Österreichs größter Lieferant: Russland kappt Öltransit aus Kasachstan, OMV beruhigt

FILE PHOTO: The logo of Austrian oil and gas group OMV is pictured on an oil tank at the refinery in Schwechat
Mögliche Umweltschäden seien Grund. Präsident hatte zuletzt angeboten, mehr Öl und Gas nach Europa zu liefern. OMV-Sprecher sieht "versorgungstechnisch kein Problem". Rufe nach öffentlichen Geldern als Unterstützung für Umstieg und teureren Betrieb.

Ein für den Export von kasachischem Öl bestimmtes Terminal im Schwarzen Meer muss auf Beschluss eines Gerichts in Südrussland für 30 Tage seinen Betrieb einstellen. Begründet wurde der Stopp mit möglichen Umweltschäden, wie die Nachrichtenagentur Interfax in der Nacht zum Mittwoch berichtete. Zuletzt hatte es zwischen Russland und der benachbarten zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik Kasachstan wegen des Ukrainekriegs Unstimmigkeiten gegeben.

Gerichtsurteil

Die Betreibergesellschaft Caspian Pipeline Consortium (CPC) sei "gezwungen, das Gerichtsurteil umzusetzen", werde aber dagegen klagen, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens. Nach offiziellen Angaben ist die Dokumentation beim Notfallplan für die Beseitigung eventueller Ölunfälle unvollständig. Ursprünglich hatten die Behörden CPC bis zum 30. November Zeit gegeben, die Verstöße zu beseitigen, doch in einer Gerichtsverhandlung am Dienstag forderte die regionale Transportaufsicht überraschend die Schließung des Terminals - und erhielt Recht.

Über das Terminal in der südrussischen Hafenstadt Noworossijsk fließen 80 Prozent des aus Kasachstan exportierten Öls - Kasachstan hat keinen eigenen Zugang zu den Weltmeeren. Die Umschlagkapazität liegt bei 67 Millionen Tonnen Öl pro Jahr. Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew hatte zuletzt der EU angeboten, mehr Öl und Gas nach Europa zu liefern, um die Energiesicherheit des Kontinents trotz des Ukrainekriegs und der damit zusammenhängenden Sanktionen gegen Russland zu gewährleisten. Kasachstan hat die Unabhängigkeit der von Moskau protegierten Separatistenrepubliken im Osten der Ukraine nicht anerkannt.

Österreichs größter Lieferant

2020 stammten 36,6 Prozent aller Rohölimporte aus dem rohstoffreichen, aber armen Land. 2019 waren es sogar 39,2 Prozent und 2021 bis Oktober 38,1 Prozent. Damit ist Kasachstan Österreichs mit Abstand wichtigster Erdöllieferant, 15 Prozent der Rohölimporte stammen aus dem Irak, weitere zehn Prozent aus Russland.

OMV sieht kein Versorgungsproblem

“Rein versorgungstechnisch ist das kein Problem”, so ein OMV-Sprecher auf Anfrage des KURIER. Denn da die Raffinerie Schwechat seit dem Unfall im Juni mit nur 20 Prozent ihrer Kapazität läuft, werde “derzeit kaum Rohöl in Österreich verarbeitet”. Auch wenn die Raffinerie wieder voll einsatzfähig ist, was voraussichtlich im September der Fall sein wird, sollte es keine Auswirkungen geben. Zwar sei Kasachstan “ein bedeutender Lieferant, aber der Ölmarkt ist international sehr breit aufgestellt”, so der Sprecher.

Die fehlenden Mengen ließen sich gegebenenfalls von anderen Lieferanten beschaffen. Es wurde “offensichtlich eine Pipeline stillgelegt, die den Terminal versorgt und dadurch kann Kasachstan nichts exportieren”. Bestätigen könne man das aus Österreich nicht, es werde sich aber mit den nächsten Lieferungen zeigen.

Die OMV förderte über ihre rumänische Tochter OMV Petrom bis vor kurzem selbst Öl in Kasachstan. Trotz des Verkaufs der Anlagen und Ölfelder vergangenes Jahr macht kasachisches Erdöl weiter rund ein Drittel der in der Raffinerie Schwechat verarbeiteten Erdölmenge aus - die Kapazität der Raffinerie beträgt rund 9,6 Mio. Tonnen pro Jahr. Das Öl kommt über den Hafen Triest und dann per Pipeline nach Schwechat. Die Raffinerie Schwechat verarbeitet unter anderem auch Öl aus Libyen, dem Irak oder Norwegen. Nach einem Unfall steht die Anlage derzeit aber ohnehin still.

Abseits vom Öl unterhält Österreich de facto keine Geschäftsbeziehungen mit Kasachstan. 99 Prozent der Exporte nach Österreich betreffen Erdöl oder Erdölprodukte. Kasachstans Außenhandel lebt generell von fossilen Energieträgern. Zwei Drittel der Exportgüter sind Öl, Gas und Kohle. Weniger als zwei Prozent der Brennstoffe werden im eigenen Land verbraucht. Wichtigste Handelspartner des Landes sind Russland und China.

Industrie hat viele Fragen

Die energieintensiven Branchen können grundsätzlich mit einer Umstellung von Gas auf Öl leben, wissen sie doch, dass die Lage schwierig werden könnte. Es seien aber viele Fragen offen, es fehle ein Gesamtkonzept, heißt es aus der Chemiebranche. IV und WKÖ forderten auch umgehend öffentliche finanzielle Unterstützung für die Betriebe. Die Regierung wiederum versprach heute, künftig umfassend zur Lage mit der Gasversorgung zu informieren.

E-Control sieht Gas-Sparpotenzial von etwa 15 Prozent

Allzu umfassend dürfte der Umstieg auf Öl nicht werden, denn es gibt viele Firmen, die nicht umrüsten könnten. Walter Boltz, der frühere Chef der E-Control, sieht ein Gas-Sparpotenzial von etwa 15 Prozent in der Industrie. Aber die Regierung habe den Ernst der Lage erkannt, so Silvia Hofinger von der Sparte Chemie in der Wirtschaftskammer (WKÖ). Ein Gesamtkonzept und belastbares Mengengerüst fehlten jedoch, gerade wenn es um die Alternative Öl geht.

Offen sei auch, wie die Unternehmen überhaupt zu den Rohstoffen kommen und wie die Regierung mit den zusätzlichen Schadstoffen und CO2-Zertifikaten umgehen will. Jedenfalls brauche es Kompensation für die Umrüstung und die entstehenden Kosten, so Hofinger. Da gehe es um einmalige Kosten und um höhere Kosten im laufenden Betrieb. "Und da brauchen die Unternehmen entsprechende Unterstützungen."

Regierung kündigt Informationsoffensive an

Die Regierung hat ihrerseits heute, nachdem ihr wochenlang Intransparenz und Untätigkeit in der Energiekrise vorgeworfen worden war, eine Informationsoffensive angekündigt. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine habe zu sehr viel Unsicherheit in der Bevölkerung geführt, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerrat. Daher sei an die zuständigen Ministerien der Auftrag ergangen, die Öffentlichkeit regelmäßig zu informieren. Die Alarmstufe wird aber vorerst weiter nicht ausgerufen.
 

"Es sind tatsächlich herausfordernde Zeiten", meinte Nehammer, und man wolle als Bundesregierung Sicherheit und Zuversicht geben. Energie werde von Russland als "Mittel der Kriegsführung" eingesetzt, kritisierte Nehammer bei einem gemeinsamen Auftritt mit Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP).

"Angstkampagnen vonseiten der Russischen Föderation"

Es handle sich um "Angstkampagnen vonseiten der Russischen Föderation". Dies führe zu sehr viel Unsicherheit in der Bevölkerung. Um dieser "Angstmache" entgegen zu wirken, seien das Energieministerium, das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium aufgerufen, regelmäßig zu informieren, unter anderem zur Gasbevorratung und -diversifizierung, zu Infrastrukturprojekten, der Beschaffung auf europäischer Ebene und Schritten bei möglichen Lieferausfällen.

Opposition

Harsche Kritik an der Bundesregierung kam von der FPÖ, die vor allem Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Kocher angriff (ÖVP). Gewessler bekam Häme dafür ab, dass sie als Grüne nun wieder auf Kohle und Öl setze. Die Umstellung brauche Jahre, zahlen müsse der Steuerzahler, so der freiheitliche Verkehrssprecher Christian Hafenecker. Er fragte sich auch, ob Gewessler sich an die Kampagne ihres eigenen Klimaschutzministeriums "Raus aus Öl und Gas" erinnere. "Sollen Hausbesitzer jetzt von Gas auf Öl umrüsten, nachdem sie sich zuvor Förderungen abgeholt und ihre alten Öl-Heizungen entsorgt haben, die sie bald wieder beim Schrotthändler zurückkaufen müssen?", spottete der Blaue.

Die NEOS begrüßten bezüglich der angekündigten Info-Offensive zwar, dass die Regierung endlich "klar und auf Augenhöhe kommuniziert - mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den Unternehmen und der Industrie - und über die aktuellen Geschehnisse informiert". Energiesprecherin Karin Doppelbauer kritisierte aber gleichzeitig, dass "es doch einigermaßen verwunderlich ist, dass ÖVP und Grüne erst gestern im Nationalen Sicherheitsrat einen NEOS-Antrag für mehr Transparenz bei der Gasversorgung abgelehnt haben". Die Regierung müsse "alle Betroffenen bei wichtigen Entscheidungen bereits im Vorfeld mit ins Boot holen und Ergebnisse nicht erst im Nachhinein häppchenweise in Pressekonferenzen verlautbaren".

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