Covid-Tablette Paxlovid ist da: Wie die Therapie immer besser wird
"Wir haben seit Freitagnachmittag Paxlovid auf unserer Station", berichtet der Lungenfacharzt und Covid-Spezialist Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie in der Klinik Floridsdorf in Wien. "Paxlovid ist bereits in Österreich eingetroffen und kann schon von den Anstaltsapotheken abgerufen werden", hieß es am Freitag auch aus dem Gesundheitsministerium. "Es wurden bereits mehrere Tausend Dosen geliefert." Die Tabletten sind zwar kein "Allheilmittel", könnten aber dennoch zu einer deutlichen weiteren Verbesserung der Covid-Therapie in Österreich führen. Ein Ersatz für die Impfung sind sie aber nicht, betont Valipour.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Fortschritten bei der Therapie von Covid-19.
Wie wirkt Paxlovid?
Paxlovid hemmt die Virusvermehrung im Körper. Mit der Medikamenteneinnahme muss spätestens fünf Tage nach Symptombeginn begonnen werden, sagt der klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der MedUni Wien. Über fünf Tage hinweg werden täglich drei Tabletten eingenommen, zwei in der Farbe Pink und eine in der Farbe Weiß. Die pinkfarbenen Tabletten enthalten den eigentlichen, vom Hersteller Pfizer neu gegen Covid-19 entwickelten Wirkstoff Nirmatrelvir. Er hemmt die Virusvermehrung. Die weißen Tabletten enthalten die Substanz Ritonavir, eine ältere Substanz, die auch in der HIV-Therapie zum Einsatz kommt. Bei diesem Medikament hat sie aber nur die Aufgabe, den Abbau von Nirmatrelvir zu verlangsamen.
In der Zulassungsstudie hat Paxlovid das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf um 89 Prozent im Vergleich zu einem Placebo (Scheinmedikament) reduziert. Seit Ende Jänner hat Paxlovid eine bedingte Zulassung in der EU. Ein Allheilmittel ist aber auch Paxlovid nicht. Zeitlinger: "In der Zulassungsstudie musste man es jeweils 16 Personen geben, um einen Spitalsaufenthalt zu verhindern."
Insgesamt hat die Bundesregierung 270.000 Behandlungstranchen bestellt. Nach der bereits eingetroffenen ersten Lieferung werden "weitere große Tranchen nächste Woche und über das gesamte Jahr 2022 geliefert", heißt es aus dem Gesundheitsministerium.
Wer wird Paxlovid erhalten?
Paxlovid werden vorerst nur Menschen mit Risikofaktoren erhalten, wie etwa starkes Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck oder Nierenerkrankungen, sowie auch Menschen, die keinen Impfschutz aufbauen können. "Generell können auch Geimpfte das Präparat beim Vorliegen von Risikofaktoren bekommen", sagt Zeitlinger. Und Valipour ergänzt: "Wir wissen ja gerade von der Omikron-Variante, dass es da zu Impfdurchbrüchen kommen kann."
Welche Nebenwirkungen gibt es?
Die häufigsten Nebenwirkungen waren vorübergehende Geschmacksstörungen, Durchfalll, Kopfweh und Erbrechen. Schwere Nebenwirkungen wurden in der Zulassungsstudie keine berichtet.
Ist sonst etwas zu beachten?
Es gibt etliche Gegenanzeigen (Umstände, bei denen man ein Medikament nicht anwenden darf), konkret die gleichzeitige Einnahme zahlreicher anderer Medikamente. So sollen etwa Blutfettsenker, bestimmte Mittel gegen Epilepsie, bestimmte Krebsmedikamente oder Medikamente gegen Depressionen nicht gleichzeitig mit Paxlovid eingenommen werden. Valipour: "Wir haben im Wiener Infektionsnetzwerk einen Interaktionscheck für diese Medikamente entwickelt, wo Ärzte genau nachsehen können, welche Medikamente können während der Gabe von Paxlovid weiter eingenommen werden und welche sollte man absetzen."
Welche Erfahrungen hat man mit der antiviralen Pille Molnupiravir?
Schon zum Einsatz in Österreich kommen die antiviralen Pillen mit dem Wirkstoff Molnupiravir (Handelsname Lagevrio). Bei Ungeimpften mit Risikofaktoren (Alter über 60, starkes Übergewicht, chronische Nierenerkrankung, Diabetes, etc.) senkt Lagevrio das relative Risiko, im Spital behandelt zu werden oder zu versterben, um 30 Prozent. Obwohl die Herstellerfirma MSD bereits Ende November einen Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA gestellt hat, ist bis heute keine (bedingte) Zulassung erfolgt. "Paxlovid hat Lagevrio überholt", sagt Zeitlinger. Pfizer hat für Paxlovid Anfang Jänner den Antrag gestellt - und Ende Jänner die Zulassung bekommen.
Das Problem sei die Aussagekraft der bisherigen Daten: "Sie machen es schwierig einzuschätzen, wie gut die Substanz tatsächlich ist." Denn während sich im ersten Teil der Zulassungsstudie eine deutliche Reduktion der Spitalsaufenthalte gezeigt habe, war im zweiten Teil kein Effekt bemerkbar. "Diese Inkonsistenz macht die Beurteilung schwierig."
Lagevrio wird in Österreich im Rahmen eines "Compassionate-Use-Programms" ("Arzneimittel-Härtefall-Programm") eingesetzt . Dieses bietet die Möglichkeit, Patienten mit einer potenziell lebensbedrohlichen Krankheit noch nicht zugelassene Arzneimittel zur Verfügung zu stellen - das betrifft z. B. sehr alte Menschen mit hohem Erkrankungsrisiko in Pflegeheimen. Zeitlinger: "Den Einsatz des Medikaments im Rahmen eines solchen Programms halte ich vertretbar, weil das Präparat aus meiner Sicht durchaus einen positiven Effekt hat. Allerdings kann man das Ausmaß derzeit nicht wirklich beurteilen."
Lungenfacharzt Valipour ist zuversichtlich, dass es zu einer Zulassung kommt: "Auch wenn nach den bisherigen Daten Paxlovid das potentere Medikament ist als Molnupiravir, ist es gut, mehrere Pfeile im Köcher zu haben. Denn aufgrund der vielen Medikamenten-Interaktionen ist Paxlovid nicht für jeden Risikopatienten geeeignet."
Von Lagevrio stehen in Österreich laut Gesundheitsministerium mehrere Zehntausend Dosen zur Verfügung.
Ein antivirales Medikament ist auch noch Remdesivir, von dem man zuletzt wenig gehört hat?
Das Medikament Remdesivir galt zu Beginn der Coronapandemie als einer der ganz großen Hoffnungsträger, konnte diese Hoffnungen aber nicht erfüllen. "Es wurde damals einfach zu spät im Krankheitsverlauf eingesetzt", sagt Zeitlinger. "Gibt man es hingegen innerhalb der ersten fünf Tage nach Symptombeginn, kann es das Risiko für eine Spitalsaufnahme bzw. ein Fortschreiten der Erkrankung um 80 Prozent senken." Großer Nachteil: Es muss intravenös verabreicht werden, Paxlovid kann geschluckt werden. "Derzeit wird aber Remdesivir noch in Spitälern eingesetzt."
Wie steht es um die Wirksamkeit der Antikörpertherapien?
Ebenfalls in der Frühphase der Erkrankung kommen monoklonale Antikörper zum Einsatz. Monoklonal heißt, dass die im Labor hergestellten Antikörper alle gleich sind. Sie verhindern, dass die Viren an die Körperzellen andocken, indem sie an speziellen Stellen des Spike-Proteins anheften und somit das Virus beim Eindringen in die Zellen blockieren.
Gegen die derzeit dominierende Omikron-Variante sind einige der bisher eingesetzten Präparate unwirksam geworden. Zuletzt kamen Studiendaten an die Öffentlichkeit, die zeigen, dass der einzige derzeit in Österreich verfügbare Antikörper für die Omikron-Variante, Sotrovimab von GSK/Vir Biotechnology, gegenüber der neuen Omikron-Subvariante BA.2 weitgehend seine Wirksamkeit verloren habe.
"Die Daten sind widersprüchlich", sagt Valipour. "Wie stark ein möglicher Wirkverlust ist, ist noch nicht abschließend geklärt, deshalb setzen wir das Präparat im Wiener Gesundheitsverbund weiterhin ein." Einerseits bei schon Infizierten, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben und andererseits vorbeugend bei Hochrisiko-Personengruppen, Zeitlinger: "Wahrscheinlich wird man es in der Prophylaxe, also im vorbeugenden Einsatz vor einer Infektion, immer wieder nachdosieren müssen."
Auch im Gesundheitsministerium betont man, "dass die Datenlage zur Wirksamkeit von Sotrovimab bei BA. 2 derzeit noch sehr gering und widersprüchlich ist". Daher werde Sotrovimab weiterhin wie gewohnt angewandt. Das Arzneimittel sei in ausreichenden Mengen verfügbar um den Bedarf in Österreich zu decken.
Wie kommen Risikopersonen zu den antiviralen Medikamenten und zu dem Antikörperpräparat Sotrovimab?
"Positiv getestete Personen mit Risikofaktoren werden in Wien - aber auch in anderen Bundesländern - verständigt, dass es für sie diese Möglichkeit einer frühzeitigen Therapie vor dem Einsetzen stärkerer Symptome gibt", sagt Valipour. Das geschieht z. B. über die Mitarbeiter der Hotline 1450. Aber auch Spitalsambulanzen informieren ihre Patientinnen und Patienten, wenn ihnen z. B. die vorbeugende Einnahme von Sotrovimab empfohlen wird.
Im Laufe des März wird ein weiteres Antikörper-Präparat in Österreich erwartet, das Arzneimittel Evusheld. Auch dieses soll gegen BA.2 weniger gut wirksam sein?
"Die Wirksamkeit ist reduziert, aber es gibt noch eine Restaktivität", sagt der klinische Pharmakologe Zeitlinger zu dem Präparat Evusheld von Astra Zeneca, das zwei Antikörper enthält, von denen einer gegen BA.2 "de facto wirkungslos geworden ist. Der andere hat aber seine Aktivität behalten". Lungenfacharzt Valipour: "Durch eine Verdopplung der Dosis kann man das aber kompensieren und erreicht wieder eine gute Schutzwirkung." Evusheld wird in der Vorbeugung von Erkrankungen von Risikopersonen angewandt.
Sind weitere Antikörper-Präparate am Horizont?
Ein ganz neuer Antikörper der Firma Lilly, Bebtelovimab, zeigte in einer Studie der Columbia University und der Universität von Hongkong im Fachmagazin Nature als einziger eine hohe Wirksamkeit gegen alle drei bekannten Omikron-Subtypen (BA. 1, BA 1.1. und BA.2). Bebtelovimab erhielt am 11. Februar eine Notfallzulassung in den USA, "mit der Bedingung, dass es nur angewandt werden soll, wenn kein anderes Covid-19-Arzneimittel verfügbar ist", so das Gesundheitsministerium. "Es liegt noch keine Einschätzung der Europäischen Arzneimittelagentur zu diesem Arzneimittel vor." Ganz abgesehen davon rechnet Zeitlinger nicht, dass dieses Präparat schon bald in Österreich verfügbar sein wird.
Gibt es auch neue Medikamente für den fortgeschrittenen Krankheitsverlauf?
Während die Tabletten und Antikörper in der Frühphase der Erkrankung zum Einsatz kommen (in den ersten fünf Tagen), sind es bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf entzündungshemmende Medikamente mit Cortison als Basistherapie. Zusätzlich können aber weitere Präparate verabreicht werden. Bisher gab es dafür zwei, jetzt kommt ein drittes hinzu: Der seit 2017 in der EU gegen mittelschwere bis schwere rheumatoide Arthritis zugelassene Arzneistoff Baricitinib (Handelsname: Olumiant) kann die Covid-19-Sterblichkeit weiter senken. Valipour: "Das Präparat eignet sich in erster Linie dann, wenn der Patient bereits im Krankenhaus ist, eine Lungenentzündung hat und Sauerstoff benötigt. Dann kann es das Ausmaß der Entzündung senken und so die Sterblichkeit reduzieren."
Auch wenn es bei den Medikamenten nicht den einen großen Durchbruch gibt, so ist die Entwicklung doch sehr positiv, sagt Valipour: "Alle diese Therapien zusammen bedeuten insgesamt einen großen Fortschritt. Ohne sie hätten wir noch deutlich höhere Patientenzahlen in den Spitälern." Ähnlich Zeitlinger: "Auch wenn es nicht die eine Therapie gibt, die Covid-19 rasch und verlässlich heilt, sind die Fortschritte doch beachtlich."
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