Gewessler: Wir leben in einer globalisierten Welt und sind international vernetzt. Das gilt für jede Struktur. Für die Fotovoltaik momentan noch stärker als etwa für die Windenergie. Die Energiewende ist auch ein industriepolitisches Projekt, um Wertschöpfung und Produktion nach Europa zu bringen. Daran arbeiten wir. Denn natürlich müssen wir gut aufpassen, dass wir uns nicht von einer Abhängigkeit in die nächste begeben.
Wie abhängig ist neoom denn von China?
Kreisel: Tatsächlich sind wir sehr stark abhängig von Produkten aus Asien. Allerdings kooperieren wir sehr gut mit den asiatischen Herstellern, weil Österreich neutral ist. Die Neutralität müssen wir uns unbedingt bewahren, die bringt uns einen Vorteil. Wir sind der größte europäische Abnehmer unseres chinesischen Batterielieferanten. Mit diesen Batterien planen wir auch eine Gigawatt-Fabrik in Österreich. Damit können wir zirka 60 Prozent der Wertschöpfung in Europa umsetzen und in den nächsten zehn bis 15 Jahren definitiv wieder Arbeitsplätze in der Produktion nach Europa bringen.
Reicht Elektrizität aus Solar, um etwa lokal Blackouts zu verhindern?
Kreisel: Das hängt davon ab, wie man „Blackout“ definiert. Wenn sich eine Solar-Anlage mit Speicher auf einem Gewerbebetrieb jeden Tag selbst befüllt und das Netz dreimal am Tag ausfällt, dann kann sie das auf jeden Fall ausgleichen. 150.000 kleine Anlagen mit Speicher können orchestriert sogar ein großes Pumpspeicherkraftwerk ersetzen – ohne dass ein Berg weggegraben oder neue Stromnetze hergestellt werden müssen.
Gewessler: Dieses Beispiel zeigt die Dimension des Umbaus im Energiesystem – von zentralen Anlagen hin zu dezentralen Lösungen, die uns von Russland unabhängig und krisenfest machen.
Frau Ministerin, 2021 wurden österreichweit 50.0000 neue Gasheizungen eingebaut. Wie kann das sein?
Gewessler: Deswegen braucht es ja das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz. Wir hatten ursprünglich im Regierungsprogramm vorgesehen, dass es ab 2025 keine Gasheizungen mehr im Neubau geben soll. Das haben wir mit dem Erneuerbaren-Wärme-Gesetz jetzt auf 2023 vorgezogen. Wir haben bereits Rekordnachfragen nach viel gescheiteren Alternativen wie der Wärmepumpe oder der Biomasse. Gasheizungen in Neubauten sind nicht mehr verantwortbar – das ist ganz klar.
Die Grünen fordern eine Übergewinnsteuer für Krisengewinne. Mit welchem Modell?
Gewessler: Es geht darum, dass wir die Investitionen für den Ausbau der Erneuerbaren sicherstellen, aber gleichzeitig dort, wo durch einen Krieg übermäßig Gewinn passiert, für eine gewisse Gerechtigkeit sorgen. Jetzt wird ein Modell ausgearbeitet und wenn es vorliegt, werden wir es auch diskutieren.
Hat neoom seit Kriegsbeginn mehr eingenommen?
Kreisel: Aktuell ist nicht die Zeit da, um zu ernten, darum investieren wir sehr stark in Top-Talente, Innovation und Technologie. Ich würde prioritär fossile Energien über eine höhere CO2-Steuer massiv belasten.
Besitzer von Wärmepumpen oder Elektroautos haben einen höheren Stromverbrauch. Sollen sie bei der geplanten Energiepreisbremse zusätzlich entlastet werden?
Gewessler: In einem ersten Schritt beginnen wir jetzt mit einer Strompreisbremse. Warum? Weil das etwas ist, das alle Menschen in unserem Land brauchen. Unabhängig davon, wie sie Wärme beziehen. Bis Ende August werden wir ein Modell vorlegen, um sicherzustellen, dass jeder ein Grundkontingent zur Verfügung hat. Dann müssen wir uns die nächsten Schritte im Wärmebereich anschauen. Die Zukunft liegt natürlich in den Erneuerbaren und darauf werden wir auch Rücksicht nehmen bei allen weiteren Schritten.
Wer in Südeuropa Urlaub macht, sieht trotz der vielen Sonnenstunden kaum Solar-Anlagen. Woran liegt das?
Kreisel: Ich glaube, der Kuchen ist zu klein. Es gibt zu viele Leute, die Kapital investieren wollen. Und es ist nicht klar, wer wann und wo investieren darf. Die Frage ist, wie man so etwas reguliert oder sogar dereguliert. Mir persönlich ist am wichtigsten, dass dieser Markt demokratisiert wird, nicht monopolisiert.
Gewessler: Wir haben in ganz Europa einen massiven Aufholbedarf, was den Erneuerbaren-Ausbau betrifft. Auch in Ländern, wo man denkt, Fotovoltaik müsste schon auf jedem Dach sein. Beim EU-Ministerrat im Juli haben wir beschlossen, dass wir den Erneuerbaren-Anteil bei der Stromproduktion in Europa noch einmal erhöhen. Das müssen jetzt alle umsetzen.
Was man hingegen im Süden und Westen Österreichs kaum findet: Windräder.
Gewessler: Das geht 2022 einfach nicht mehr. Ich glaube, ganz ehrlich, da ist die Bevölkerung weiter, als die Meinung einzelner politischer Entscheidungsträger vermuten lässt. Die Energiewende wird unser Land verändern. Wir werden sie auf den Dächern und in der Landschaft sehen, sie wird Unternehmen und unseren Alltag verändern. Aber diese Veränderung ist etwas Positives – fast zu schön, um wahr zu sein. Aber eben wahr.
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