Wien-Energie-Chef: "So viel erneuerbare Energie gibt’s nicht"
Die Stadt Wien soll bis zum Jahr 2040 klimaneutral sein – das betrifft auch die Wien Energie. Bisher basiert aber etwa 60 Prozent der Strom- und Wärmeproduktion des größten österreichischen Regionalversorgers auf Erdgas. Der KURIER hat bei Geschäftsführer Michael Strebl nachgefragt, wie das Ziel erreicht werden soll.
KURIER: Wien wächst. Wie viele Einwohner werden 2040 zu versorgen sein?
Michael Strebl: Wir halten uns an die Prognose der Stadt Wien, das sind ein bisschen über zwei Millionen.
Trotzdem soll der Energieverbrauch um etwa ein Viertel sinken?
Ja. Man muss den Energieverbrauch reduzieren und die Energieträger substituieren. Wir werden Wien nicht mit dem bestehenden Energieverbrauch dekarbonisieren können, so viel erneuerbare Energie gibt’s nicht. Wir reden momentan sehr viel von der Substitution, aber leider sehr wenig von der Reduktion.
Substitution bedeutet zu einem Gutteil Umstellung auf Strom?
Ja, die Stromnutzung wird stark zunehmen, in Summe erwarten wir beim Stromverbrauch eine Zunahme um 58 Prozent. In der Raumwärme steigt er um 50 Prozent, in der Fernkälte wird er drei Mal so hoch, in der Mobilität sieben Mal so hoch sein.
Wo kommt der zusätzliche Ökostrom her?
Die Stromproduktion in Wien sinkt gleichzeitig um 40 Prozent, weil wir die Gaskraftwerke nicht mit Erneuerbaren ersetzen können. Das heißt aber nicht, dass die Importabhängigkeit von Wien insgesamt steigt, weil der Import von Erdgas und Heizöl sinkt.
Zum Thema Heizen: Wie kann man die vielen Gasthermen im Bestand ersetzen?
Wir haben eine Analyse gemacht, wo die Fernwärme ausbaubar ist. Im Wesentlichen: Alles, was innerhalb des Gürtels ist, wird Fernwärme, Neubaugebiete sind auch Fernwärme, auch außerhalb des Gürtels gibt es Schwerpunktregionen, wo sich die Fernwärmeversorgung lohnt.
Wie viele Haushalte sollen angeschlossen werden?
Derzeit haben wir 440.000 Fernwärmekunden, etwa ein Viertel der 420.000 Gaskunden wird auf die Fernwärme kommen, dazu kommt der Neubau. Aber man kann nicht ganz Wien mit Fernwärme erschließen.
Mehr als die Hälfte der Wärmeversorgung soll 2040 also über die Fernwärme erfolgen. Woher kommt der Rest?
Etwa 42 Prozent brauchen dezentrale Lösungen wie Wärmepumpen. In der Wärmeversorgung sind auch Energieeffizienzmaßnahmen wichtig.
Stichwort Dämmung: Ist der Denkmalschutz ein Problem bei Altbauten?
Ich halte das ein bisschen für eine Ausrede. Den Denkmalschutz muss man beachten, aber das sollte kein Stolperstein sein, so viele denkmalgeschützte Häuser gibt’s dann auch wieder nicht.
Wer bezahlt den Umbau bzw. wer zwingt die Immobilienbesitzer zu den Investitionen?
Es führt kein Weg daran vorbei, dass diese Heizsysteme geändert werden. Es sind 20 Jahre Zeit, in diesen muss man sowieso investieren. Wir brauchen natürlich die Rahmenbedingungen vom Bund und von der Stadt. Es gibt Förderungen, am Ende des Tages wird es auch Verbote geben müssen.
Und wie funktioniert Fernwärme ohne Erdgas?
Derzeit sind etwa 60 Prozent der Fernwärmeproduktion Gas, das wird schrittweise zurückgebaut. Der Anteil der Müllverbrennung bleibt, dazu kommen bis 2040 etwa ein Viertel aus Großwärmepumpen, ein Viertel aus Geothermie und ein Viertel aus einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage auf Basis grüner Gase wie Wasserstoff.
Wo nehmen sie das grüne Gas her?
Ich gehe davon aus, dass sich bis 2040 ein Markt für grünes Gas und Wasserstoff entwickelt.
Was muss die Politik tun, damit das alles gelingt?
Ein ganz wesentlicher Teil ist erledigt mit dem klaren Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein. Wir brauchen auf der Bundesebene ein Energieeffizienzgesetz und ein Erneuerbaren-Wärme-Gesetz, weil 40 Prozent der CO2-Emissionen in Wien kommen aus der Wärme. Jeder redet von der Dekarbonisierung des Stroms. Das ist auch richtig und wichtig, aber das macht nur 20 Prozent aus.
Worauf müssen sich die Konsumenten preislich einstellen?
Das kann ich konkret nicht sagen, das wäre Kaffeesudleserei – alles, was ich Ihnen heute sage, kann morgen falsch sein.
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