Impfnebenwirkungen: Sind Sportler gefährdeter?
Bei den Olympischen Winterspielen zählt diesmal nicht nur die sportliche Leistung, sondern vor allem der negative Covid-Test. Noch vor dem eigentlichen Start der Spiele müssen einige Athletinnen und Athleten um eine Teilnahme bangen, weil sie nach der Einreise in China positiv getestet wurden, zuletzt etwa die österreichische Skispringerin und Gold-Hoffnung Marita Kramer. "Für die Betroffenen ist das eine Katastrophe, weil die harte Arbeit, die im Vorfeld geleistet wurde, nicht durch ein Ergebnis vollendet werden kann", sagt Andrea Podolsky vom Institut für Präventiv- und angewandte Sportmedizin im Universitätsklinikum Krems. "Profisportler müssen ihre persönliche Höchstleistung punktuell abrufen können. Jede Störung der Vorbereitung durch eine Erkrankung oder auch nur ein positiver Test ist daher ein Problem."
Viel Kontakt mit Viren
Hochleistungssportler haben laut Sportärztin Podolsky ein höheres Risiko, zu erkranken als andere, zumindest phasenweise. "Sie reisen viel, kommen mit vielen Menschen in Kontakt und daher auch mit vielen Keimen. In Perioden, in denen sie extrem hart trainieren und sich stark belasten, sind sie etwas anfälliger für Infektionen aller Art." Die Covid-Impfung scheint eine logische Vorkehrung zu sein, um Ausfälle durch eine Infektion zu verhindern, dennoch sorgen Profisportler wie Tennisass Novak Djokovic oder Fußballer Joshua Kimmich für großes Aufsehen damit, dass sie sich eben nicht impfen lassen.
Eine mögliche Erklärung ist die Angst vor Impfnebenwirkungen. In einer Umfrage von Februar 2021 unter 676 Athletinnen und Athleten, die für Deutschland an den Olympischen Spielen in Tokio teilnahmen oder im Perspektivkader für die jetzigen Winterspiele in Peking waren, gaben 22 Prozent an, sich nicht oder wahrscheinlich nicht impfen zu lassen. Jeder Zweite nannte die Angst vor Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen durch die Impfung als Grund dafür. Besonders gefürchtet sind Herzmuskelentzündungen, die schwere Rhythmusstörungen verursachen und so zum plötzlichen Herztod führen können.
"Das Bild des fitten Sportlers, der bei seiner Sportausübung plötzlich zusammenbricht, erschreckt uns alle. Abgesehen davon können Herzmuskelentzündungen in manchen Fällen auch zu einem nachhaltigen Herzmuskelschaden führen. Das ist bei jungen Sportlern, die im Rahmen einer Covid-Erkrankung oder -Impfung eine Herzmuskelentzündung erleiden, aber sehr selten", betont Podolsky.
Da Profisportler in der Öffentlichkeit stehen, fallen ihre Nebenwirkungen allerdings mehr auf. In der Schweiz sorgten etwa die Berichte zweier Leichtathletinnen über Herzprobleme nach der Booster-Impfung für Aufsehen. Bei Fabienne Schlumpf und Sarah Atcho traten kurz nach ihrem dritten Stich Komplikationen auf, Schlumpf litt unter einer Herzmuskel-, Atcho unter einer Herzbeutelentzündung.
Beide vermuten einen Zusammenhang mit der Impfung, auch wenn dieser nicht eindeutig hergestellt werden kann. Beide hatten wenige Tage nach der Impfung ihr Training wiederaufgenommen, bald darauf merkten sie erste Symptome wie Müdigkeit, Erschöpfung und Herzklopfen. "Ich bin froh, dass die Impfung viele Todesfälle verhindert und den Druck auf die Krankenhäuser und das Krankenhauspersonal verringert hat. Gleichzeitig bin ich frustriert, dass ich und andere junge und gesunde Menschen an diesen heftigen Nebenwirkungen leiden", schrieb Atcho auf Instagram.
Tatsächlich sind Sportler hinsichtlich Nebenwirkungen nicht mehr gefährdet als andere. Das zeigt etwa eine britische Studie unter 127 Athletinnen und Athleten, drei Viertel davon Olympioniken. Sie führten Buch über Impfreaktionen, Nebenwirkungen sowie ihre Leistungsfähigkeit. Die Ergebnisse decken sich mit Studien zu Nichtsportlern: Die häufigsten Impfreaktionen waren Schmerzen an der Einstichstelle, Abgeschlagenheit und Fieber. Auf die körperliche Verfassung und das Training wirkte sich die Impfung kaum aus. Drei von vier Sportlern berichteten von keinen oder geringfügigen Effekten auf ihre Trainingsfähigkeit. Sechs Prozent gaben an, dass sie an einem Tag nicht trainieren hatten können.
Es wird empfohlen, dass Profi- wie Hobbysportler sich nach der Impfung zumindest einen Tag schonen. Starke körperliche Belastungen sollten einige Tage bis zu einer Woche gemieden werden, vor allem, wenn Fieber aufgetreten ist. Für Profisportler hat ein solcher Trainingsverzicht allerdings mehr Konsequenzen. Sie spüren deutlicher, wenn der Körper bei hohen Belastungen noch geschwächt ist, Schlappheitsgefühle können das Training mehrere Wochen beeinträchtigen, während Nichtsportler mit denselben Beschwerden oft ihrer Arbeit nachgehen können.
"Mit diesem Wissen kann man den Impftermin so planen, dass eine kleine Trainingspause das Gesamttraining nicht wesentlich stört. Länger dauernde Probleme nach einer Impfung sind doch sehr selten", rät Podolsky.
Wann eine Herzmuskelentzündung gefährlich wird
Die Herzmuskelentzündung ist bei Profis deshalb so gefürchtet, weil sie zu Trainingsausfällen führt. "Sie müssen lange Pause machen, um ein entsprechendes Ausheilen zu gewährleisten, was eine leistungssportliche Karriere zumindest vorübergehend stark beeinflussen kann", sagt Podolsky. Wird eine Herzmuskelentzündung übergangen oder nicht entdeckt, ist sie häufig Ursache eines plötzlichen Herztodes bei jungen Menschen, wie er etwa bei großen Marathonveranstaltungen immer wieder vorkommt.
Das Risiko dafür ist jedoch deutlich höher, wenn man sich ungeimpft infiziert. In einer US-Studie mit knapp 900.000 Menschen entwickelten 2,7 je 100.000 nach einer Covid-Impfung eine Herzmuskelentzündung, aber elf von 100.000 nach einer Covid-Infektion. In Österreich wurden seit Ende Dezember 2020 bis Mitte Jänner 2022 insgesamt 186 Fälle von Herzmuskelentzündung in Zusammenhang mit der Covid-Impfung gemeldet – bei weit über 17 Millionen verabreichten Impfdosen. Laut Sportärztin Podolsky sind Sportler nicht anfälliger für Herzmuskelentzündungen als die Normalbevölkerung. Die mediale Aufmerksamkeit lässt dies jedoch so wirken.
Wie für alle anderen gilt auch für Sportler, dass die Risiken einer Covid-Infektion größer sind als jene der Impfung. "Die Impfung ist für Athletinnen und Athleten zudem besser kalkulierbar als die Erkrankung. Man kann den Zeitpunkt bestimmen und damit rechnen, dass man gleich oder wenige Tage später wieder einsatzbereit ist." Als Profisportler sind sie für viele Vorbild und sollten mit gutem Beispiel vorangehen, meint Podolsky.
Mittlerweile zeigen einige Beispiele, dass vermeintlich gesunde Sportler ohne Impfschutz ebenso schwer an Covid erkranken können. Der ungeimpfte Bayern-Spieler Joshua Kimmich litt nach seiner Infektion etwa unter Wasser in der Lunge und fiel wochenlang fürs Training aus. Sein Teamkollege Alphonso Davies muss aktuell aufgrund einer Herzmuskelentzündung nach einer Covid-Infektion mehrere Monate pausieren.
Hinzu kommt das Risiko von Long Covid, das die Sportlerkarriere langfristig gefährdet sowie das Risiko, nach einem schweren Verlauf zu versterben.
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