Die Geschichte des "bösen" Wolfs: Woher sein schlechtes Image kommt

Im Jahr 1705 geriet der „krumme“ Vastl in die Mühlen der Justiz. Wie er wirklich hieß, ist unbekannt, welchen Beruf er ausübte, ebenfalls.
Nur, dass er wegen „Wolfsbannerei“ im obersteirischen Murau angeklagt war, ist der Prozessliste der österreichischen Werwolfprozesse (1631– 1725) zu entnehmen. Der Ort muss einer der österreichischen Hotspots der Wolfsphobie gewesen sein.
Mit teuflischer Hilfe
Während Werwolfprozesse in anderen Bundesländern kaum nachzuweisen sind, scheinen sich im Dreiländereck Steiermark– Kärnten–Salzburg überdurchschnittlich viele – besonders Bettler und Viehhirten – in Wölfe verwandelt zu haben. Zumindest besagen das unter der Folter erzwungene Geständnisse.
Auch dass Menschen mit teuflischer Hilfe Herrschaft über Wölfe erlangten, war eine weitverbreitete Vorstellung. Unser eingangs erwähnter Vastl war einer dieser „Wolfbanner“.
Rückblick
Unsere Vorfahren in der Steinzeit hatten noch ein kooperatives Verhältnis mit dem Wolf. Die beiden teilten sich Lebensräume und Ressourcen. Als die Menschen sesshaft wurden und Viehzucht betrieben, entdeckten die Wölfe die Nutztiere rasch als leichte Beute. Das sei der Auslöser für die Feindschaft gewesen, sagen Historiker heute.
Ambivalent blieb die Beziehung zwischen Mensch und Wolf lange: Bei den Kelten galt er als zwischen Leben und Tod stehendes Tier – ergo als mächtig und gefährlich zugleich. Auch im antiken Rom war er mit positiven Zuschreibungen ausgestattet (siehe Grafik oben).
Doch spätestens Karl der Große machte den Kampf gegen den Wolf zur Chefsache: 813 ordnete er Wolfsjagden im großen Stil an, Hunderassen für dieses Unterfangen wurden gezüchtet, sogar spezifische Methoden zum Töten der Tiere entwickelt und auf Wölfe spezialisierte Jäger, luparii genannt, eingesetzt.
Ihre Aufgabe: Die im Mai geborenen Jungwölfe mit allen Mitteln – egal, ob mit Jagdhunden, Fanggruben, Giftködern oder Wolfsangeln – zu töten. Anschließend mussten die luparii die Felle der getöteten Tiere dem Kaiser übergeben.
Wolfsphobie in ganz Europa
Bald erfasste die Wolfsphobie den Kontinent. Besonders in England lieferte man Isegrim einen erbitterten Kampf, der im 10. Jahrhundert mit der Ausrottung aller Wölfe auf der Insel endete. 1113 wurden in Santiago de Compostela Treibjagden angeordnet, die die gesamte römische Christenheit betrafen. Jeden Samstag mussten Bauern, Priester und Ritter Wölfe jagen. Längst hatte sich die Kirche dem Kampf gegen den Wolf verschrieben.
Bibelzitate, theologische Traktate und christliche Bilddarstellungen weisen den Wolf als todbringende Bestie aus, als eine Ausgeburt des Bösen und den finsteren Gegenspieler von Jesus Christus.
in seiner „Kulturgeschichte des Wolfs“
Von da war es nicht weit zum Werwolf – dem vom Teufel besessenen Wolfsmensch. 1486 erschien ein Werk namens Hexenhammer, welches unter anderem beim Aufspüren und Bestrafen von Werwölfen dienlich sein sollte.
Als dann im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) die Wälder leer und die Felder voller Leichen waren, entstand das übelste Image des Wolfes – das des Menschenfressers. Wobei sich die Tiere – sofern sie nicht Tollwut hatten – nie an lebende Menschen heranwagten.
Doch da war der Ruf längst ruiniert und die Wolf-Hysterie grassierte. Da hilft auch die Statistik nicht – dass im Laufe der Geschichte nämlich viel weniger Menschen durch Wölfe zu Tode kamen als während der Inquisition, weil man ihnen unterstellte, Werwölfe zu sein.
Apropos: Die letzte Hinrichtung in einem Werwolfprozess gab es vor gut 300 Jahren im eingangs angesprochenen Dreiländereck. 1720 starb der Bettler Simon Wind im salzburgischen Moosham.
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