Versicherung schlägt Alarm
Die Betriebskrankenkasse BKK ProVita, eine deutsche Krankenversicherung, veröffentlichte nun Daten, die auf eine erheblich höhere Zahl an Impfnebenwirkungen hindeuten als jene des PEI. In einem offenen Brief an Klaus Cichutek, Präsident des PEI, schreibt BKK-Vorstand Andreas Schöfbeck von einem "heftigen Warnsignal". "Die in unserem Haus vorliegenden Daten geben uns Grund zu der Annahme, dass es eine sehr erhebliche Untererfassung von Verdachtsfällen für Impfnebenwirkungen nach Corona Impfung gibt", schreibt Schöfbeck.
"Meldung unterbleibt vielfach"
Die BKK wertete die Abrechnungsdaten der Ärztinnen und Ärzte von rund elf Millionen Versicherten aus. Abgefragt wurden ICD-Codes für Impfnebenwirkungen – nach diesem internationalen Kodierungsschema geben Ärztinnen und Ärzte Diagnosen zur Verrechnung an die Versicherung weiter. Laut Schöfbeck wurden für das erste Halbjahr 2021 bis zur Hälfte für das dritte Quartal 2021 216.695 behandelte Fälle von Impfnebenwirkungen nach Covid-Impfung eingegeben.
"Wenn diese Zahlen auf das Gesamtjahr und auf die Bevölkerung in Deutschland hochgerechnet werden, sind vermutlich 2,5 bis 3 Millionen Menschen in Deutschland wegen Impfnebenwirkungen nach einer Corona-Impfung in ärztlicher Behandlung gewesen", heißt es in dem Brief des BKK-Vorstands.
Schöfbeck spricht sich dafür aus, dass die Daten mit jenen anderer Krankenkassen abgeglichen werden. "Unsere erste Vermutung ist, dass, da keine Vergütung für die Meldung von Impfnebenwirkungen bezahlt wird, eine Meldung an das Paul-Ehrlich-Institut wegen des großen Aufwandes vielfach unterbleibt. Ärzte haben uns berichtet, dass die Meldung eines Impfschadenverdachtsfalls circa eine halbe Stunde Zeit in Anspruch nimmt." Das Schreiben ging auch an andere Institutionen, etwa die deutsche Bundesärztekammer und kann hier nachgelesen werden.
Kritik von Ärztinnen und Ärzten
Das Paul-Ehrlich-Institut hat sich bisher noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Kritik kommt aber von deutschen Ärzten auf Twitter. Christian Kröner, Hausarzt und Internist, beginnt seinen Thread dazu sarkastisch: "Habt ihr schon gehört? Die @BKKProVita hat herausgefunden, dass wir Ärzte lauter Impfnebenwirkungen verschweigen, angeblich unserer @PEI_Germany Meldepflicht nicht nachkämen? Dafür gibt’s doch sicher harte Belege oder? Immerhin eine gesetzliche Krankenkasse!"
In dem Thread führt der Mediziner aus, dass die gemeldeten Diagnosen an die BKK bzw. im Allgemeinen an die Krankenversicherungen überwiegend harmlose Impfreaktionen ausmachen. Diese werden als Abrechnungsdiagnose, Abrechnungsziffer und, falls es eine Krankmeldung gab, mittels ICD-Krankheitscode an die Versicherung gemeldet. Betrachtet man die von der BKK veröffentlichten Daten, zeige sich, dass Codes ausgewertet wurden, die sich auf milde Impfreaktionen beziehen. Darunter fallen beispielsweise der Code T88.1 "Hautreaktion nach Impfung" oder U12.9 "Nicht näher klassifizierte Nebenwirkung nach Covid-Impfstoff, z.B. Kopfschmerz".
Nebenwirkungen, die potenziell gefährlich werden können, wie Hirnhautentzündungen, für die es eigene Codes nach Impfung gibt, sind nicht in der Auswertung der BKK angeführt.
Hausarzt Christian Körner und andere Mediziner berichten auf Twitter, dass es sich um erwartbare Impfreaktionen handelt. Viele der Betroffenen von Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Fieber nach der Covid-Impfung hätten den Arzt aufgesucht, um eine Krankschreibung zu erhalten. "Was passiert, wenn ich 75% der deutschen Bevölkerung impfe? Na? Genau, nicht wenige sind den Tag nach der Impfung platt und bleiben verständlich besser im Bett, anstatt sich zur Arbeit zu schleppen. Kein Drama. 1 Tag krank, danach wieder fit", twitterte etwa Körner.
Stellt der Arzt eine Krankschreibung aus, muss dies mittels ICD-Code erfolgen. Im System, das dabei von Medizinern verwendet wird, scheine als erstes bei der Eingabe "Impf" die nicht näher klassifizierte Nebenwirkung nach Covid-Impfstoff U12.9 auf. "Klick, genommen, ratter, Unterschrift, fertig. X mal am Tag", beschreibt es Körner.
Die seien erwartbare Impfreaktionen, meint auch der deutsche Hausarzt Marc Hanefeld. „Ich sehe auch keine erhöhte Rate an Impfnebenwirkungen. Nur das was es schon immer gab“, twitterte er.
Der Tenor der Reaktionen von Medizinern auf Twitter sieht in der Veröffentlichung des Briefes lediglich Stoff für Verschwörungstheorien. Dass ernste Nebenwirkungen verschwiegen worden wären oder untererfasst sind, belegen die Daten der BKK jedoch nicht.
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