich die Eltern seit einigen Tagen mit ihrer Tochter auf Urlaub in ihrer früheren Heimat. Was den Zeitraum davor anbelangt, werden die Staatsschützer und Ermittler Vater und Mutter sicher noch auf den Zahn fühlen.
Kündigung
Der 19-Jährige hat am 25. Juli im Stahlwerk seinen Job hingeschmissen und gekündigt. Mit dem kryptischen Hinweis, dass er "noch Großes vor habe“. Zum Glück ist ihm die Polizei zuvor gekommen.
Es war genau am 25. Juli, dass die Behörden in Österreich den entscheidenden Hinweis auf den Terrorverdächtigen vom FBI aus den USA bekamen.
Was den 17-jährigen mutmaßlichen Komplizen anbelangt, handelt es sich um einen Freund von Beran A. aus Ternitz. Der im Bühnen- und Gerüstbau tätige Bursch hätte für die Swift-Konzertreihe Arbeiten verrichten sollen, erklärt sein Verteidiger Nikolaus Rast. Mit den Anschlagsplänen habe sein Mandant aber nichts zu tun, so der Verteidiger.
Hätte der 17-jährige Luca K. Terrorpläne geschmiedet, hätte er diese bereits Mitte Juli beim Rammstein-Konzert in Klagenfurt umsetzen können, wo er im Bühnenbau tätig war.
17-Jähriger auf der Fahndungsliste
Laut Rast hatte sich der 17-Jährige auf von der Polizei veröffentlichten Fotos von den Wiener Bandenkriegen am Bahnhof Meidling selbst erkannt. "Er hat aber nichts damit zu tun wund wollte das der Polizei mitteilen", sagt Rast. Bevor er das tun konnte, sei der Jugendliche jedoch am Mittwoch nach einer Handypeilung im Happel-Stadion festgenommen worden.
Er ist seit Jahren mit dem 19-jährigen Terrorverdächtigen befreundet. Er habe aber weder dessen Radikalisierung mitbekommen noch von den dem Älteren zugeschriebenen Terror-Plänen gewusst: „Offenbar hat er unmittelbar nach dessen Treueschwur auf den IS eine Stunde mit seinem Freund telefoniert.“ Die beiden seien auch öfter - zuletzt am vergangenen Wochenende - mit dem Auto des 19-Jährigen herumgefahren und hätten gemeinsam Lachgas konsumiert und am Fahrzeug "zum Spaß" ein Blaulicht angebracht.
An der Herstellung von Sprengsätzen sei der 17-Jährige jedenfalls nicht beteiligt gewesen, sagte Rast. "Niemand in der Familie des Burschen ist islamischen Glaubens. Es sind alle Christen", erklärt der Verteidiger im Gespräch mit dem KURIER.
Propagandamaterial des IS in der Tasche
Es gibt jedoch Indizien, die gegen den 17-Jährigen sprechen. Zum einen soll er regelmäßig eine Moschee in Meidling besucht haben, in der radikalislamistische Inhalte vertreten wurden, und dabei ins Visier des Verfassungsschutzes geraten sein. Zum anderen entdeckte die Polizei in seiner Brieftasche Propagandamaterial des IS und der Al-Kaida.
Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ermittelt gegen die beiden jedenfalls wegen terroristischer Vereinigung (§ 278b) und krimineller Organisation (§ 278a), bestätigte eine Behördensprecherin der APA. Ihnen werde derzeit vorgeworfen, sich am IS beteiligt und deren Ziele und Absichten vertreten zu haben.
In Polizeigewahrsam befindet sich auch ein 15-Jähriger mit türkischem Hintergrund, der am Donnerstag intensiv befragt wurde. Er soll zumindest von den Terror-Plänen des 19-Jährigen gewusst haben.
Inwieweit er in diese mit möglichen Beitragshandlungen eingebunden war, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Eine justizielle Festnahmeanordnung gegen den 15-Jährigen lag am Donnerstagnachmittag nach wie vor nicht vor, die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt erwartete einen schriftlichen Bericht über die Einvernahme des 15-Jährigen.
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