Impfstart: Welche Effekte Forscher auf die Pandemie erwarten
"Cool an den Impfungen ist: Wir wissen, wer warum in welcher Reihenfolge geimpft werden muss, um den größten Nutzen zu erzielen. Und deshalb werden wir auch bald erste Effekte sehen." Derart optimistisch äußert sich Simulationsforscher Niki Popper von der TU Wien.
Donnerstag gab EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekannt, dass EU-weit am 27. 12. mit den Impfungen gegen das Coronavirus begonnen werden soll. Wien und Niederösterreich (aus logistischen Gründen die ersten Bundesländer) werden aber erst am 28. 12. starten, hieß es Donnerstagabend aus dem Büro von Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker: "Wir brauchen die Zeit zur Vorbereitung, um einen möglichst guten Ablauf mit möglichst hoher Beteiligung zu garantieren. Es geht nicht um ein Show-Impfen am Sonntag." Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte zuvor den 27. 12. als Starttermin auch für Österreich genannt.
"Effekt steigt schnell"
Die Privatuniversität Umit Tirol, die TU Wien und dwh GmbH haben unter der Leitung von Beate Jahn (Umit) verschiedene Szenarien simuliert: Welche Gruppen müssen mit einem Covid-Impfstoff zuerst behandelt werden, um möglichst viele Spitalsaufnahmen und Todesfälle zu vermeiden? Werden – wie geplant – vorrangig ältere Menschen und Gesundheitspersonal geimpft, ist der Effekt am größten: Bereits die Verfügbarkeit eines Impfstoffes für 200.000 Personen würde die Hospitalisierungen in der Altersgruppe der über 65-Jährigen um vier Prozent verringern.
Popper: "Man sieht also sofort einen Effekt. Und dieser steigt dann sehr schnell an. Es gibt in Österreich oft den Zugang, ‚Das bringt eh nichts, wenn es nicht alle machen oder wenn es nicht zumindest 50 Prozent machen‘ – aber das stimmt nicht." Die oft genannten 50 bis 70 Prozent Durchimpfungsrate sind zwar wichtig für den Gemeinschaftsschutz ("Herdenimmunität"), dass also Infektionsketten und die Viruszirkulation gestoppt werden: "Aber bei Spitalsaufnahmen und Todesfällen sieht man Rückgänge viel früher."
Die Forscher gingen davon aus, dass der Impfstoff "nur" vor Erkrankungen, aber nicht vor der Weitergabe von Infektionen schützt. Trotzdem: Ist ein solcher für circa 2, 5 Millionen Menschen verfügbar, "vermeidet das Impfen der Älteren gefolgt von vulnerablen Personen ca. ein Drittel der Hospitalisierungen und Todesfälle im Vergleich zu keiner Impfung", sagt Popper. Er betont, dass die Angabe solcher Größenordnungen auf vielen Annahmen fußt: "Deshalb sind sie mit Vorsicht zu genießen. Aber auch wenn es statt einer Reduktion um ein Drittel nur ein Viertel ist, wäre das ja trotzdem noch sehr viel."
"Nach der Durchimpfung der ersten 450.000 Personen bis Ende März rechne auch ich mit einer Entlastung der Intensivstationen und hoffentlich auch einem positiven Effekt auf die Sterbezahlen", sagt der Statistiker Erich Neuwirth. "Auf den Gesamtverlauf der Pandemie wird die Impfung von rund fünf Prozent der Bevölkerung aber wahrscheinlich nur wenig Einfluss haben."
Eine effektive Eindämmung der Ausbreitung werde man tatsächlich erst bei einer deutlich höheren Durchimpfungsrate erreichen. Wichtig werde sein, regional dort zu impfen, wo die Infektionszahlen am höchsten sind.
"Der Punkt ist nicht die Zahl der Impfdosen, sondern der Prozentsatz der Menschen in den Hochrisikogruppen, die sich impfen lassen", sagt Infektiologe Herwig Kollaritsch. "Bei diesen muss die Akzeptanz der Impfung hoch sein." Durchimpfungen in Pflegeheimen können große Ausbrüche verhindern: "Das würde das Gesundheitssystem sofort massiv entlasten."
Wobei derzeit immer nur über die Pflegeheime gesprochen werde: "Man darf auch nicht auf die über 80-Jährigen vergessen, die zu Hause leben." Rund 430.000 Menschen in Österreich sind älter als 80 Jahre: "Jede einzelne Impfung wirkt sich positiv aus."
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