Paxlovid: Was sich durch die neue Covid-Pille in der Pandemie ändern könnte

Zum Schlucken: Bei einer Therapie mit dem antiviralen Medikament Paxlovid nimmt man zweimal täglich drei Pillen ein.
Zweimal blassrosa und einmal weiß: Eine Therapie mit dem Corona-Medikament Paxlovid umfasst drei Pillen, die jeweils zweimal täglich geschluckt werden. In den USA ist die Arznei des Pharmariesen Pfizer bereits seit einigen Wochen zugelassen. Nun zog die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) mit ihrer Empfehlung nach (mehr dazu hier).
Schon Mitte Dezember wurden vielversprechende Daten zur Wirksamkeit vorgelegt: Demnach senkt das antivirale Mittel bei Risikopatienten die Gefahr einer Krankenhauseinweisung oder eines Todes um fast 90 Prozent. Sofern mit der Behandlung innerhalb von drei bis fünf Tagen nach Auftreten erster Beschwerden begonnen wird.
Rasches Handeln
Zeit ist bei Paxlovid also ein kostbares Gut. Umso wichtiger ist es, das Medikament mittels "ausgeklügelter Logistik rasch zu den infizierten Patientinnen und Patienten zu bekommen", sagt Markus Zeitlinger, Vorstand der Universitätsklinik für klinische Pharmakologie der MedUni Wien.
Schon bisher wäre es im Rahmen des Arzneimittel-Härtefall-Programmes (Compassionate Use) – damit können bestimmte Patientinnen und Patienten im Ausnahmefall mit einem Medikament ohne Zulassung behandelt werden – möglich gewesen, Paxlovid in Österreich zu verabreichen. "Allerdings kam es bisher nie dazu, weil das Medikament hierzulande noch nicht verfügbar ist", schildert Zeitlinger. Die formelle Zulassung hat die Ausnahmeregelung nun überholt.
Die gute Nachricht: Paxlovid eignet sich für eine niederschwellige Verteilung grundsätzlich sehr gut. "Im Gegensatz zu Antikörper-Therapien, die in der Regel an Infusionsstraßen oder Ambulanzen gebunden sind, hat Paxlovid den Vorteil, dass es als Tablette gut im niedergelassenen Bereich einsetzbar ist und Patientinnen und Patienten sich das Medikament selbst verabreichen können", erklärt Zeitlinger.
Komplexe Verteilungsfrage
Sobald erste Lieferungen des Präparats in Österreich eingetroffen sind – laut Gesundheitsministerium ist damit Anfang Februar zu rechnen –, geht Zeitlinger davon aus, dass es über zentrale Strukturen verteilt wird.
"Paxlovid wird aufgrund der anfänglich begrenzten Verfügbarkeit nicht für jedermann erhältlich sein, sondern dort eingesetzt werden, wo es den größten Nutzen bewirken kann", erklärt Zeitlinger.
Vonseiten der Apothekerkammer heißt es auf KURIER-Anfrage, dass die Verteilung über die Bundesländer organisiert werde. Als Schnittstelle sollen zentrale Covid-19-Apotheken fungieren, die den Bedarf erheben und die Distribution an die Spitäler im jeweiligen Bundesland übernehmen. Die Details seien noch in Ausarbeitung.
Die Zielgruppe ist jedenfalls eng gefasst: Paxlovid soll an positiv getestete Corona-Patienten (über zwölf Jahre) verabreicht werden, die milde bis mittlere Symptome und ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf beziehungsweise eine Spitalseinweisung haben. Davon profitieren etwa auch Patienten, die nicht geimpft werden oder keinen ordentlichen Immunschutz aufbauen können. Da die Arznei die Ausbreitung des Virus im Körper hemmt, könnte es auch Long Covid vorbeugen.
"Das Tückische an Paxlovid ist, dass es für den Behandlungsbeginn schnell zu spät ist", warnt Zeitlinger. Wichtig sei, "dass man mit der Einnahme nicht zuwartet, sobald einem das Medikament angeboten wird".
Aus dem Gesundheitsministerium heißt es, dass auch Hausärztinnen und Hausärzte in die Versorgung eingebunden werden könnten. Für Angelika Reitböck, Präsidentin des Österreichischen Hausärzteverbands, sind noch Fragen offen: "Wie wir möglichst schnell an die ja nur begrenzt zur Verfügung stehenden Medikamente kommen, ist eine logistische Frage. Wir bestellen auch jetzt schon unsere Corona-Impfstoffe direkt beim Bund und bekommen sie in drei Tagen geliefert." Es müsse ein stabiles, funktionstüchtiges Liefersystem etabliert werden, "wo wir Hausärzte innerhalb eines Tages das Präparat an unsere Ordination geliefert bekommen". Nicht unerheblich sei in diesem Kontext auch, wie lange die Tabletten in etwa haltbar sind.
"Aus meiner Erfahrung zeichnet sich ein schwerer Verlauf bei den Corona-Patienten erst nach fünf bis sieben Tagen wirklich ab", gibt Reitböck außerdem zu bedenken. "Bezüglich der Selektion der Patienten, die dieses Medikament bekommen sollen, werden wir Ärzte uns auf die bekannten Risikofaktoren stützen müssen."
Fall für die Hausapotheke?
Schwerwiegende Nebenwirkungen sind bei Paxlovid nicht zu befürchten. Allerdings kann es zu Wechselwirkungen mit anderen Arzneien kommen, weil eine Komponente des Präparates (siehe Infobox weiter unten) in den menschlichen Stoffwechsel eingreift. Das könne die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen, betont Zeitlinger: "Auch, wenn aufgrund der kurzen Behandlungsdauer schwere Probleme unwahrscheinlich sind, muss grundsätzlich ein Check gemacht werden, ob andere Medikamente eingenommen werden." Bestimmte Medikamente, etwa Statine (Blutfettsenker), müssen vorübergehend abgesetzt werden.
Die österreichische Bundesregierung hat von Paxlovid 270.000 Zyklen bestellt. Größere Mengen werden voraussichtlich erst gegen Ende des Jahres beziehbar sein. Auch bei breiter Verfügbarkeit werde Paxlovid "nicht als Tablette am Nachtkästchen für alle Fälle liegen", sagt Zeitlinger. Die Gründe dafür: Einerseits die hohen Kosten – für die Behandlung werden pro Zyklus rund 500 Euro veranschlagt. "Andererseits müssen potenzielle Wechselwirkungen vorab von ärztlicher Seite genau abgeklärt werden."

Die Paxlovid-Therapie umfasst eine fünfteilige Blisterpackung, die täglich je drei Pillen zur zweimaligen Einnahme vorsieht.
Kein Wellenbrecher
Paxlovid dürfte auch bei Infektionen mit der Omikron-Variante wirksam sein. Das habe sich in Labortests gezeigt, heißt es vonseiten des Herstellers. Zeitlinger geht davon aus, dass die Corona-Variante auch nichts am Einnahmemodus ändert. Zeitlinger: "Es ist weiterhin gut wirksam, allerdings ist unterm Strich der Nutzen der Tablette nicht mehr ganz so groß. Eben, weil – glücklicherweise – bei der Omikron-Variante weniger Menschen schwer erkranken."
Auch das Virostatikum Molnupiravir – in Österreich sind derzeit limitierte Rationen der Tablette verfügbar und werden an einigen Spitälern an Risikopatienten verabreicht – gilt weiterhin als potentes Mittel. Das Erstarken der Omikron-Variante wirkt sich allgemein auf den Status quo der Covid-Medikamente aus. Von einem Wirksamkeitsverlust sind vor allem Antikörper-Präparate betroffen. Mit Ausnahme von Sotrovimab (Xevudy) und Evusheld. Ersteres wird in Österreich bereits eingesetzt.
Für den Einzelnen wird die Pille große Vorteile bringen. Als Omikron-Wellenbrecher kommt Paxlovid mit hoher Wahrscheinlichkeit zu spät. "Im großen Pandemiegeschehen wird sich der Effekt momentan in Grenzen halten", prognostiziert Zeitlinger. Auch die Spitäler werde das Medikament eher nicht vor dem Kippen schützen, weil dort derzeit de facto keine systemkritische Überlastung zu beobachten sei. "Sollten neue Mutanten auf uns zukommen, könnte sich das aber wieder ändern."
Paxlovid hemmt die Virusvermehrung im Körper, wird oral eingenommen und ist ein Kombi-Präparat aus einem Wirkstoff, der speziell gegen Covid-19 entwickelt wurde (Nirmatrelvir) und einem älteren Wirkstoff aus der HIV-Therapie (Ritonavir). Letzterer kommt zum Einsatz, damit der neue Wirkstoff im Körper nicht zu rasch abgebaut wird. Nirmatrelvir stoppt die Vermehrung des Virus im Körper.
Dazu blockiert der Stoff einen bestimmten Baustein des Virus: ein Enzym, das dabei hilft, die Eiweißmoleküle des Erregers richtig anzuordnen. Das Enzym ist eine sogenannte Protease. Der Paxlovid-Wirkstoff wird daher auch Protease-Hemmer genannt. Ritonavir hat selbst in diesem Kontext keine antivirale Aktivität, schützt aber die wirksame Substanz Nirmatrelvir vor dem Abbau in der Leber.
Die Behandlung umfasst eine fünfteilige Blisterpackung: Zweimal täglich werden zwei 150-mg-Tabletten Nirmatrelvir eingenommen sowie eine 100-mg-Tablette Ritonavir.

Kommentare