Hitzewelle bringt Fernkälte auf Hochtouren
„Heiße Tage hat es früher auch schon gegeben“, sagt Michael Strebl, Geschäftsführer von Wien Energie. Allerdings habe sich die Anzahl der Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad in Wien „in den letzten 20 bis 30 Jahren verdoppelt“. Auch die Anzahl der Tropennächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt, steigt stark an.
Dementsprechend wächst die Nachfrage von Kühlung. - Und diese wird immer öfter nicht mehr vor Ort produziert, sondern von sogenannten Kältezentralen aus verteilt.
Der größte Anbieter der sogenannten Fernkälte in Österreich ist Wien Energie. Bisher sind etwa 140 Gebäude an das System angeschlossen, darunter das Allgemeine Krankenhaus (AKH), die Nationalbank und die Universität Wien. Auch das Parlament und das neue KaDeWe auf der Mariahilfer Straße sollen im Zuge der Renovierungen angeschlossen werden.
Anwendungsbereiche
Die derzeit in Wien installierte Leistung dieses Systems entspricht etwa 50.000 konventionellen Klimaanlagen. Allerdings spart die Fernkälte mit ihren großen Maschinen gegenüber diesen etwa 70 Prozent des Energieeinsatzes und 50 Prozent des CO2-Ausstoßes ein. Strebl bezeichnet sie deswegen als „die Klimaschutz-Kühlung“. Weitere Vorteile sieht er in dem geringeren Flächenverbrauch und der Konformität mit dem Denkmalschutz.
Fernkälte rentiert sich vor allem dort, wo das gesamte Jahr über Kühlung gebraucht wird. Dazu gehören etwa Spitäler, Rechenzentren, Hotels und Großküchen, aber auch Bürogebäude.
Fernkältezentrale am Schottenring
Fernkältezentrale am Schottenring
Fernkältezentrale am Schottenring
Fernkältezentrale am Schottenring
Fernkältezentrale am Schottenring
Fernkältezentrale am Schottenring
Im Wohnungsbereich gestaltet sich die Situation schwieriger. „Im Bestand die Fernkälte nachzurüsten“ sei „wirtschaftlich nicht sinnvoll“, so Strebl. Potenzial gibt es aber bei groß angelegten Neubauprojekten, etwa dem Nord- und Nordwestbahnviertel sowie den bereits 2019 angeschlossenen Althangründen im Neunten Bezirk.
Ausbaupläne
Bisher betreibt das Unternehmen fünf große und dreizehn kleinere, dezentrale Kältezentralen. Die sechste große am Stubenring soll im Spätsommer fertiggestellt werden. Bis 2026 will Wien Energie 90 Millionen Euro in den Ausbau der Fernkälte investieren. Geplant ist unter anderem ein geschlossener Wasserkreislauf unter der Ringstraße, um die gesamte Wiener Innenstadt bedienen zu können.
In den nächsten zehn Jahren soll sich die Kundenanschlussleistung auf 350 Megawatt verdoppeln. Damit könnten 7 Millionen Quadratmeter gekühlt werden. Den Großteil des Ausbaupotenzials sieht Wien Energie bei öffentlichen Gebäuden und Geschäftskunden, knapp ein Drittel im Wohnungs-Neubau.
Derzeit macht die Fernkälte mit 15-20 Millionen Euro etwa drei bis vier Prozent des Wärme- und Kälteumsatzes von Wien Energie aus. In Anbetracht der immer heisser werdenden Sommer rechnet das Unternehmen aber damit, in 20 Jahren gleich viel Kühl- wie Heizenergie zu verkaufen.
Wie kommt die Kälte zum Kunden?
Wien Energie hat ein etwa 20 Kilometer langes Netz von Wasserleitungen gebaut. In diesen wird fünf bis sechs Grad kaltes Wasser zu den Abnehmern geschickt.
Wie kühlt man damit ein Gebäude?
An die Fernkälte können nur Häuser angeschlossen werden, die ein Klimasystem haben. Das bedeutet, dass kaltes Wasser wie bei einer Fußbodenheizung durch Rohrleitungen fließt. Nur gibt es dabei statt Wärme Kühlung an das Gebäude ab. Das Gebäude und die Fernkälte haben separate, in sich geschlossene Wasserkreisläufe. Der Temperaturaustausch zwischen den beiden erfolgt über einen Wärmetauscher.
Was ist ein Wärmetauscher?
Der Wärmetauscher besteht aus mehreren Metallplatten, zwischen denen zwei separate Wasserleitung verlaufen. Dabei gleichen sich durch die Abstrahlung die Temperaturen an. Der Wasserkreislauf des Gebäudes verliert also Wärmeenergie und wird kälter, das von Wien Energie gelieferte kalte Wasser wird wärmer.
Wie wird das Wasser kalt?
Das beim Kunden erwärmte Wasser fließt zurück zu den Kältezentralen von Wien Energie und wird dort wieder gekühlt. In diesen Maschinenräumen kommen sogenannte Kältemaschinen zum Einsatz. Diese funktionieren zum Teil mit Strom, ähnlich wie ein Kühlschrank. Ein Teil der Kältemaschinen nutzt aber auch thermische Energie, verwertet also die Abwärme von der Müllverbrennung um Kühlung herzustellen.
Was hat das mit dem Donaukanal zu tun?
In der Fernkältezentrale am Schottenring wird zur Kühlung auch Wasser aus dem Donaukanal genutzt, wiederum unter Einsatz von Wärmetauschern (siehe oben). Im Winter kann alleine damit ein Grundbedarf gedeckt werden, was Energie bei den Kältemaschinen spart. Da dem Kanal dabei maximal ein Hundertstel seiner Durchflussmenge entnommen wird, hat diese Erwärmung keine Auswirkungen auf das Gewässer.
Kann ich Fernkälte in meiner Wohnung haben?
Sofern das nicht während dem Bau eingeplant wurde, leider nein. Der Aufwand rechnet sich auch nur für große Flächen.
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