Omikron: Macht die Subvariante BA.5 schwerere Symptome?
Bereits 80 Prozent aller SARS-CoV-2-Infektionen gehen in Österreich auf den neuen Subtyp BA.5 zurück, österreichweit sind es rund 75 Prozent. Viele, die in Folge einer Infektion an Covid-19 erkranken, berichten von länger anhaltenden und etwas schwereren Symptomen, etwa was ihren Husten oder ihre Kopfschmerzen betrifft. Sind das nur subjektive Einzelbeobachtungen oder steckt da tatsächlich mehr dahinter?
Der französische Virologe Yannick Simonin von der Universität Montpellier berichtete kürzlich, dass die Symptomdauer bei BA.5 mehr gegen sieben Tage gingen im Vergleich zu durchschnittlich vier Tagen bei früheren Omikron-Subvarianten. Und während die Hauptsymptome ziemlich ähnlich zu früheren Omikron-Subvarianten seien - Müdigkeit, Husten, Fieber und Kopfschmerzen - scheine es so zu sein, dass Übelkeit, Erbrechen und Durchfall häufiger sind. Auch der Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn scheine häufiger zu sein als bei BA.2. Es gebe aber keinen Hinweis darauf, dass BA.5 zu mehr Todesfällen führe als andere Omikron-Subvarianten.
"Es gibt beunruhigende Ergebnisse von Laborstudien, wonach BA.4 und BA.5 besser Lungenzellen infizieren können als die frühere Subvariante BA.2", wird die Direktorin für Öffentliche Gesundheit des Los Angeles County, Barbara Ferrer, in der Los Angeles Times zitiert.
Dass BA.4 und BA.5. eher zu Lungenbeschwerden führen als dies in der ersten Omikron-Welle der Fall war, berichtete kürzlich auch der Lungenfacharzt Arschang Valipour, im KURIER.
Allerdings seien Lungenentzündungen derzeit nicht bei der Mehrheit der Patientinnen und Patienten zu sehen - so wie das bei früheren SARS-CoV-2-Varianten der Fall gewesen sei. Das erkläre auch den derzeit geringeren Anteil an Intensivpatientinnen und -patienten.
Für Aufsehen sorgten auch die Erkrankung der britischen Ärztin Claire Taylor und ihres neunjährigen Sohnes von denen sie auf Twitter berichtete. Fieber, Nackensteifigkeit, Taubheitsgefühle und Kribbeln in Armen und Beinen sowie Sehstörungen und starke Lichtempfindlichkeit waren einige der Symptome, die sie an eine Meningitis (Hirnhautentzündung) denken ließen: "Für meinen Sohn und mich war das keine Atemwegsinfektion - das war im Wesentlichen eine virale Meningitis."
„Inzwischen haben wir uns an die Untervarianten von Omikron gewöhnt – jede etwa 20 Prozent ansteckender als die vorherige – und so kann man sich leicht in dem Gedanken wiegen, dass BA.5 nur eine weitere ist. Aber (…) BA.5 ist ein anderes Biest mit einer neuen Superkraft“, schreibt etwa Robert Wachter, Mediziner an der University of California San Francisco auf Twitter. Auch US-Forscher Eric Topol schreibt in seinem Blog: „Die Omikron-Untervariante BA.5 ist die schlimmste Version des Virus, die wir gesehen haben.“
Zur Los Angeles Times sagte Topol, wenn bei BA.5. auch der Schutz vor schweren Erkrankungen geringer wäre als bei BA.1 und BA.2 - weil BA.5. der durch Infektionen und bisherige Impfungen aufgebauten Immunität besser entkommen kann.
Wachter führt diese neue "Superkraft" auf neue Veränderungen am Spike-Protein zurück, die dazu führen, dass BA.5 sich dem Immunsystem besser entziehen kann als seine Vorgänger. Zwar schütze eine frühere Infektion sowie die Grundimmunisierung nach wie vor vor schweren Verläufen und Todesfällen. „Eine frühere Infektion – einschließlich einer kürzlich erfolgten Omikron-Infektion etwa im letzten Monat – bietet keinen robusten Schutz mehr vor einer erneuten Infektion“, schreibt Wachter. Auch wer im letzten Monat infiziert war und geimpft ist, ist nicht vor einer neuerlichen Infektion geschützt. Zum Vergleich: Bei früheren Omikron-Varianten bestand etwa drei bis vier Monate nach überstandener Infektion ein Schutz vor einer neuerlichen Ansteckung.
Laut dem jüngsten Bericht der britischen Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency steigt die Zahl der BA.5-Infektionen um 35 Prozent rascher als jene mit BA.2. Eine Evidenz, dass BA.4 und BA.5 zu schwereren Krankheitsverläufen führen, gebe es aber nicht.
Auch Topol berichtet von einer verbesserten Übertragbarkeit, die weit über andere Varianten der Omikron-Familie hinausgehe.
Das zeigt auch eine aktuelle Studie von Forschern der Columbia University, die im renommierten Fachjournal Nature erschienen ist. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass BA.5 aufgrund mehrerer neuer Mutationen des Spike-Proteins ansteckender ist als frühere Omikron-Varianten. „Das Virus entwickelt sich erwartungsgemäß weiter, und es ist nicht verwunderlich, dass diese neuen, leichter übertragbaren Untervarianten weltweit immer dominanter werden“, sagt Studienautor David Ho. In Laborexperimenten konnten die Forscher zeigen, BA.5 mindestens viermal resistenter gegenüber dem Immunschutz nach drei Impfungen oder zwei Impfungen und einer Omikron-Infektion ist als sein Vorgänger BA.2. Laut der Studie ist BA.5 noch besser darin, Impfstoffen und den meisten Antikörper-Therapien zu entgehen.
Nur eine Antikörpertherapie hochwirksam
Von 19 untersuchten Antikörpertherapien war nur eine einzige hochwirksam gegen BA.5. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass diese hochgradig übertragbaren Untervarianten, wenn sie sich weltweit ausbreiten, zu mehr Durchbruchsinfektionen bei Menschen führen werden, die mit derzeit verfügbaren mRNA-Impfstoffen geimpft und aufgefrischt werden“, meint Ho. Zwar bieten die Impfstoffe weiterhin einen guten Schutz vor schweren Erkrankungen, Infektionen werden aber laut der Untersuchung auch bei Geimpften zunehmen. Ho spricht sich für spezifische Impfstoffe, die auf BA.4 und BA.5 abzielen, aus. „Im aktuellen Umfeld müssen wir uns jedoch möglicherweise um die Entwicklung neuer Impfstoffe und Behandlungen bemühen, die die weitere Entwicklung des SARS-CoV-2-Virus antizipieren können“, so Ho.
BA4. und BA.5 wurden erstmals im Februar in Südafrika beschrieben und sind seitdem dort zu den dominierenden Varianten geworden. Die beiden Varianten sind sich in ihren Veränderungen am Spike-Protein jedoch sehr ähnlich, weshalb sie oft gemeinsam genannt werden. Laborstudien mit Seren von ungeimpften Personen, die mit BA.1 infiziert waren, deuten darauf hin, dass sowohl BA.4 als auch BA.5 in der Lage sind, dem durch BA.1-Infektion entstandenen Immunschutz zu entgehen. Es ist laut Europäischer Gesundheitsbehörde ECDC unwahrscheinlich, dass solche ungeimpften Personen vor einer symptomatischen Infektion mit BA.4 oder BA.5 geschützt sind. Seren von geimpften Personen schnitten in Laboruntersuchungen besser ab, allerdings lässt der Schutz durch die derzeit verfügbaren Impfstoffe mit der Zeit nach.
„Neuerliche Infektionen nach einer ersten Corona-Infektion sind nicht harmlos“, sagt die Virologin Judith Aberle, MedUni Wien. Eine US-Studie unter US-Veteranen zeige, dass das kumulierte Risiko für Krankenhausaufenthalte, Folgeerkrankungen und Todesfälle bei zwei oder mehr Infektionen höher war als bei der Erstinfektion. „Jede zusätzliche Infektion birgt das Risiko für weitere Krankenhausaufenthalte.“
Omikron-Infektionen bringen vielfach keine anhaltende Immunität mit sich, sagt Aberle, auch nicht in Kombination mit Impfungen. "Und wir haben derzeit einen nachlassenden Impfschutz, zu wenig Geboosterte und auch viele vulnerable Menschen, die bei starken Infektionswellen gefährdet sind.“ Deshalb sollte man weiterhin versuchen, Infektionen zu vermeiden, seinen Impfschutz vervollständigen und Masken tragen.
Die ECDC geht aufgrund der derzeit verfügbaren Daten nicht von einer Zunahme der Infektionsschwere im Vergleich zu BA.1 und BA.2 aus. Aufgrund der starken Übertragbarkeit sei jedoch mit hohen Infektionszahlen und dadurch bedingten höheren Krankenhauseinweisungen zu rechnen. Auch das deutsche Robert-Koch-Institut sieht in seinem aktuellen Covid-Bericht keine Belege für eine wachsende Krankheitsschwere. Bisherige Daten lassen laut RKI nicht darauf schließen, dass Infektionen mit BA.4 oder BA.5 zu schwereren Krankheitsverläufen oder mehr Todesfällen führen als BA.1 und BA.2.
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