Commerzialbank: Fragwürdige Geldbehebungen vor Sperre
Update, 3.8.2020: Der Verdacht auf eine Geldbehebung durch die RMB kurz vor der Schließung der Bank durch die FMA bestätigte sich nicht. Am Vorsatz mangelte es allerdings nicht. Wie Landeshauptman Hans Peter Doskozil auch am Montagabend bestätigte, gab es sehrwohl den Versuch, 1,2 Millionen Euro von einem Konto bei der Commerzialbank abzuheben. Die Buchung ging jedoch nicht mehr durch (mehr dazu lesen Sie hier).
War es tatsächlich nur ein Goldbarren im Wert von rund 5.400 Euro mit Widmung, der Burgenlands Wirtschaftslandesrat Christian Illedits zum überraschenden Rücktritt bewogen hat? Viele können und wollen nicht glauben, dass der langgediente SPÖ-Landespolitiker nur über dieses verbotene Geschenk, das ihm der SV Mattersburg mit dem damaligen Obmann und ehemaligen Vorstand der Commerzialbank Mattersburg Martin Pucher zum 60. Geburtstag gemacht hat, gestolpert ist.
Genährt wird diese Vermutung durch einen Vorgang, der in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli passiert sein soll. Jener Nacht, in der die Finanzmarktaufsicht FMA wegen des Bilanzskandals um Mitternacht die Konten schließen hat lassen. Danach waren keine Kontobewegungen mehr möglich gewesen. Wenige Stunden davor, kurz nach 21.30 Uhr, soll das Regionalmanagement Burgenland (RMB) rund 1,2 Millionen Euro transferiert haben. Von jenem Geld, das als Einlage in der Commerzialbank deponiert war. In der Nacht war es die auffälligste Geldbewegung, wie bei einer Überprüfung festgestellt wurde.
Christian Illedits war in der RMB engagiert, und zwar über die LAG Nordburgenland plus, deren Obmann er war. Diese Transaktion dürfte außerdem all jene bestätigen, die schon seit Längerem der Meinung sind, dass einige Personen kurz vor der Bankschließung gewarnt worden sind. Immerhin soll es laut den Ermittlern in der Nacht noch ein paar „auffällige“ Geldflüsse gegeben haben.
Das Regionalmanagement Burgenland bestreitet in einer Aussendung, dass es in der Nacht des 14. Julis zur Behebung von 1,2 Millionen Euro gekommen sei. "Es haben zum besagten Zeitpunkt und auch danach keine Kontobewegungen stattgefunden."
Suche nach Tippgeber
Ex-Vorstand Martin Pucher und seine rechte Hand Franziska K., die in dem Bilanzskandal derzeit als Beschuldigte geführt werden, dürften bestreiten, dass sie Kunden der Bank gewarnt hätten. Dazu sollen sie in der Vorwoche von Vertretern der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSTA) in Anwesenheit ihrer Anwälte befragt worden sein. Sie seien keine Tippgeber gewesen, so die beiden Beschuldigten.
Dafür dürfte auch sprechen, dass Personen aus dem engsten Umfeld von Martin Pucher ihr Geld in der Bank gelassen hatten und nun nur noch über die Einlagensicherung bis zu 100.000 Euro erhalten werden. Und viele Unternehmen, die Martin Pucher als Person vertraut hatten, um sehr viel Geld umgefallen sind.
15. Juli Die Finanzmarktaufsicht untersagt der Commerzialbank Mattersburg den Fortbetrieb. Die Bank muss liquidiert werden. Die Lage sei dramatisch, der Schaden kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht beziffert werden
17. Juli Es wird bekannt, dass zahlreiche Gemeinden von dem Skandal betroffen sind. Alleine Loipersbach rechnet mit einem Verlust von 1,5 Millionen Euro. Die Bank war auch Sponsor des SV Mattersburg, das Land will den Club nicht mit Steuergeldern unterstützen
27. Juli Beim Landesgericht Eisenstadt wird ein Insolvenzantrag gestellt. Die Bank soll mit 528 Millionen Euro überschuldet sein. Bank-Chef Martin Pucher, der das Institut vor 25 Jahren gründete, ist auf freiem Fuß, was den Ermittlern viel Kritik einbringt
28. Juli Das Landeskriminalamt richtet eine Sonderkommission ein. Die Soko wird mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zusammenarbeiten, zu diesem Zeitpunkt gab es in der Causa bereits mehrere Hausdurchsuchungen. Bei der WKStA wird der Bilanzskandal im Burgenland zur Chefsache, Leiterin Ilse Vrabl-Sanda selbst übernimmt die Ermittlungen
1. August Landesrat Christian Illedits tritt wegen einer Geschenkannahme zurück. Er war für die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und damit für die Aufsichtsfunktion des Landes zuständig. Ausschlaggebend sei aber eine zwei Jahre zurückliegende Annahme eines Goldblattes als Geburtstagsgeschenk des SV Mattersburg gewesen
Für die Staatsanwälte und die Ermittler ist in diesem Fall weniger relevant, wer in den Stunden vor der Sperre Geld abgehoben oder transferiert hat, als vielmehr, wo die undichte Stelle war. Das Abheben von Geld kann kaum als strafbare Handlung gewertet werden. Darauf kann auch der Masseverwalter – die Commerzialbank ist mittlerweile in die Insolvenz geschickt worden – nicht zugreifen. Die Bevölkerung, vor allem die durch den Bilanzskandal Geschädigten, will allerdings schon genau wissen, ob da manche durch einen Tipp bevorteilt worden sind. Diesbezügliche Gerüchte waren bereits wenige Tage nach dem Auffliegen des Bankenskandals kursiert und halten sich seither hartnäckig.
Politisch wurde dieses Thema am Wochenende von Bundes- und Landesparteiobmann Norbert Hofer (FPÖ) hochgespielt, der diese Vorwürfe in einer Aussendung als „bösartige, aber auch sehr konkrete Gerüchte“ bezeichnet. Deswegen fordert er speziell von der SPÖ eine Ehrenerklärung, „dass kein Funktionär der Partei einen Informationsvorsprung über den Bankenskandal zum persönlichen Vorteil genutzt hat“. Nur so könnten die Gerüchte beseitigt werden, sagt Hofer.
Hinweis: In einer Stellungnahme am Montag, 3. August, wies Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil den Bericht des KURIER zurück. Er kritisierte die Berichterstattung und auch, dass die Behauptungen darin aus seiner Sicht "gelogen sind". Mehr dazu lesen Sie hier.
Am Sonntag konnten Sie im KURIER einen Leitartikel über das Verhältnis zwischen Politik und Medien lesen. Da schrieb ich auch, dass es eine Entkrampfung brauche.
Am Montag bewies Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, wie schwierig manchen Politikern der Umgang mit Medien fällt und goss Öl ins Feuer. Er attackierte Medien pauschal und den KURIER speziell. Für einen Bericht über die Commerzialbank, wonach manche vor der Schließung gewarnt worden sein könnten. So wollte das Regionalmanagement Burgenland (im Umfeld des zurückgetretenen SPÖ-Landesrates Christian Illedits) 1,2 Millionen Euro transferieren – was aber nicht geklappt haben dürfte, wie sich nun herausstellte. Allein der Versuch ist ein Skandal. Und auch Doskozil schlug lieber um sich, als mit klaren Fakten zu reagieren.
Daher sei ganz klar festgestellt: Der KURIER recherchiert stets nach bestem Wissen und Gewissen und wird sich durch solche, eines Landeshauptmannes unwürdige Attacken auf die Pressefreiheit nicht einschüchtern lassen. Selbstverständlich ist der KURIER – auch von seinem Statut her – zur politischen Unabhängigkeit verpflichtet. Unsere Leserinnen und Leser schätzen diese Äquidistanz und unsere kritische Haltung.
Martina Salomon, Chefredakteurin
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