Corona-Impfung: Warum es keine Wirkung ohne Nebenwirkung gibt
Spätabends unserer Zeit hat ein Gremium der US-Arzneimittelbehörde FDA am Donnerstag den Pfizer-BioNTech-Impfstoff abgenickt. Die Notfallgenehmigung in den USA ist dann in der Nacht auf Samstag erteilt worden. In der EU wird die Arzneimittelagentur EMA bis spätestens 29. 12. über eine "bedingte Zulassung" entscheiden. Beide Behörden prüfen aktuell auch die dem Pfizer-BioNTech-Vakzin sehr ähnliche Moderna-Impfung.
In Kanada und Großbritannien wird das Pfizer-BioNTech-Präparat "BNT162" bereits gespritzt – und weltweit kritisch beäugt. Der RNA-Impfstoff gilt als sicher. Doch was bedeutet das genau?
Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit, Kopfweh, Fieber, Gliederschmerzen und Unwohlsein sind typische Beschwerden nach einer Impfung. Unangenehm, aber vergleichsweise harmlos. Auch "BNT162" kann solche Begleiterscheinungen provozieren, zeigen FDA-Datenanalysen der finalen Testphase.
Schutzwirkung
Laut US-Arzneimittelbehörde FDA sind nach einer Dosis des BioNTech-Pfizer-Impfstoffes 52 Prozent, nach der zweiten Dosis 95 Prozent der Probanden geschützt.
Nebenwirkung
Schmerz an der Injektionsstelle war die häufigste vorübergehende Nebenwirkung (83 Prozent der 18- bis 55-Jährigen, 71 Prozent der Über-55-Jährigen nach der 1. Dosis), gefolgt von Müdigkeit (63 Prozent ) und Kopfschmerz (55 Prozent ). Generell war die Intensität nach der 2. Impfung stärker.
Erfreulicher Wirkbeleg
"Diese klassischen Impfreaktionen treten auf, weil der Impfstoff extrem wirksam ist", sagt Pharmakologe Markus Zeitlinger von der MedUni Wien. Dadurch seien die "traumhaften" Schutzraten möglich. Man spüre also nicht die "Giftigkeit" der Impfung, sondern ihr Potenzial, das Immunsystem zu mobilisieren. "Kurzfristige Reaktionen können bei RNA- und auch Adenovirus-Impfstoffen (z. B. Uni Oxford und AstraZeneca) vor allem nach der zweiten Dosis heftiger ausfallen, gehen aber schnell vorüber", erklärt Virologin Christina Nicolodi.
Laut dem Virologen Florian Krammer vom New Yorker Mount Sinai Hospital müssen rund 90 Prozent der Geimpften damit rechnen, jüngere eher als ältere. "Das muss man wissen. Wenn man es nicht erwartet, kriegt man die Impfung und denkt, dass sie einen krank gemacht hat."
Großteils sei laut Zeitlinger davon auszugehen, dass all jene mit stärkeren Begleiterscheinungen den stärkeren Schutz haben werden. "Und Jüngere reagieren stärker, weil ihn Immunsystem noch aktiver ist."
Wichtige Aufklärungsarbeit
Nachdem bei zwei mit "BNT162" geimpften britischen Pflegekräften eine anaphylaktische Reaktion (allergischer Schock) auftrat, empfiehlt der nationale Gesundheitsdienst NHS nun, Menschen mit markanter Allergiegeschichte nicht zu impfen. Für Zeitlinger kein ungewöhnliches Vorgehen: "Auch bei vielen anderen Impfstoffen ist man bei schweren allergischen Reaktionen in der medizinischen Vorgeschichte eines Patienten bei der Gabe vorsichtig." Nach bisher bekannten Daten sind allergische Reaktionen aber selten: 0,63 Prozent der Teilnehmer der Impfgruppe und 0,51 Prozent in der Placebogruppe haben solche berichtet.
Die beiden Pflegekräfte hatten Berichten zufolge in der Vergangenheit bereits mit schwere Allergien zu kämpfen und tragen daher Adrenalin-Autoinjektor bei sich. Sie wurden behandelt und haben sich laut BBC bereits wieder erholt.
Klar ist laut Zeitlinger, "dass man niemanden ein zweites Mal impfen wird, der beim ersten Mal eine solche Reaktion gezeigt hat, weil bei Impfstoffen kein Gewöhnungseffekt eintritt". Menschen mit schweren Allergien "sollten auf jeden Fall 24 bis 48 Stunden nach der Impfung nicht alleine sein", ergänzt Nicolodi.
Lautete das Motto zu Beginn der Pandemie noch "testen, testen, testen", sollte es jetzt "aufklären, aufklären, aufklären" heißen, betont Zeitlinger. "Und zwar einer nachvollziehbaren Art und Weise." Ja, es gebe Impfreaktionen, die aber von echten Impfkomplikationen zu unterscheiden seien.
Risiken abwägen
"Jede Impfung kommt mit einem Risiko", sagt Krammer in einem aktuellen YouTube-Video. Das Risiko schwerer Impfschäden sei sehr gering, "aber – wie meistens im Leben – nicht unmöglich". Schwere Impfschäden treten in der Regel wenige Tage oder Monate nach der Injektion auf. "In den Kurzzeitdaten wurden sie bei Corona-Impfstoffen bisher nicht dokumentiert." Wichtig sei, "welches Risiko man mit einer Impfung in Kauf nimmt – und welches durch eine Infektion". Letzteres sei derzeit viel höher einzustufen.
Geimpft werde zudem unter kontrollierten Bedingungen – anders bei einer Ansteckung: "Da verliert man die Kontrolle und was passiert, passiert."
Versäumen Entscheidungsträger bei einer Impfung, mit der Bevölkerung auf Augenhöhe zu kommunizieren, gefährdet das ihre Akzeptanz, ist Zeitlinger überzeugt. "Wenn man Menschen nicht auf spürbare Impfreaktionen vorbereitet, ist das Vertrauen sofort verspielt."
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