Wie sicher ist die Energieversorgung in der Hauptstadt?
Der größte Regionalversorger Österreichs hat ein Liquiditätsproblem. Schlimmstenfalls könnte er den Zugang zum Markt verlieren. Die Bundesregierung will einspringen – auch, damit das Problem sich nicht ausweiter.
Ist Wien Energie pleite?
Nein. Das Unternehmen hat in den vergangenen Geschäftsjahren Gewinne gemacht und ist nicht überschuldet. Es gibt jedoch ein Liquiditätsproblem, Wien Energie hat also nicht so viel verfügbares Geld, wie sie brauchen würde.
Was genau ist das Problem?
Wien Energie hat langfristige Termingeschäfte, sogenannte "Futures“, an den Strombörsen, für die sie Sicherheiten hinterlegen müssen. Durch den starken Anstieg der Strompreise zu Ende der vergangenen Woche verteuerten sich auch diese Kautionen schlagartig. Wien Energie muss also kurzfristig viel Geld nachschießen, um die Geschäfte abzusichern.
Wie viel Geld ist dadurch verloren gegangen?
Soweit bisher bekannt, nichts. Denn nach Darstellung von Wien Energie handelt es sich um Sicherheiten. Die hinterlegten Kautionen werden retourniert, wenn das jeweilige Geschäft abgewickelt wird.
Was könnte schlimmstenfalls passieren?
Wenn Wien Energie die erforderlichen Sicherheiten nicht hinterlegen kann, könnte das Unternehmen an der Börse gesperrt werden. Dann könnte es seine etwa zwei Millionen Kunden nicht mehr beliefern. Diese müssten gegebenenfalls von anderen Versorgern übernommen werden. Allerdings ist fraglich, ob ein anderes Unternehmen dazu die Kapazitäten hat. Wien Energie warnt für in diesen Fall auch vor einem Domino-Effekt am österreichischen Energiemarkt.
Ist die Versorgung der Kunden gesichert?
Sowohl Wien Energie als auch die Regulierungsbehörde E-Control kalmieren. Die Versorgung der Konsumentinnen und Konsumenten soll gesichert sein. Die für Energie zuständige Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat bereits zugesichert, dass der Bund dem Unternehmen helfen wird. Wien Energie ist offenbar "too big to fail".
Sind andere Energieversorger auch betroffen?
Soweit bekannt, nicht. Die übrigen österreichischen Landesversorger haben am Montag erklärt, von der Entwicklung nicht betroffen zu sein. Begründet wurde das mit einer anderen Struktur im Stromeinkauf, die mehr auf bilateralen Handel und weniger über die Börse abgestellt sei (siehe dazu Seite 6). Auch ist Wien Energie in der Strom- und Wärmeproduktion vergleichsweise stark von Gas abhängig. Die hohen Gaspreise treffen das Unternehmen deswegen im Einkauf stärker als Mitbewerber, die zum Beispiel mehr Wasserkraft im Kraftwerksportfolio haben.
Was schlägt Wien Energie vor?
Das Unternehmen will, dass der Staat stärker eingreift, und damit auch den Kostenanstieg bei den Konsumentinnen und Konsumenten aufhält. Das betrifft etwa eine Entkopplung des Strompreises vom Gaspreis in Europa. Gegen die explodierenden Kosten für Sicherheiten an der Börse fordern Wien Energie und Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) einen staatlichen Kredit-"Schutzschirm", wie es ihn etwa in Deutschland bereits gibt. Dort stehen dafür bereits seit Juni 100 Milliarden Euro zur Verfügung.
Stadt Wien
Die Wien Energie ist der größte regionale Energieanbieter
Österreichs, gehört zu 100 Prozent den Wiener Stadtwerken und damit der Stadt Wien. Sie beschäftigt 2.179 Mitarbeiter. Das Eigenkapital betrug im Vorjahr 887 Millionen Euro
Umsatz und Gewinn
Im Jahr 2021 wurde der Umsatz um 56 Prozent auf 3,042 Milliarden Euro gesteigert, das operative Ergebnis sank um fast 60 Prozent auf 159 Millionen Euro.
Der Gewinn sank um 60 Prozent auf 140 Millionen Euro
Einkaufspreise
Aufgrund der gestiegenen Einkaufspreise bei Gas, Strom und verdoppelte sich 2021 auch der Materialaufwand auf 2,262 Milliarden Euro
Sicherheitsleistungen
Für Strom- und Gaseinkauf an den Börsen musste Wien Energie allein im Vorjahr Sicherheitsleistungen in Höhe von insgesamt 4,15 Mrd. Euro hinterlegen, 2020 waren es 667 Mio. Euro. Das wird mit den „turbulenten Entwicklungen an den Energiemärkten“ 2021 begründet
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