Alles nur Panikmache? Kickls Klima-Sager im Faktencheck
von Philipp Hubmer und Michael Hammerl
FPÖ-Chef Herbert Kickl war gestern, Montag, im ORF-Sommergespräch zu Gast. Dabei hat er unter anderem Aussagen zum Klimawandel getroffen, die so manchen skeptisch zurücklassen. Stimmen diese Aussagen tatsächlich? Der KURIER hat Kickls Klima-Aussagen einem Faktencheck unterzogen:
Kickl über...
...den anthropogenen Klimawandel: "Das ganze Klima ist ein Wandel, wenn man es einmal ganz genau nimmt. Wir haben eine Klimaveränderung und wir sind auf der Suche nach den Faktoren und es gibt die CO2-Emissionen als Faktor."
Die Masse der Experten und der Weltklimarat sind bei ihrer Suche nach Faktoren etwas weiter als FPÖ-Chef Herbert Kickl. Klar ist: Vom Menschen verursachte CO2-Emissionen tragen mit Abstand am meisten zum globalen Temperaturanstieg bei. Wie? Etwa durch die Verbrennung von Kohle oder Erdgas, Abholzung oder Viehzucht. Natürliche Ursachen, wie Veränderungen der Sonneneinstrahlung, haben zwischen 1890 und 2010 laut Schätzungen um weniger als 0,1 Grad zur Gesamterwärmung beigetragen. Die vom Menschen verursachte Erderwärmung nimmt alle zehn Jahre um 0,2 Grad zu.
...Prognosen aus dem Weltklimabericht: "Ich denke, da ist in der Vergangenheit sehr viel Schindluder betrieben worden, wo man die Leute in Angst und Panik versetzt hat, wo man bei Szenarien, die im Weltklimabericht zu finden sind, immer das Allerschlechteste herausgenommen hat, obwohl die absolut als unwahrscheinlich da drinnen bezeichnet werden."
Der aktuellste Bericht des Weltklimarats könnte eindeutiger nicht sein. Wenn sich die Erde um mehr als 1,5 Grad Celsius erwärmt, würden bereits diverse Inselstaaten untergehen. Mittlerweile ist es jedoch bereits sehr unwahrscheinlich, dass wir unter diesen 1,5 Grad Celsius bleiben. Deshalb will man verhindern, dass die Erderwärmung nicht auf über 2 Grad Celsius steigt. Für dieses Mindestziel müssen wir spätestens bis zur Mitte des Jahrhunderts weltweit aufhören, Öl, Gas und Kohle anzuzünden.
Und wenn wir das nicht schaffen? Folgende Konsequenzen sind dann nicht mehr abwendbar: Der Meeresspiegel steigt, Naturkatastrophen nehmen zu und Teile der Erde werden so heiß, dass sie nicht mehr bewohnbar sind. Was der FPÖ eigentlich auch nicht gefallen kann: Es wird zu massiven Migrationswellen kommen.
Kritik an der aktuellen Klimapolitik
...Österreichs Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß: "Dann sagen Sie bitte den Menschen dazu – und dazu fordere ich auch alle Grünen auf – wie groß der Anteil von Österreich am CO2-Ausstoß weltweit ist. Der Anteil Österreichs am weltweiten CO2-Austoß liegt bei 0,18 Prozent."
Stimmt, Österreichs Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß liegt bei rund 0,2 Prozent. Aber Österreich ist ja auch ein kleines Land. Aussagekräftiger sind also die jährlichen CO2-Emissionen pro Kopf. In dieser Statistik befindet sich Österreich auf dem Niveau von China und deutlich vor Indien. Und das, obwohl in diesen Staaten ein Großteil der Schwerindustrie und Produktion angesiedelt ist.
...die Energieversorgung Österreichs: "Ich würde aufhören, zum Beispiel Gas zu verteufeln. Wir wissen etwa, dass wir in Österreich – da können Sie mit Experten der Montanuniversität Leoben reden – zum Beispiel unter dem Weinviertel ganz erhebliche Tiefengasspeicher haben. Die reichen dafür aus, 20 bis 30 Jahre die Gasversorgung in Österreich sicherzustellen. Es sei 'eine andere Form des Fracking', weil es in Amerika in einer Tiefe stattfindet, wo das Trinkwasser gefährdet ist – das ist bis 200 Meter. Die Vorkommen unter dem Weinviertel liegen 4 Kilometer tief."
Ja, grundsätzlich vermuten Experten, dass es im Weinviertel Gasvorkommen gibt, die den österreichischen Bedarf für 30 Jahre decken könnten. Es gibt auch ein Verfahren des Leobener Professors Herbert Hofstätter, das im Gegensatz zum konventionellen Fracking, wie es etwa in den USA eingesetzt wird, auf Chemikalien verzichtet. Eine schnelle Lösung bringt das Verfahren nicht, denn es wurde bisher nur in Labortests angewandt. Die OMV schätzt, dass sie mit sämtlichen Voruntersuchungen – also zum Beispiel Probebohrungen – frühestens am Ende dieses Jahrzehnts in Österreich fracken könnte. Im Übrigen hat sich die FPÖ in der Vergangenheit immer gegen Fracking ausgesprochen. Noch im Mai meinte der blaue Umweltsprecher Walter Rauch zum Leobener Verfahren: „Umweltschädliches Fracking hat in Österreich keinen Platz!“
...das mögliche Austrocknen des Neusiedlersees: "Ja sehen Sie, Sie müssten mir mal sagen, welches Klima oder welche Zeit diejenige war, in der Geschichte der letzten 200 Jahre, die aus welchem Grund der Maßstab dafür sein soll, dass es das ideale Klima für uns ist. Sie haben den austrocknenden Neusiedlersee genannt – Sie wissen, dass das schon ein paar Mal so gewesen ist, dass der Neusiedlersee ausgetrocknet ist. Was ist jetzt der Normalzustand?
Ja, der Neusiedler See war schon einmal ausgetrocknet – etwa 1865 oder 1870. Präzise Prognosen dazu, ob der idyllische Steppensee im Burgenland dauerhaft austrocknen wird, gibt es derzeit nicht. Laut einer Statistik des Wasserportals vom Hydrographischen Dienst Burgenland hat der See jedenfalls heuer, Mitte August, seit Aufzeichnungsbeginn 1965 einen erneuten Negativrekord beim Wasserstand erreicht.
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