Virologe zu Quarantäne-Aus: "Unrealistisch, dass Maske ganzen Tag getragen wird"

Für den Virologen Lukas Weseslindtner von der MedUni Wien ist es eine Frage der Solidarität, sich bei einer Virusinfektion zu isolieren. "Aus virologischer Sicht macht es immer Sinn, wenn ich ansteckend bin, dass ich eben nicht an einer Geburtstagsfeier teilnehme, wo ich weitere Menschen anstecken kann. Auch für mich selbst ist es besser, zuhause zu bleiben und mich zu schonen – ich würde auch nicht mit Influenza eine Nacht lang feiern gehen, warum sollte das also jemand mit SARS-CoV-2 tun?“, meint Weseslindtner.
Die Rücknahme der Quarantäne suggeriere aber, dass es "okay ist, als angesteckter Mensch in die Öffentlichkeit zu gehen“, betont der Virologe. Dabei werde außer Acht gelassen, dass ein Sitznachbar im Büro oder im Restaurant möglicherweise zu einer vulnerablen Gruppe gehört, etwa Diabetes, Bluthochdruck oder Asthma hat, und damit ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf. "Ich kann mir eine Aufhebung der Quarantäne nur dort vorstellen, wo dies akut notwendig ist, um essenzielle Stellen für unser öffentliches Leben zu besetzen, etwa in der Strom- und Wasserversorgung. Weil sonst ein größerer Schaden entstünde, aber in allen Bereichen, wo das nicht so ist, fehlt mir das Verständnis“, so Weseslindtner.
Intensivstation
Darunter fällt etwa der Besuch von Restaurants oder Nachtclubs, der bei einer Abschaffung der Quarantäne möglich wäre – zwar mit FFP2-Maske, aber mit positivem PCR-Test. Ob die Maske tatsächlich durchgängig getragen wird, sei schwer zu kontrollieren – und auch nicht immer zumutbar. "Ich denke, es ist völlig unrealistisch, dass gerade bei den hohen Temperaturen, wie wir sie gerade erleben, jemand die Maske den ganzen Tag durchgängig trägt. SARS-CoV-2 ist nach wie vor eine ansteckende Erkrankung, es sind auch jetzt Erkrankte auf den Intensivstationen und die Krankheit kann auch bei mild Erkrankten schwere Folgewirkungen wie Long Covid haben“, sagt Weseslindtner. Die Langzeitfolgen seien noch nicht ausreichend erforscht, so gibt es etwa Hinweise, dass nach einer Covid-Infektion auch das Risiko für Erkrankungen, die zu einem Verfall des Nervensystems führen, steigt, etwa Alzheimer.
Ob oder wie stark jemand ansteckend ist, kann übrigens nicht davon abgeleitet werden, welche Symptome man hat. Eine türkische Studie zeigte zuletzt etwa, dass zwischen Personen mit symptomatischem Verlauf und jenen mit asymptomatischem Verlauf kein Unterschied hinsichtlich der Virusausscheidung festgestellt wurde. Beide Gruppen können das Virus bis zu zwei Wochen lang ausscheiden. Im Mittel sind Personen, die mit Omikron infiziert sind, fünf Tage ansteckend. Dieser Zeitraum variiert allerdings. In der Studie wurden bei jedem siebenten Studienteilnehmer mindestens zehn Tage lang vermehrbare Viren nachgewiesen. Einzelne waren auch 14 Tage nach dem ersten positiven PCR-Test noch infektiös.
Mehr Fälle
Virologe Weseslindtner erwartet, dass bei Abschaffen der Quarantäneregelung die Fallzahl weiter ansteigen wird, auch weil die Immunität in der Bevölkerung nachlässt. Schon jetzt sei die Dunkelziffer hoch. "Das Aufheben der Quarantäne setzt das Signal, dass SARS-CoV-2 ein harmloser Schnupfen ist – das stimmt einfach nicht. Nach derselben Logik könnte man auch sagen, dass jemand mit Affenpocken in den Club gehen könnte.“

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