Kommen die angepassten Omikron-Impfstoffe zu spät?

Mit den Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5 auf dem Vormarsch wird der Wunsch nach aktualisierten Impfstoffen vielerorts größer. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat die Hersteller von Corona-Impfstoffen vergangenen Freitag etwa darum gebeten, ihre bereits auf Omikron angepassten Vakzine auch in Hinblick auf die neuesten Sublinien zu modifizieren.
BA.4 und BA.5 scheinen in weiten Teilen der Vereinigten Staaten bereits eine neue Coronawelle auszulösen; die Zahl der Covid-Todesfälle in den Vereinigten Staaten steigt an. Auch in Österreich und anderen europäischen Ländern gibt es eine Sommerwelle: Von Montag auf Dienstag wurden hierzulande wieder fast 10.000 Neuinfektionen gemeldet.
Schlechterer Schutz
In den USA und auch in Europa hofft man nun, modifizierte Vakzine im Herbst als Booster einsetzen zu können. Doch es stellt sich die Frage, ob diese angepassten Auffrischungsimpfungen rechtzeitig eintreffen werden. Einige FDA-Berater warnten letzte Woche, dass der Zeitplan durch eine Reihe von Routineverzögerungen noch weiter verzögert werden könnte.
Zudem erklärte die US-Arzneimittelbehörde, dass sie vor der Zulassung für neue Subvarianten-Booster zu BA.4/BA.5 keine Daten aus klinischen Versuchen verlangen und sich stattdessen auf Studien zu Boostern für die ursprüngliche Version von Omikron verlassen würde - die aber auch noch im Zulassungsprozess sind.
Während auch einige Experten sagen, dass die Zulassung modifizierter Impfstoffe ohne zeitaufwändige Studien am Menschen unerlässlich sei, um auf dem Laufenden zu bleiben (mehr dazu hier), sorgen sich andere, dass ein beschleunigter Prozess das Vertrauen in die Impfung untergraben würde.
Herbst
Bisher haben bereits mehrere Impfstoffhersteller angekündigt, gute Erfolge bei der Forschung nach Variantenimpfstoffen erzielt zu haben. Die beiden Hersteller Moderna und Pfizer haben bereits mit der Produktion von Vakzinen begonnen, diese sind allerdings an die in Österreich kaum noch kursierende Omikron-Sublinie BA.1 angepasst. Moderna erklärte, dass es mit der Lieferung dieser Dosen in diesem Sommer beginnen könnte, Impfstoffdosen gegen die neueren Subvarianten BA.4 und BA.5 könnten erst Ende Oktober oder Anfang November geliefert werden.
Pfizer und Biontech haben nach eigenen Angaben bereits eine beträchtliche Menge an BA.1-Impfstoff zur Verfügung und bereiten sich ebenfalls darauf vor, eine große Menge an Impfstoff gegen BA.4 und BA.5 zu produzieren. Beide Vakzine könnten dann Anfang Oktober auf den Markt gebracht werden.
Nach der Entscheidung der FDA, sich auf angepasste Vakzine zu konzentrieren, könnten auch andere Länder ihre Impfstrategien überdenken. Möglich ist jedoch auch, dass einige an den bereits angekündigten Auffrischungsimpfungen gegen die frühere Omikron-Subvariante festhalten, da diese früher verfügbar sein werden - und offenbar auch etwas höhere Antikörperspiegel gegen BA.4/BA.5 auslösen als der Originalimpfstoff.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) befürwortet eine Aktualisierung der Impfstoffe prinzipiell, allerdings auf dem ursprünglichen Omikronstamm und nicht seine neuesten Subvarianten. So soll eine breitere Immunantwort entstehen.
Für wen?
Im Wettlauf zwischen dem mutierenden Coronavirus und den an die jüngsten Subvarianten angepassten Impfstoff fragen sich nun viele Menschen, ob sie mit der Auffrischungsimpfung noch warten sollten. Eine allgemeine Empfehlung für weitere Auffrischungsimpfungen nach der Grundimmunisierung (drei Impfungen) gibt das Nationale Impfgremium (NIG) aktuell nur für bestimmte Personengruppen wie Risikopersonen ab zwölf Jahren oder Menschen ab 65 Jahren. Der vierte Stich soll frühestens vier Monate, jedenfalls aber ab sechs Monaten nach Abschluss der Grundimmunisierung oder nach einer (PCR-bestätigten) Infektion empfohlen.
"Gemeinsam mit den Ländern sprechen wir jetzt besonders die Über-65-Jährigen an, um sie von einer Auffrischungsimpfung überzeugen", meinte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) in einer Aussendung. Die Zulassung eines Variantenimpfstoffes soll ausdrücklich nicht abgewartet werden."
Laut NIG seien die derzeit verfügbaren Impfstoffe weiterhin hoch effektiv in der Vermeidung von Hospitalisierungen, Komplikationen und schweren Krankheitsverläufen.
Keine Empfehlung
Für gesunde, immunkompetente Personen zwischen zwölf und 64 wird die Auffrischungsimpfung derzeit vom NIG noch nicht allgemein empfohlen: "Eine Auffrischungsimpfung (4. Impfung) verbessert bei immunkompetenten Personen bei den derzeit zirkulierenden Virusvarianten nur eingeschränkt und kurzfristig die Schutzwirkung gegen eine SARS-CoV-2-Infektion, bzw. eine milde Form der COVID-19-Erkrankung", schreibt das Nationale Impfgremium.
Es spreche jedoch nichts dagegen, dem persönlichen Wunsch einer vierten Impfung zu folgen. Diese sollte dann frühestens ab vier Monaten, besser ab erst ab sechs Monaten erfolgen.
In Wien können sich bereits alle Menschen ab 12 Jahren die vierte Covid-Impfung holen - vorausgesetzt, die dritte liegt sechs Monate (aber mindestens vier Monate) zurück. Die Stadt ermöglicht Menschen somit, sich individuell für die Impfung zu entscheiden. Aufgrund der hohen Nachfrage wird das Impfangebot deutlich ausgeweitet.
Wie sich das Virus künftig weiterentwickelt, ist ungewiss. Im kommenden Winter könnten weitere Subvarianten auftreten, oder das Virus eine unerwartete Wendung weg vom Omikron-Zweig des Stammbaums nehmen.

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