Öl-Versorgung für Österreich: Sprit könnte bald knapp werden
Über ein südrussisches Terminal exportiert Kasachstan Öl in Richtung Westen. Den Transit hat Russland nun gestoppt. Nach offiziellen Angaben ist ein Notfallplan für eventuelle Ölunfälle unvollständig. 30 Tage lang soll der Betrieb eingestellt werden.
Über dieses Terminal fließen 80 Prozent vom gesamten Öl, das Kasachstan in den Westen exportiert. Auch Österreich ist betroffen. Das meiste Öl in Österreich kommt nämlich aus Kasachstan.
Was heißt das nun für den Spritverbrauch? Und für den Preis?
Werden Diesel und Benzin jetzt tatsächlich knapp, wie das seit Tagen, also schon vor dem Kasachstan-Öl-Stopp, kolportiert wird? „Die Lage ist in Österreich äußerst angespannt“, sagt Bernd Zierhut, Vorstand der Doppler Mineralöle (260 Turmöl-Tankstellen) aus Wels und oberösterreichischer Wirtschaftskammerfunktionär zum KURIER.
Grund dafür ist aber zumindest bis heute nicht Kasachstan, sondern der fast komplette Stillstand der Raffinerie Schwechat.
Beschädigung der Rohöl-Destillationsanlage
Im Rahmen der Generalüberholung der OMV Raffinerie Schwechat ist es dort am 3. Juni zu einer Beschädigung der Außenhaut der Rohöl-Destillationsanlage gekommen. Seither kann Schwechat nur auf Sparflamme Rohöl verarbeiten.
Laut Zierhut gibt es ein Ost-West-Gefälle. „Der Osten hat gewisse Mangelerscheinungen bei allen Produkten. Die Sprit-Produkte für Österreich müssen daher über weite Logistikwege von Raffinerien im benachbarten Ausland herangekarrt werden.“
Keine Rationierungen?
„Solange die Raffinerie Schwechat nicht am Netz ist, werden wir uns durchwursteln müssen“, so Zierhut weiter. Seine Prognose: „Ich gehe nicht davon aus, dass es zu Rationierungen kommt, sondern, dass die eine oder andere Tankstelle trocken laufen wird und das eine oder andere Lager unversorgt bleibt.“ Hedwig Doloszeski, Geschäftsführerin des Fachverbands der Mineralölindustrie in der Wirtschaftskammer Österreich kalmiert: „Laut meinen Informationen ist noch keine Tankstelle leergelaufen.“
„Jetzt müssen die Produkte über unterschiedliche Wege importiert werden, auf der Straße und auf der Schiene“, sagt Doloszeski. „Auf der Straße haben wir das Problem, dass Lkw-Fahrer ausgefallen sind, weil sehr viele Ukrainer bisher darunter waren. Und der Transport auf der Schiene ist viel länger schon schwierig, weil es zu wenig Kesselwaggons und sehr knappe Kapazitäten gibt.“ Nachsatz: „Es konkurrieren alle, um die Mengen zur richtigen Zeit nach Österreich zu bringen.“
Besondere Ironie
Dass Problem in Schwechat sorgt in Zusammenhang mit den Nachrichten aus Kasachstan nun für eine gewisse ungewollte Ironie. “Rein versorgungstechnisch ist das kein Problem”, so OMV-Sprecher Andreas Rinofner auf Anfrage des KURIER. Denn da die Raffinerie Schwechat seit dem Unfall im Juni mit nur 20 Prozent ihrer Kapazität läuft, werde “derzeit kaum Rohöl in Österreich verarbeitet”, sagt OMV-Sprecher Andreas Rinofner zum KURIER.
Auch wenn die Raffinerie wieder voll einsatzfähig ist, was voraussichtlich im September der Fall sein wird, sollte es wegen Kasachstan in Österreich dann keine Auswirkungen geben. Zwar sei Kasachstan "ein bedeutender Lieferant, aber der Ölmarkt ist international sehr breit aufgestellt", sagt der OMV-Sprecher.
9,6 Millionen Tonnen pro Jahr
Die fehlenden Mengen ließen sich gegebenenfalls von anderen Lieferanten beschaffen. Erdöl aus Kasachstan macht rund ein Drittel der in der Raffinerie Schwechat verarbeiteten Erdölmenge aus - die Kapazität der Raffinerie beträgt rund 9,6 Millionen Tonnen pro Jahr. Das Öl kommt über den Hafen Triest und dann per Pipeline nach Schwechat. Ansonsten verarbeitet die Raffinerie Schwechat unter anderem auch Öl aus Libyen oder dem Irak.
Öl-Hauptlieferanten für Österreich
Die beiden Länder sind nach Kasachstan die beiden nächsten Öl-Hauptlieferanten für Österreich. Politisch sind das bekanntlich nicht gerade stabile Länder.
Auch Johannes Benigni einer der bekanntesten Energie-Analysten Österreichs sieht gegenüber dem KURIER vorerst wegen Kasachstan keine unmittelbaren Auswirkungen. Grundsätzlich sei es am Ölmarkt nicht unüblich, dass Lieferanten ausfallen würden, zumal in vielen Ländern instabile Bedingungen herrschen.
Europa fehlt eine Million Fass Rohöl pro Tag
Libyen eines von Österreichs Lieferländern würde wegen der dortigen bürgerkriegsähnlichen Lage nur die Hälfte der möglichen Kapazitäten liefern.
Aber: Durch den Ausfall von Kasachstan als Lieferant fehlen Europa nun etwa eine Million Fass Rohöl pro Tag, so Benigni. Und der Markt ist bereits angespannt. Hauptsächlich, weil man durch die Sanktionen den größten Lieferanten, Russland, gerade aus dem Markt dränge. Daraus ergebe sich ein "veritables Unterversorgungsrisiko", das sich "noch deutlich verschärfen" werden, wenn die EU die Importe weiter zurückfährt.
Derzeit werde aus Russland nur noch etwa die halbe Menge als vor dem Krieg nach Europa importiert. Die Unterbrechung der Lieferungen aus Kasachstan wertet Benigni als einen “Wink der Russen, dass sie noch mehr Schaden anrichten können”.
Knappes Gut selten günstiger
Dass der Ölpreis am Mittwoch trotz der angekündigten Verknappung sogar gefallen ist, führen Beobachter auf Rezessionsängste zurück. Mineralölhändler Zierhut: „Aber grundsätzlich kann schon auch gesagt werden, dass ein knappes Gut selten günstiger wird.“
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