Wie eine giftige Chemikalie das Klima retten soll

In Europa wird Ammoniak vor allem mittels Einsatz von Erdgas gewonnen.
Für den deutschen Industriekonzern Thyssenkrupp ist es der "kostengünstigste flüssige Energieträger für die Langzeitlagerung, leicht global zu verschiffen" und "ein zentraler Wegbereiter für eine nachhaltige Zukunft". Die Rede ist von Ammoniak.
Die giftige Chemikalie mit der Formel NH3 besteht aus Stickstoff (N2) und Wasserstoff (H2), dem flüchtigen Wunderwuzzi der Energiewende. Im Vergleich zu Wasserstoff ist viel Erfahrung in der Handhabung von Ammoniak vorhanden, sagt Matia Riemer vom deutschen Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung zum KURIER. Bisher wird der Großteil des Ammoniaks für Düngemittel verwendet, daneben etwa auch in der Abgasreinigung und als Kältemittel. Die Nutzung als Energieträger ist hingegen relativ neu.
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Produziert wird Ammoniak bzw. der Wasserstoff dafür vor allem unter Verwendung von Erdgas. Das könnte sich aber ändern. Denn im Zuge der europäischen Energiewende sollen künftig statt fossilen erneuerbare Energieträger importiert werden.
Die Gewinnung von Ökostrom, etwa aus Sonne oder Wind, ist in vielen südlichen Ländern deutlich ergiebiger und dadurch billiger. Daraus kann mittels Elektrolyse "grüner Wasserstoff" gewonnen werden. Wird dieser mit Stickstoff vermengt, der aus der Luft gewonnen werden kann, entsteht "grünes Ammoniak" (Haber-Bosch-Verfahren, Anm.).
Ammoniak ist gerade auch in der Diskussion, um Wassersttoffimporte zu erleichtern. Dabei muss dann mitbeachtet werden, dass je nach Anwendungsfall eventuell ein Teil des Ammoniaks wieder in Wasserstoff umgewandelt werden muss, was zumindest zurzeit noch hohe Kosten verursacht und energetisch aufwendig ist.
Fraunhofer ISI
Ammoniak hat eine höhere Energiedichte als Wasserstoff und ist bereits ab Minus 33 Grad Celsius flüssig, Wasserstoff hingegen erst bei Minus 253 Grad. Verflüssigung und Kühlung verbrauchen Energie, manchen Modellrechnungen zufolge ergibt sich daraus ein Kostenvorteil für den Transport von Ammoniak. Das hängt aber von vielen Faktoren ab, unter anderem von Dauer und Distanz der Verschiffung, sagt Thomas Stöhr vom Grazer Wasserstoff-Forschungszentrum HyCentA zum KURIER.
Einsatzmöglichkeiten
Im Gegensatz zu flüssigem Wasserstoff ist der Transport von Ammoniak technisch Routine. Wenn es großflächig als Energieträger eingesetzt werden sollte, wären die Kapazitäten der vorhandenen Infrastruktur aber nicht ausreichend, sagt Riemer. Eine gemeinsame Infrastruktur, die alles kann, wird es laut der Expertin voraussichtlich nicht geben, denn "Wasserstoff und Ammoniak sind sehr unterschiedliche Gase".
Ammoniak wieder in Wasserstoff und Stickstoff aufzutrennen ist möglich, allerdings verursache es hohe Kosten und sei energetisch aufwendig, sagt Riemer. Zwischen 14 und 40 Prozent der Energie würden dabei verloren gehen, Erfahrungswerte in industriellem Maßstab gibt es bisher nicht.
Die HyCentA-Experten sehen die Idee, Ammoniak zu erzeugen um Wasserstoff zu transportieren skeptisch. Stöhr schätzt, dass Kosten und Energieverlust gegenüber den Vorteilen überwiegen würden. Sinngemäß sollte mit grünem Ammoniak zunächst das mit Erdgas gewonnene ersetzt werden, meint HyCentA-Chef Alexander Trattner.
Einen Anwendungsfall für Ammoniak sehen sie aber als Treibstoff, beispielsweise in der Schifffahrt. Die dort verwendeten großen Motoren seien jahrzehntelang im Einsatz und könnten mit vergleichsweise geringem Aufwand auf die Verbrennung von Ammoniak umgestellt werden. Bei der Verbrennung entsteht kein CO2, aber Stickstoffoxide, die ausgefiltert werden müssten.
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