Shell ist heuer seit 100 Jahren in Österreich aktiv. Bis 1970 betrieb der Mineralölkonzern in Floridsdorf eine eigene Raffinerie, noch bis 2008 wurden in einem Werk in der Lobau etwa Schmiermittel hergestellt.
Das Hauptgeschäft von Shell in Österreich sind die etwa 200 Tankstellen, die großteils von Pächtern betrieben werden. Bei Shell Austria direkt arbeiten hingegen nur knapp 100 Mitarbeiter. Bis 2040 soll das Unternehmen klimaneutral sein. Österreich-Geschäftsführer Rainer Klöpfer hat dem KURIER erklärt, wie das gehen soll.
KURIER: Die Energiepreise sind letztes Jahr drastisch gestiegen. Haben sich die Unternehmen da ein Körberlgeld verdient?
Rainer Klöpfer: Spritpreise sind ein hochkomplexes Thema. Der Ölpreis wirkt sich erst stark zeitversetzt aus. Der Preis für die Fertigprodukte, wie Benzin und Diesel, entsteht an der Börse in Rotterdam. Diese Basis ist extrem volatil, da ist auch immer ein gewisses Element von Spekulation dabei. Zweitens kommen noch weitere Elemente, wie etwa der Transport, dazu. Wenn zum Beispiel am Rhein Niedrigwasser ist, kann man die Schiffe weniger beladen oder muss sogar mit Lkw transportieren. Das sind Faktoren, auf die wir kaum Einfluss haben.
Wie hat sich die Übergewinn-Abschöpfung ausgewirkt?
In Österreich gar nicht, weil wir hier nicht fördern und nicht produzieren. In anderen Ländern, wie zum Beispiel in England, hingegen schon.
In der Presseaussendung zu Ihrem Antritt stand, Sie freuen sich, die Energiewende in Österreich voranzutreiben. Wie macht das ein Mineralölkonzern?
Das ist die größte gesellschaftliche Herausforderung. Global betrachtet wird der Energiebedarf bis 2050 stark ansteigen, sowie auch die Nachfrage nach erneuerbaren Energien. Ich glaube, man muss in einer positiven Form uns alle aus der Komfortzone holen, sowohl die Energiewirtschaft als auch die Energienutzer. Wenn sich Aktivisten auf die Straße kleben, ist das vielleicht nicht die geschickteste aller Vorgehensweisen. Aber dass man jetzt etwas tun muss, bestätigt jeder.
Wir investieren zum Beispiel in den Ausbau von Schnellladestationen, der Pkw-Verkehr wird hauptsächlich elektrisch werden. Man muss schauen, dass man das Maximum an fossilen Kraftstoffen durch regenerative ersetzt. Bei Lkw sind verflüssigtes Erdgas, LNG, sowie verflüssigtes Methangas, Bio-LNG, Möglichkeiten.
… da haben Sie heuer die erste Tankstelle in Österreich eröffnet.
Ja, in St. Marienkirchen, eingebettet in ein Netz, das den Transit von Südosteuropa nach Nordwesteuropa mit diesem Kraftstoff ermöglicht. Wir setzen dabei stark auf Bio-LNG, also aus biogenen Quellen erzeugtes Methan.
War Gas in der Mobilität nicht bisher eher ein Rohrkrepierer?
Im Gegensatz zum CNG (Compressed Natural Gas) bei Erdgas-Pkw wird beim LNG (Liquefied Natural Gas) das Gas bei minus 160 Grad verflüssigt und schrumpft auf ein Sechshundertstel seiner Größe. Ein Lkw hat damit 1.600 bis 1.700 Kilometer Reichweite. Dadurch wird es für Spediteure interessant. Wir wollen damit eine trittfeste Brücke bauen, bis es die neuen Technologien am Markt gibt.
Rainer Klöpfer ist seit 1987 bei Shell, zuletzt war er Geschäftsführer des Tankkarten-Bereiches euroShell in Deutschland. Seit Jänner 2023 leitet der gebürtige Wiener und ehemalige Berufssoldat Shell Austria, zusammen mit Sabine Hauser, der Leiterin der Rechtsabteilung.
Shell, 1907 gegründet und bis 2022 unter "Royal Dutch Shell" bekannt, ist einer der größten Mineralöl- und Erdgaskonzerne der Welt. Shell ist in etwa 140 Ländern aktiv und hat 2022 386 Milliarden Dollar Umsatz erwirtschaftet. Mit knapp 40 Milliarden Dollar erzielte der Konzern den größten Gewinn seiner Geschichte.
6 % der österreichweiten Emissionen gehen laut dem Konzern auf Shell bzw. von Shell verkaufte Kraftstoffe zurück. Bis 2040 muss, der politischen Vorgabe folgend, Netto-Null erreicht werden. Das bedeutet aber nicht, dass kein CO2 mehr ausgestoßen wird.
Können E-Fuels eine Rolle spielen?
Aus heutiger Sicht sind sie nicht effizient. Es spricht jeder von Wasserstoff und was nicht noch alles passieren wird – aber das sind alles Ankündigungen. LNG ist hier und jetzt. Die Lkw sind 10.000 bis 15.000 Euro teurer als ein Diesel, ein Wasserstoff-Lkw hingegen kostet das Drei- bis Fünffache.
Shell wird immer wieder Greenwashing vorgeworfen, weil der Konzern sein Geld unverändert mit fossilen Kraftstoffen verdient. Verständlich?
Es ist durchaus zu verstehen, dass Menschen einem Unternehmen mit fossiler Tradition mit Skepsis gegenübertreten. Das ist natürlich, weil unser Name medial wirksam ist – das verstehe ich. Aber man muss auch verstehen: Wenn wir aus dem Geschäft aussteigen, übernimmt jemand anderer die Marktanteile. Dem Klima ist damit nicht geholfen.
Es wird auch kritisiert, dass nur ein minimaler Anteil der Konzern-Investitionen in Erneuerbaren-Produktionen geht …
Wir konnten seit 2016 30 Prozent der Emissionen aus unseren eigenen Betriebsstätten verringern. Shell hat im vergangenen Jahr 4,3 Milliarden Euro in CO2-arme Produkte investiert und wird bis 2025 weitere 10 bis 15 Milliarden in diesen Bereich investieren. 2021 haben wir uns ein Ziel gesetzt, die Produktion von fossilen Energieträgern bis 2030 jährlich um zwei Prozent zu reduzieren. Dieses Ziel haben wir bereits erreicht, indem wir bis jetzt etwa 20 Prozent reduzieren konnten. Es ist ein ständiges Spannungsverhältnis, wie rasch es nach vorne gehen kann und wie sehr man sich im Konkurrenzverhältnis zu Mitbewerbern sehen muss. Wir müssen schließlich auch unseren Investoren Rede und Antwort stehen. Wenn der Investor keine Dividende bekommt, geht er weg.
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