Seit Ukraine-Krieg verdienen sich Ölkonzerne eine goldene Nase
Viele Autofahrer haben es vermutet, die heuer stark gestiegenen Spritpreise erklären sich nicht mit den Schwankungen am Ölmarkt. Eine Untersuchung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zeigt hingegen, dass sich die Bruttomargen der Raffinerien seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs etwa verdreifacht haben. Statt sieben Cent verdienten die Konzerne demnach 23 Cent pro Liter zu Sprit verarbeiteten Erdöls. "Die Bruttoraffinierungsmarge ist die Grundlage der Raffineriegewinne, wobei noch andere moderat angestiegene Kosten abgezogen werden", heißt es von der BWB.
Während der Rohölpreis bis Mitte Juni um etwa 22 Cent pro Liter gestiegen ist, sind Diesel um 36 Cent und Benzin um 41 Cent teurer geworden. Die BWB rechnet vor, was das an der Zapfsäule bedeutet: Vom Preisanstieg einer Tankfüllung (von 50 Liter) entfallen 11 Euro auf den gestiegenen Ölpreis. Weitere 9,50 Euro pro Tankfüllung Diesel bzw. 10,50 Euro pro Tankfüllung Benzin entfallen aber auf die höheren Raffineriemargen. Dazu kommt noch jeweils die Mehrwertsteuer.
Verdacht Marktmissbrauch
Die BWB hat internationale Mineralölkonzerne, die Tankstellen in Österreich betreiben und Beteiligungen an Raffinerien halten, befragt. Darunter waren OMV, Eni Austria, Shell Austria, BP Austria und JET Tankstellen Austria. Außerdem wurden drei größere Kraftstoffhändler und größere Tankstellenbetreiber interviewt.
"Eine solche Branchenuntersuchung eines Marktes kann dann von der BWB eingeleitet werden, wenn Umstände vermuten lassen, dass der Wettbewerb in einem betreffenden Wirtschaftszweig eingeschränkt oder verfälscht ist. In diesem Zusammenhang sind bei der BWB zahlreiche Beschwerden aus dem Markt eingelangt", so die BWB.
Kein Kartell?
„Aus den Daten, die der BWB vorliegen, können sich diese Bruttomargensteigerungen kaum zur Gänze aus den gesteigerten Kosten heraus erklären“, sagte die derzeitige BWB-Interimschefin Natalie Harsdorf-Borsch am Donnerstag im Ö1-„Mittagsjournal“ des ORF. „Die Behörde kann derzeit Kartellierung und Marktmachtmissbrauch nicht zur Gänze ausschließen. Wir haben aus den Daten, die wir erhoben haben für die Untersuchung keine gerichtsfesten Hinweise erlangt."
Die Margen der Tankstellen waren übrigens nur im März deutlich höher als vor dem Ukraine-Krieg. Das erklärt sich recht einfach daraus, dass diese den Sprit auch zu höheren Preisen einkaufen müssen. Der Preis für Treibstoffe orientiert sich in Europa am Spotmarkt in der Region Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam (mehr dazu).
Der Anstieg der Raffineriemarge bedeutet nicht, dass die Gewinne im selben Ausmaß gestiegen sind, denn auch weitere Kosten sind gestiegen – allerdings, so, die BWB, "nicht im gleichen Ausmaß". Die Marktteilnehmer können bis Ende Juli zu den Ergebnissen der Untersuchung Stellung nehmen, teilte die BWB mit.
Kassen klingeln bei Shell
Ein Parade-Beispiel, wie gut die Kassen bei den internationalen Ölkonzernen die Kasse klingeln, ist Shell. Der britische Ölkonzern wird seine Abschreibungen auf Öl- und Gasanlagen in Höhe von bis zu 4,5 Milliarden Dollar (4,42 Milliarden Euro) zurücknehmen, wie Shell am Donnerstag mitteilte. Die Raffineriemargen hätten sich im zweiten Quartal fast verdreifacht. Die Raffineriemarge betrug im ersten Quartal 2022 10,23 US Dollar und im zweiten Quartal 28,04 US Dollar. Die Einnahmen aus dem Handel mit Öl und raffinierten Produkten seien stark, allerdings niedriger als im ersten Quartal.
OMV schaut durch die Finger
Die österreichische OMV profitiert derzeit übrigens nicht von der Situation. Denn sie seit einem Raffinerie-Unfall kaum selbst Rohöl verarbeiten kann, muss sie fertige Produkte teuer zukaufen, um ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen. “Das Problem für die OMV ist ein gigantisches“ meint dazu der Ölmarkt-Experte Johannes Benigni. Denn hätte sie ihre Raffinerie-Kapazitäten in vollem Einsatz, könnte sie hohe Margen einstreichen. Stattdessen muss sie jetzt hohe Preise zahlen, während sich andere Raffineure “krumm und dämlich“ verdienen, so Benigni.
BWB sammelt Stellungnahmen
"Aufgrund der hohen volkswirtschaftlichen und sozialen Bedeutung des Themas sowie den dynamischen geopolitischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, ist es der BWB wichtig, den betroffenen Marktteilnehmern die Möglichkeit einer Stellungnahme zu den vorläufigen Ergebnissen der Untersuchung zu geben. Bis zum 27. Juli 2022 können der BWB Stellungnahmen übermittelt werden", so die Kartellhüter.
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