Warum sind Sie gegen eine Übergewinnsteuer, Herr Cernko?

Warum sind Sie gegen eine Übergewinnsteuer, Herr Cernko?
Was Erste-Group-Chef Willi Cernko von der Politik vermisst, wie er die wirtschaftliche Lage sieht und was er zuletzt entschieden hat.

Seit 1. Juli ist Willi Cernko Vorstandsvorsitzender der Erste Group. Damit ist er verantwortlich für aktuell 45.078 Beschäftigte, die von 2.038 Filialen aus 15,9 Millionen Kundinnen und Kunden in den Staaten Österreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Rumänien und Serbien betreuen. Der gebürtige Knittelfelder Cernko begann seine Karriere als Banker vor 40 Jahren. Von 2009 bis 2016 war er Chef der UniCredit Bank Austria AG. Im Jahr darauf wechselte er zur Erste Group. Sein Vertrag als CEO läuft bis Ende 2024.

KURIER: Sie versprühen derzeit trotz Krise Optimismus. Warum?

Willi Cernko: Die wirtschaftliche Lage ist besser als die allgemeine Wahrnehmung. Das Gros der Unternehmen ist aus Covid gestärkt hervorgegangen. Auch dank politischer Unterstützungsmaßnahmen, sowohl von EU- als auch nationaler Ebene. Sie haben ordentlich Kapital und eine gesunde Liquidität. 

Also keine Pleitewelle in Sicht?

So ist es. Wir haben nach wie vor weniger Insolvenzen als vor Covid. Auch die Lage am Arbeitsmarkt ist stabil. Und weil die Speicher voll sind, hat sogar die Gaskrise ihren ersten Schrecken verloren.

Sind die Sanktionen gegen Russland richtig?

Sie sind die richtige Antwort. Es muss aber auch diskutiert werden dürfen, wie treffsicher einzelne Maßnahmen sind und welche Kollateralschäden man damit anrichtet. Und was mir fehlt, sind langfristige Alternativen zu russischem Öl und Gas.

Aber Konzepte zum Ausbau für alternative Energien liegen vor.

Und die Genehmigungsverfahren? Das geht viel rascher, wenn es den politischen Willen dazu gibt. Warum nicht zum Beispiel den Windkraftausbau per Notverordnung vorantreiben? Die Unternehmen haben Liquidität. Lasst sie in den Unternehmen und schafft Anreize, dass sie investieren.

Sie sind gegen eine Übergewinnsteuer?

Die Unternehmen stecken das Geld doch nicht ein, sondern wollen es in den Ausbau der Infrastruktur investieren. Das halte ich für sinnvoller, als Geld abzuschöpfen, damit die Politik dann wieder subventionieren kann.

Und ein Gas- und Strompreisdeckel?

Da frage ich mich, was das für eine langfristige Wirkung haben soll und wie lange das überhaupt finanzierbar ist.

Die EZB hat im Eilverfahren den Leitzinssatz auf jetzt 2,00 Prozent gepusht. Richtig?

Die Frage ist vielmehr, ob durch sehr rasche Zinsanstiege nicht eine ungewollte Gegenreaktion ausgelöst wird, eine Rezession. Zinsanstiege erzielen ihre Wirkung erst zeitversetzt.

Droht da jetzt eine Rezession?

Nein. Für den CEE-Raum sehen wir für das kommende Jahr ein Wachstum von durchschnittlich 1,2 Prozent.

Warum sind Sie gegen eine Übergewinnsteuer, Herr Cernko?

Interview mit Erste Group-Chef Willibald Cernko (v.l.n.r.: Willibald Cernko, Wolfgang Unterhuber, Anita Kiefer)

Wirtschaftsforscher malen da eher ein düsteres Bild.

Das sehe ich anders. Weil im CEE-Raum weiterhin ein Aufholprozess stattfindet. Die Staatsschuldenquote ist im Vergleich zu Westeuropa viel geringer. Und auch dort gibt es gute Fachkräfte. 

Und die Inflation?

Die Inflation wird in ganz Europa noch länger hoch bleiben.

Wie geht es der Erste Group mit Unternehmenskrediten im CEE-Raum?  Stehen da einzelne Firmen an der Kippe?

Nein. Da bewegen wir uns bei den Vorsorgen für mögliche Ausfälle im üblichen Rahmen.

Das heißt: Sie vergeben Kredite wie immer.

Ja – wir haben unsere Regeln nicht verschärft.

Thema Klimawandel: Auf EU-Ebene wurde das Aus für Verbrenner bis 2035 beschlossen. Gut?

Die Herausforderungen, die wir beim Klima haben, dürfen wir nicht zurückreihen. 2035 ist wunderbar. Ich hätte aber gern die Info, bis wann wir ein flächendeckendes Versorgungsnetz und ein Tarifsystem haben, das einfach und verständlich ist. Und in Österreich wäre ein öffentliches Verkehrssystem gut, das sich nicht nur auf die Westbahnstrecke beschränkt.

Wie geht es Ihnen mit dem Lieferkettengesetz?

Hier wälzt die Politik die Verantwortung, die sie selbst wahrnehmen müsste, auf den Markt ab. Große Konzerne werden dazu internationale Agenturen beschäftigten, die nachprüfen, ob es etwa irgendwo in der Herstellung eines Produkts Kinderarbeit gab. Kleinere und mittlere Unternehmen können sich solche Nachforschungen nicht leisten.

Was wäre die Lösung?

Zwischenstaatliche Vereinbarungen. Die EU könnte mit wichtigen Handelspartnern, Staaten und Regionen, Vereinbarungen treffen, die das abdecken.

Thema EU-Taxonomie, bei der etwa  Atomkraft als grünes Investment klassifiziert wird. Sie sehen diese sehr kritisch. 

Ja. Das würde von allen vielleicht noch verstanden werden, wenn parallel dazu Alternativen zur Öl, Gas- und Atom vorangetrieben würden, sodass man verlässlich sagen kann, wann es mit Atom und fossiler Energie vorbei ist.

Was empfehlen Sie Anlegern, die noch Geld zum Investieren haben?

Ich empfehle das Thema Nachhaltigkeit. Viele Unternehmen steigen da massiv ein. Da wird auch investiert. Freilich: Was wir noch brauchen ist ein Kapitalmarkt, der das überhaupt zulässt.

Stichwort Digitalisierung. Wie lange wird es noch Filialen geben?

Das hybride Geschäftsmodell – Filialen und ein digitales Angebot 7 Tage, 24 Stunden – wird noch sehr viele Jahre existieren. In bestimmten Lebenslagen will man mit echten Menschen über seine Finanzen reden können. Und das unterscheidet uns wesentlich von allen Online-Banken.

Sie wollen bis 2025 die Frauenquote in Führungspositionen von zuletzt 28,5 auf 37 Prozent erhöhen. Schaffen Sie das?

Klar. Wir gehen gezielt in die Nachfolgeplanung, um Frauen die entsprechenden Chancen zu offerieren. Es ist aber auch förderlich für die Frauenquote, wenn viele Männer in Karenz gehen. Das ist nach wie vor ein Thema, das in Österreich und in CEE gar nicht so einfach ist.

Sie haben neulich gesagt, Ihr Ziel für Ihre Führungsperiode ist, dass man danach sagt, sie hätten Drive und Zusammenhalt ins Unternehmen gebracht. Gab es das bisher nicht?

So ist das nicht gemeint (lacht). Es ist aber schon so, wenn ein CEO sich entscheidet, aufzuhören, dann tut das etwas in einem Unternehmen (Anm. der Red: Vorgänger Bernd Spalt trat überraschend ab). Natürlich gibt es da kurz Irritationen. Da geht es darum, wieder den Rhythmus zu finden.

Ihr Vertrag endet mit 2024. Sie wollen aber kein Übergangskandidat sein, sondern Entscheidungen weit für die Zukunft treffen. Was haben Sie bisher entschieden?

Wir haben die Strategie 2030 konkretisiert, also heruntergebrochen auf konkrete Maßnahmen. Personal- und Investitionsentscheidungen wurden getroffen. Ich war auch schon in allen Ländern mindestens ein Mal.

Sie sind zufrieden mit der Entscheidungsgewalt, die Sie haben?

Ja.

Dann könnten Sie ja über 2024 hinaus weitermachen...

Da wird meine Frau ein entscheidendes Wort mitzureden haben (lacht).

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