Stabilisierung bei Infektionen: Hoffnungsschimmer in der Sommerwelle?
Von einer Trendumkehr will der Statistiker Erich Neuwirth noch nicht reden – „Dazu ist es noch zu früh, das werden wir erst in frühestens einer Woche wissen.“ Doch in der Entwicklung der Neuinfektionen gebe es zumindest eine Tendenz, die eine gewisse Abflachung des Anstiegs anzeige. Was das konkret bedeutet.
„Die wöchentliche Zuwachsrate bei den Neuinfektionen ist in den vergangenen zehn Tagen von 50 auf 20 Prozent gesunken“, sagt Neuwirth. „Es geht noch immer bergauf, aber der Anstieg ist weniger steil.“ Eine Hoffnung auf eine Trendumkehr sei aufgrund der Datenlage „nicht ganz unbegründet, aber bei Weitem nicht sicher“. Die Zeit bis zur Verdopplung der Fallzahlen liegt derzeit bei dreieinhalb bis vier Wochen, „wir waren aber schon unter zwei Wochen“.
Neuwirth betont aber auch, dass die Spitalszahlen insgesamt (Normal- und Intensivstation) heuer deutlich höher sind als in den beiden Vorjahren zur selben Jahreszeit. „Und bei der Belegung der Intensivstationen überholen wir gerade 2021. Von einem ruhigen Sommer kann also keine Rede sein.“
Zumal heuer im ersten Quartal sieben Mal so viel getestet wurde wie derzeit: „Es werden jetzt also viel weniger Infektionen ohne Symptome entdeckt.“
Und die Daten derzeit – auch die leicht rückläufige Sieben-Tage-Inzidenz – seien noch mit Vorsicht zu betrachten: „Vor sieben Tagen hatten wir durch zahlreiche Nachmeldungen einen ungewöhnlich starken Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz, der die Werte der darauf folgenden sieben Tage überdurchschnittlich erhöht und damit verfälscht hat. Erst jetzt normalisiert sich dieser Effekt wieder.“
Demnach zeigen die Daten zwar abnehmende Zuwachsraten, aber immer noch „deutlich erkennbare Zuwachsraten“.
Ob die Verflachung des Anstiegs anhaltend ist oder möglicherweise der Anstieg überhaupt stoppt, werde man erst in einigen Tagen sagen können.
Dann könnten sich die Werte über den Sommer auch auf einem hohen Plateau einpendeln – anders als in den vergangenen zwei Jahren mit relativ niedrigen Neuinfektionszahlen.
Hohes Plateau den ganzen Sommer hindurch?
Auch der Molekularbiologe Ulrich Elling von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat bereits die Möglichkeit eines derartiges Plateaus erwähnt - er zog vor einigen Tagen einen Vergleich mit England im vergangenen Sommer heran: „Dort hat man letztes Jahr im Sommer versucht, die Endemie einzuläuten und die Maßnahmen ganz stark hinuntergefahren. Dann gab es im Juli eine sehr hohe Welle und danach bis in den Herbst ein konstantes Infektionsgeschehen auf relativ hohem Niveau.“ Dieses sei nicht wirklich zurückgegangen, obwohl die Durchseuchung zugenommen habe: „Andererseits ist dann im Herbst der mindernde saisonale Effekt weggefallen. Und dann kam die Omikron-Welle.“
Dass sich der Anstieg der Neuinfektionen abgeflacht hat, hänge damit zusammen, dass die im Vergleich zu BA.2 deutlich infektiösere BA-5-Variante bereits bei einem Anteil anrund 80 Prozent aller Neuinfektionen liege. Gleichzeitig passen viele Menschen bei steigenden Zahlen besser auf. Elling betont aber auch, dass die wahre Größe der Welle aufgrund der relativ geringen Testfrequenz „schon lange nicht mehr richtig erfassbar ist“.
Ein rasches Pandemieende sei jedenfalls nicht zu erwarten: „Vorangegangene Ansteckungen sind keine Garantie, sich nicht neuerlich zu infizieren – mit anderen Varianten und mit derselben Variante in einem gewissen zeitlichen Abstand.“
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