Hohe Profite an den Strombörsen: Experten sehen Marktversagen
Während Bevölkerung und Unternehmen unter den stark gestiegenen Kosten ächzen, verzeichnen manche Energiekonzerne hohe Gewinne. Unfair, finden viele und auch unter den Experten mehren sich die kritischen Stimmen. Laut Karina Knaus von der Österreichischen Energieagentur handelt es sich bei der aktuellen Krise eindeutig um ein "Marktversagen".
Auch der Ökonom Stefan Schulmeister sieht die Vorgänge kritisch. "Versorgungssicherheit und leistbare Preise" seien zentrale Aufgaben des Strommarktes, "ganz offensichtlich" sei derzeit keines von beiden gegeben.
Preisbildung
Doch wie entsteht der Strompreis? Die Kraftwerksbetreiber verkaufen einen Großteil ihrer Produktion langfristig im Voraus ("over the counter"). Dabei orientieren sie sich an Großhandelspreisen, die an den Strombörsen gebildet werden. Dort treffen Stromerzeuger, Energieversorger und weitere Händler zusammen.
Bezugsrechte, die weiter in der Zukunft liegen, werden am sogenannten Terminmarkt gehandelt, für tagesaktuelle Lieferungen gibt es den sogenannten Spotmarkt. In tagesaktuellen Auktionen entsteht der "Spotmarktpreis". An diesem orientieren sich auch die Kosten für künftige, auch langfristigere Lieferungen. Wie teuer Strom in welcher Region verkauft werden kann, hängt dabei aber auch davon ab, ob ausreichend Kapazitäten im internationalen Leitungsnetz verfügbar sind.
Der kurzfristige Handel ist notwendig, denn damit das Stromnetz stabil funktioniert, muss immer so viel Strom eingespeist werden, wie gebraucht wird. Produktion und der Bedarf schwanken aber. Am Papier wird also ein und dieselbe Menge Strom sozusagen mehrfach verkauft, Monate bevor sie überhaupt produziert wird.
Derzeit liegt der Spotmarktpreis für Strom in Österreich bei etwa 600 Euro je Megawattstunde (die Grafik zeigt den Monatsschnitt), also 60 Cent pro Kilowattstunde. Das ist mehr als zehn Mal so hoch wie in den vergangenen Jahren und auch teilweise über dem Niveau der aktuellen Verbraucherpreise.
Allgemeininteresse
Dass neben Stromproduzenten und Energieversorgern auch reine Händler an den Börsen handeln können, soll dem Markt mehr Liquidität verschaffen und außerdem die Marktmacht von großen Akteuren – also etwa großen Energiekonzernen – relativieren, heißt es bei der Regulierungsbehörde E-Control zum KURIER. Die Profite, die sie machen, müssen aber im Endeffekt von den Stromkunden bezahlt werden.
Schulmeister kritisiert dieses Marktmodell im Gespräch mit dem KURIER: "Ausgerechnet den Preis für ein fundamentales Gut wie Strom stündlichen Auktionen an der Börse zu überlassen", schaffe Anreizstrukturen, die nicht im Interesse der Allgemeinheit funktionieren.
Denn der einzelne Marktteilnehmer will natürlich möglichst billig einkaufen und möglichst teuer verkaufen. Tut er das nicht, wird er von der Konkurrenz aus dem Markt gedrängt. Bei Dienstleistungen der Daseinsvorsorge sollte aber "das Profitmotiv nicht das dominante sein", sagt Schulmeister. "In der Liberalisierungsephorie der 1990er-Jahre hat man das nicht gesehen und jetzt haben wir den Scherben auf".
Bei der E-Control, die auch Hüterin des Wettbewerbs an den Energiemärkten ist, sieht man hingegen kein Marktversagen. Für den Preisanstieg seien nicht die Spekulanten, sondern mehrere energiewirtschaftliche Gründe verantwortlich. Zum einen treibt der hohe Gaspreis die Kosten der kalorischen Kraftwerke. Gleichzeitig führt die Dürre in Europa zu einer niedrigeren Produktionsleistung der Wasserkraft sowie auch der Kernkraft, weil Kühlwasser für die Reaktoren fehlt.
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