Wieder viele Todesfälle: Wer jetzt an Covid stirbt
Nach dem Beinahe-Rekordwert an Corona-Infektionen am Mittwoch (knapp 40.000) waren es am Donnerstag zwar etwas weniger (31.566), binnen 24 Stunden kamen aber weitere 36 Todesfälle hinzu. Am Mittwoch wurden 47 Todesopfer gemeldet. Jetzt fragen sich viele: Wenn Covid so mild sein soll, wieso gibt es dann noch immer so viele Todesfälle?
„Man muss ganz klar sagen, dass auch die Omikron-Variante nicht für alle Menschen ,mild‘ ist“, sagt der Lungenfacharzt Bernd Lamprecht, Vorstand der Uni-Klinik für Innere Medizin 4 am Kepler Uni-Klinikum in Linz. „Wir sehen bei Ungeschützten durchaus auch sehr ähnliche Krankheitsverläufe, wie wir sie bei Delta gesehen haben, mit einer Beteiligung der Lunge und dementsprechend heftigeren Folgen.“
Ungeschützte, das sind ungeimpfte Menschen, die auch noch nie Kontakt mit dem Virus hatten und noch nicht durch eine frühere Infektion genesen sind. Zu einem geringeren Teil sind es auch Menschen, bei denen die Impfung aufgrund einer Grundkrankheit oder einer medikamentösen Unterdrückung des Immunsystems nicht anspricht: „Aber diese wissen um ihr erhöhtes Risiko und setzen konsequent andere Schutzmaßnahmen um, wie Maskentragen und Abstandhalten. Der größte Teil mit schweren Verläufen und Todesfällen sind die Ungeschützten ohne Impfung und ohne Genesung.“
Hauptdiagnose Covid
Lamprecht betont auch, dass der größere Teil der Verstorbenen mit Covid „tatsächlich an der Coronavirusinfektion gestorben ist, dass diese also ursächlich dafür war, dass es zu einem Organversagen gekommen ist“.
Laut einer Erhebung der Gesundheit Österreich GmbH ist bei 77 Prozent der stationären Aufenthalte mit Covid diese Erkrankung die Hauptdiagnose.
Mehrere Experten der GÖG haben sich auch mit den Risikofaktoren für einen schweren Covid-Verlauf mit einem Spitalsaufenthalt befasst. Die stärksten Faktoren sind die völlige Lähmung einer Körperhälfte, die vollständige Lähmung der unteren Extremitäten, die chronische Lungenkrankheit COPD und Diabetes.
Für die Gefahr einer Intensivbehandlung sind Nierenerkrankungen, Diabetes und COPD die größten Risikofaktoren als Vorerkrankungen. Frauen mit Diabetes haben ein deutlich höheres Risiko für einen Intensiv-Aufenthalt als Männer. Insgesamt sind aber mehr Männer von schweren Krankheitsverläufen betroffen.
Lamprecht: "Kardiovaskuläre Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und Nierenerkrankungen führen einerseits zu einer abgeschwächten Abwehr des Virus, machen andererseits aber bei einer Infektion auch eher einen komplikationsbehafteten Verlauf möglich."
Dass bei Omikron aber milde Erkrankungen deutlich häufiger sind, hat laut Lamprecht mehrere Gründe: „Die vielen milden Verläufe bei Omikron liegen nicht nur an den Eigenschaften dieser Variante. Sondern sie sind auch eine Folge des hohen Schutzgrades in der Bevölkerung. Denn es sind die Geschützten, die nicht schwer erkranken. Bei gänzlich Ungeschützten sehen wir häufig noch schwere Verläufe. Viele davon wären vermeidbar.“
Und wie passen die Todesfälle mit Daten zusammen, wonach bei Omikron die Häufigkeit von Todesfällen um zwei Drittel geringer ist als bei Delta? Lamprecht: „Das ist die Folge der wahnsinnig hohen Infektionszahlen. Wir haben heute in Oberösterreich eine 7-Tages-Inzidenz von 2.300, am 29.12. des Vorjahres lag sie bei 133. Dass es dann auch bei Omikron höhere Sterbezahlen gibt, ist die Konsequenz.“
Dass das Gesundheitssystem heute so viele Infektionen aushalte, sei lediglich der Impfung zuzuschreiben. "Weil eben sehr viele einen Schutz haben und daher nur wenige schwer erkranken, haben wir derzeit eine Hospitalisierungsrate (Spitalsaufnahmerate), die zwischen 0,5 Prozent und 1 Prozent der Infizierten liegt." Diese Rate sei vor den Impfungen bei bis zu zehn Prozent gelegen: "Daran kann man sehr gut sehen, dass wir sehr viel dadurch mildern konnten, dass wir bei sehr vielen Menschen einen Schutz herstellen konnten."
Verstorbenen-Inzidenz
Der Gesundheitsdienst der Stadt Wien erhebt die 7-Tages-Inzidenz der verstorbenen Personen nach ihrem Immunstatus:
Pro 100.000 komplett Ungeimpften in Wien gab es in Kalenderwoche 8 exakt 19,4 Todesfälle.
Pro 100.000 dreifach Geimpfte gab es aber nur drei Todesfälle. Letztere sind vor allem sehr alte Menschen, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht auf die Impfung ansprechen, sagt Mario Dujaković, Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker.
Die Statistik Austria gab Mittwoch bekannt, dass 2021 rund neun Prozent aller Sterbefälle (knapp 8.000) Covid-19 als Hauptdiagnose hatten und weitere 1,3 Prozent (1.200) als Nebendiagnose. Im Herbst 2020 verstarben mehr Menschen aufgrund von Covid-19 als aufgrund von Krebs.
Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas: "Die Corona-Pandemie hat auch im Jahr 2021 zu einer höheren Sterblichkeit geführt. Wie schon im Jahr zuvor starben 2021 insgesamt mehr Menschen als in den Jahren vor der Pandemie und fast 8000 aufgrund einer Covid-Infektion."
Lamprecht hält die Öffnungsschritte – mit Blick auf andere europäische Länder – für verkraftbar. Aber: „Unsere Spitäler in Oberösterreich sind zwar nicht überlastet, aber doch belastet. Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass wir auch in den nächsten Wochen eine Last zu tragen haben.“
Auf die Belastung der Spitäler weist auch Dujaković hin: „Am Donnerstag lagen in Wien auf Intensivstationen 60 Covid-Patienten, auf Normalstationen 576 Patientinnen und Patienten – das ist nur mehr um 23 Personen weniger als der Rekordwert vom 17. 11. 2020. Dass alles in Ordnung ist, können wir nicht sagen. Und dass Omikron harmlos ist, auch nicht.“
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