Nach EMA-Zulassung: Auch Nationales Impfgremium empfiehlt Kinderimpfung
Der Covid-Impfstoff des Herstellers Biontech/Pfizer für Kinder ab fünf Jahren erhält in der Europäischen Union die Zulassung. Das gaben die Expertinnen und Experten der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA Donnerstag Mittag bekannt. Zwei Monate lang wurden die Daten zu Risiken und Effektivität des Impfstoffes für Fünf-bis Elfjährige geprüft. Sobald die entsprechenden Kinderampullen von Biontech/Pfizer verfügbar sind, können sie verabreicht werden, teilte die EMA mit. Die Entscheidung war so erwartet worden.
Nach der Entscheidung der EMA gab auch das Nationale Impfgremium am Donnerstagabend grünes Licht für die Kinderimpfung ab 5 Jahren mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff.
Laut EMA würden die hohen Infektionszahlen auch zu einer Zunahme von Infektionen von Kindern in allen Altersgruppen führen. Und in weiterer Folge zu einer Zunahme an Kindern, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Betroffen seien nicht nur Kinder mit Vorerkrankungen, sondern Großteils gesunde Kinder.
Über die Zulassung des Impfstoffes von Moderna für Kinder von sechs bis elf Jahren wird noch beraten.
Impfstoffe machen Unterschied
"Es gibt keinen Zweifel, dass die Impfstoffe die Auswirkungen des Coronavirus reduziert haben", betonte die Direktorin der Europäischen Arzneimittelagentur, Emer Cooke, Donnerstagnachmittag. "Die Impfstoffe schützen Millionen an EU-Bürgern davor, krank zu werden oder zu sterben", sagte Cooke. "Sie tragen dazu bei, dass die Gesundheitssysteme die Routineversorgung aufrecht erhalten können."
Die Spitäler in der EU würden sich hauptsächlich mit Ungeimpften, aber auch Geimpften füllen. "Es wird immer deutlicher, dass die Immunantwort mit der Zeit zurückgeht, besonders bei älteren Menschen und Risikopersonen."
Deshalb sei eine Booster-Dosis (Auffrischungsimpfung) nach den ersten beiden Impfungen notwendig.
600.000 Kinder zwischen fünf und elf in Österreich
"Die Kinderimpfung ist sicher", betonte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) bei einer Pressekonferenz am Donnerstag.
258.000 Dosen des eigenen Impfstoffs mit neuer Formulierung sollen bis zum Jahresende nach Österreich geliefert werden. "Das ist die maximale Menge, die wir bekommen haben", sagte Mückstein. Hierzulande leben knapp 600.000 Kinder zwischen fünf und elf Jahren. Bis zum eigenen Vakzine sollen die Kinder weiterhin mit einem Drittel der Erwachsenen-Dosis immunisiert werden.
Ab Februar ist die Corona-Schutzimpfung in Österreich Pflicht. Ob sie auch für Kinder gelten wird, beantwortete Mückstein auch auf mehrfache Nachfrage nicht. Das müsse breit mit Experten besprochen werden.
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Durch die große Zahl an Studienteilnehmern und der Zusammenarbeit aller Bereiche war es laut EMA möglich gewesen, die Impfstoffe innerhalb von weniger als einem Jahr zuzulassen.
"In weniger als einem Jahr wurden 800 Millionen Dosen Impfstoffe in der EU verteilt und mehr als 1,1 Milliarde Dosen exportiert", so EMA-Leiterin Cooke. Und neue Studiendaten würden es ermöglichen, die Haltbarkeit der Impfstoffe zu verlängern.
Es handle sich um die größte Impfaktion der Geschichte: "77 Prozent der EU-Bevölkerung über 18 sind bereits zweifach geimpft, aber es gibt länderweise große Unterschiede. Wenn wir die Pandemie besiegen wollen, müssen wir den Impffortschritt in allen Ländern erhöhen. Und sie betonte: "Neue Therapien werden die Impfungen ergänzen, aber nicht ersetzen."
Nur noch Formsache
Nach dem grünen Licht der EMA für die Kinderimpfung muss offiziell die EU-Kommission noch zustimmen - das aber gilt als reine Formsache. In Europa ist der Impfstoff von Pfizer und Biontech bisher nur für Menschen ab zwölf Jahren zugelassen.Es ist davon auszugehen, dass auch das Nationale Impfgremium (NIG) nach der EMA-Zulassung eine entsprechende Empfehlung ausspricht.
Marco Cavaleri, Leiter der EMA-Abteilung für Impfstoffstrategie, betonte, dass es sich bei der Mehrheit der Kinder, die mit einer Covid-Erkrankung in einem Spital aufgenommen werden, um zuvor gesunde Kinder handelt. Und 70 Prozent der ungeimpften Kinder, die im Laufe einer Covid-Erkrankung das Entzündungssyndrom PIMS entwickeln, müssten auf der Intensivstation behandelt werden. Was Langzeitfolgen einer Erkrankung (Long Covid) betreffe, habe er den Eindruck, dass "wir derzeit erst die Spitze des Eisbergs" sehen.
In Österreich sind laut Gesundheitsministerium bisher rund 12.000 Kinder zumindest mit der ersten Dosis geimpft worden.
Internationale Vorreiter
In den USA und Israel sind bereits rund drei Millionen Kinder mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer geimpft worden. In Österreich wird der Impfstoff bisher nur Off-Label (also ohne spezielle Zulassung für Kinder) verimpft: Wien öffnete hierfür sogar eine eigene Impfstraße im Austria Center Vienna, da das Interesse an Off-Label-Impfungen in Kinderarzt-Praxen auf ein sehr großes Interesse stieß.
In allen anderen Bundesländern schreiten die Vorbereitungen zügig voran: So ist die Immunisierung ab Donnerstag auch in Niederösterreich in den Impfzentren in St. Pölten, Tulln und Wiener Neustadt in den sogenannten Kinderimpflinien - diese sind altersgerecht ausgestattet und mit erfahrenem Personal besetzt. Verabreicht werden die Injektionen weiters in den Impfstraßen in Baden und Traiskirchen (Bezirk Baden) und bei 35 niedergelassenen Ärzten.
Handelt es sich um den gleichen Impfstoff wie für Erwachsene?
- Andere Formel: Nein. Bereits seit dem Hearing vor der FDA Ende Oktober ist bekannt, dass Biontech/Pfizer die Formel des Impfstoffs für Kinder leicht abgewandelt hat. Der Impfstoff enthält einen anderen Puffer: ein inaktiver Bestandteil, der den pH-Wert der Lösung aufrechterhält.
- Kühlschrank: Neu ist, dass der Impfstoff bei Kinderärztinnen und Kinderärzten in einem normalen Kühlschrank gelagert werden kann, und das sogar zehn Wochen vor seiner Verwendung.
Was weiß man über den Impfstoff?
- Dosis: Der Hersteller reichte seine Zulassung mit einer Dosis von 10 Mikrogramm mRNA auf 2 ml ein, die Erwachsenen-Dosis beträgt bei Biontech/Pfizer 30 Mikrogramm auf 3 ml. Es handelt sich um jene Menge, die bei Kindern in diesem Alter die beste Antikörperantwort hervorrief und dabei die wenigsten Nebenwirkungen.
- Wirksamkeit: Laut Pfizer beträgt der Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung durch die Impfung in dieser Altersgruppe 90,7 Prozent.
- Impfschema: Ob es bei Kindern eine dritte Impfung braucht, steht derzeit noch nicht fest.
Was spricht für die Kinder-Impfung?
- Covid-19 ist eine echte Kinderkrankheit: Im Vorfeld der heutigen Bekanntgabe stellte Zwiauer klar, dass keine Kinderkrankheit zu so vielen Krankenhaus- und Intensivstationsaufenthalten wie eine Erkrankung mit Covid-19 führt. Daten der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) zufolge landeten im April 2021 pro Woche ein bis drei Kinder und Jugendliche auf Intensivstationen. Als Vergleich nannte der Kinderarzt die Masern, an denen eines von 1.000 infizierten Kindern schwer erkranke. "Mit der Impfung haben wir das in den Griff bekommen", stellte er fest, das gleiche Ergebnis wolle man mit der Covid-Impfung von fünf- bis elfjährigen Kindern erzielen. Denn Corona stelle für Kinder ein "unkalkulierbares Risiko" dar.
- Schwere Spätfolge der Erkrankung möglich: Eine Covid-19-Erkrankung löst bei einem von tausend Kindern die Krankheit PIMS aus, das sogenannte Pädiatrische hyperinflammatorische Syndrom mit Multiorganbeteiligung: Dieses Krankheitsbild führe zu hohen Krankheitsbürden, sagte Zwiauer.
- Risiko von Long Covid noch nicht abschätzbar: Ob ein Kind an Long Covid erkranke, sei außerdem nicht abschätzbar, unabhängig davon, ob die Erkrankung selbst einen leichten oder schweren Verlauf nehme. "Auch wenn nur drei Prozent der Kinder Long Covid entwickeln - und das ist sehr niedrig gegriffen - gibt es Zigtausend Betroffene", warnte der Experte.
Was spricht gegen die Kinder-Impfung?
- Niedriges Risiko einer Herzmuskelentzündung: Bei den bisher geimpften Fünf- bis Elfjährigen in den USA ist keine Herzmuskelentzündung (Mykoarditis) nach der Impfung aufgetreten. Dennoch besteht bei dem Impfstoff aufgrund der Daten von Jugendlichen ein niedriges Risiko für eine Herzmuskelentzündung.
- Weitere Nebenwirkungen nicht bekannt: Häufige Nebenwirkungen nach der Impfung waren etwa Schmerzen an der Einstichstelle, Kopfschmerzen, Fieber oder Müdigkeit. Bei den noch Kindern geht Zwiauer nicht von einer neuen, unbekannten Problematik nach dem Stich aus. Aus den USA, wo die Impfung für Fünf- bis Elfjährige bereits zugelassen ist, kämen keine Mahnhinweise.
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