Covid-Tabletten: Was vor der Einnahme abgeklärt werden muss
Bis Anfang Juli wurden rund 24.000 auf Corona positiv getestete Menschen – vor allem Risikopersonen – mit Covid-Medikamenten behandelt, vor allem mit Tabletten (Paxlovid) und Kapseln (Lagevrio). Mit der Einnahme muss in den ersten fünf Tagen nach Symptombeginn begonnen werden. Der größte Teil (insgesamt 13.819 Behandlungszyklen) wurde bisher über das telemedizinische Projekt der Stadt Wien mit telefonischer ärztlicher Beratung und Zustellung per Fahrradboten verordnet. Niedergelassene Ärzte könne derzeit praktisch nur Paxlovid verschreiben. Bis Anfang Juli wurde es von diesen österreichweit aber laut Gecko-Bericht nur 2.256 Mal verschrieben. Welche Gründe hat das?
„Theoretisch mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ziehen sich in der Fachinformation über sieben Seiten, das ist natürlich auf den ersten Blick abschreckend“, sagt der klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger, MedUni Wien. „Tatsächlich ist das längst nicht so schlimm – aber die Abklärung und Beratung der Patienten ist ein gewisser Aufwand, den man den Ärzten finanziell abgelten sollte. Sonst wird das Präparat, abgesehen von Wien, ein Ladenhüter bleiben.“
Paxlovid enthält zwei Wirkstoffe: Einen, der die Virusvermehrung hemmt. Und einen zweiten (Ritonavir), der den Abbau des Medikaments verlangsamt. Gleichzeitig kann sich aber auch die Wirkung anderer Medikamente verstärken oder reduzieren – etwa bestimmter Cholesterinsenker. Zeitlinger: „Es gibt online Programme, mit denen Ärzte prüfen können, ob ein Risiko vorliegt und man den Cholesterinsenker z. B. für einige Tage pausieren soll. Lösen lässt sich das, aber man muss es den Patienten gut erklären, und das kostet Zeit."
Drei Kategorien
Laut Zeitlinger gibt es im Zusammenhang mit Paxlovid drei Kategorien von Covid-Patienten:
- Jene, die sonst keine Medikamente einnehmen oder keine Wechselwirkungen haben.
- Jene, bei denen der Arzt reagieren muss und ein Medikament entweder pausieren, umstellen oder in der Dosis anpassen muss: "Das ist die komplizierteste Kategorie."
- Und schließlich jene mit einer eindeutigen Kontraindikation (Gegenanzeige) für eine Paxlovid-Verschreibung, wo diese also nicht vertretbar ist und man ein bestehendes Medikament auch nicht einfach absetzen kann, etwa bei Transplantationspatienten.
Er bekomme immer wieder Anrufe und Anfragen von extrem engagierten Allgemeinmedizinern mit Fragen zu Interaktionen von Paxlovid, "wo man merkt, wie viel sie sich antun", sagt Zeitlinger. "Bei ihnen möchte ich mich bedanken, weil sie mir auch bestätigen, dass die Verschreibung in den Ordinationen absolut machbar ist - man muss es halt auch wollen. Aber hat man einmal die erste Hürde übersprungen und sich damit auseinandergesetzt, dann zeigt sich, dass die Verschreibung auch bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten gut möglich ist.“
Zeitlinger erklärt auch den Hintergrund der langen Liste in der Fachinformation von Medikamenten mit möglichen Wechselwirkungen mit Paxlovid, von Bluthochdruckpräparaten über die bereits erwähnen Cholesterinsenker bis hin zu manchen Antidepressiva: "Die Firma muss sich absichern und muss jede mögliche Interaktion anführen, ohne dass man jemals getestet hätte, ob das eine klinische Bedeutung hat."
Denn die Beschreibungen dieser Interaktionen gehen auf den Einsatz von Ritonavir - der Wirkstoff, der den Abbau der virushemmenden Substanz in Paxlovid hemmt - im Rahmen der HIV-Therapie zurück. "Dort wird Ritonavir aber über viele Monate gegeben, beim Einsatz gegen Covid-19 sind es aber nur fünf Tage."
Die Fachinformation mache da aber keine Unterscheidung, "weil man da immer vom Schlimmsten ausgehen muss. Aber angesichts der Kürze der Covid-Therapie werden solche Wechselwirkungen nur extrem selten oder gar nicht eintreten."
Paxlovid konnte in der Zulassungsstudie bei ungeimpfen Probanden mit Vorerkrankungen das Risiko von sehr schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen um 89 Prozent senken. "Deshalb wird Paxlovid generell Menschen, die aufgrund ihres Alters oder aufgrund von Begleiterkrankungen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben,nach einem positiven Corona-Test empfohlen."
Grundsätzlich können es aber auch alle anderen nehmen: "Man wird bei Jüngeren und Geimpften damit wahrscheinlich keine Spitalsaufnahme verhindern. Aber diese antiviralen Medikamente reduzieren die Symptome und den Menschen geht es besser damit. Und wir hoffen auch, dass sie durch die Unterdrückung der Virusvermehrung auch das Risiko für Long Covid senke
Die häufigsten Nebenwirkungen sind vorübergehende Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall und vorübergehende Geschmacksstörungen, vor allem ein "metallischer Geschmack". Grundsätzlich ist die Substanz aber sehr gut verträglich, unterstreicht der klinische Pharmakologe.
Bei rund drei Prozent der Patientinnen und Patienten kommt es nach dem Auslaufen der Paxlovid-Therapie zu einem neuerlichen vorübergehenden Aufreten von Covid-Symptomen bzw. zu neuerlichen positiven Testergebnissen. "Das ist kein Zeichen einer Resistenz des Medikaments, dass es also wirkungslos wäre", betont Zeitlinger: "Für manche Menschen ist die fünftägige Therapie einfach zu kurz, sie hätten eine längere Therapie gebraucht, um das Virus nachhaltig bekämpfen zu können. Momentan haben wir aber noch nicht genügend Daten um bei solchen Patienten die Therapie einfach fortzusetzen."
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