Kniefall vor Orbán
Dieser Kniefall vor dem in Brüssel stets auf Krawall gebürsteten Premier Ungarns ist offenbar der Preis dafür, dass die EU endlich ihr Embargo gegen russisches Öl durchsetzen kann. Kyrill raus aus der Liste – dafür wird das restliche, sechste Sanktionspaket gegen Russland festgeschnürt.
Und selbst dort hatte Orbán die anderen 26 Regierungschefs der EU schon vor sich hergetrieben: Auf seinen Druck hin wurde der geplante Exportstopp von russischem Öl in die EU zu einem Teilembargo heruntergedimmt: Ungarn, Tschechien und die Slowakei dürfen weiter ihr russisches Öl via Pipeline erhalten. Alle anderen Staaten verzichten – der Import von Öl per Schiff wird ab Jahresende verboten.
Aber länger mit Orbáns feilschen wollte gestern in der EU niemand mehr: Die Zeit drängt. Denn in Brüssel glaubt man nun endlich eine höchst treffsichere Waffe gegen Russlands Kriegskasse gefunden zu haben. Das Öl-Embargo ist dabei nur ein Teil davon. Weil künftig keine Tanker mehr mit russischem Öl in der EU anlegen dürfen, muss Russland ab Jahresende bis zu 1,5 Mio. Barrel pro Tag und per Schiff umleiten. Das entspricht einem Drittel der Rohölexporte Russlands.
Interessierte Käufer gibt es: China, Indien und andere. Doch hier soll nun das neue Druckmittel gegen Russland greifen: Wirklich schmerzvoll dürfte das Verbot von Versicherungen für Schiffe – und zwar nicht nur russische, sondern, für weltweit alle – mit russischem Erdöl werden. Darauf haben sich nun EU und Großbritannien geeinigt.
London macht mit
In London liegt der Schlüssel zu diesem Coup: Dort ist der größte Marktplatz für Versicherungen der Hochsee-Schifffahrt. 90 Prozent aller derartigen Versicherungen werden hier abgeschlossen. Die meisten davon, Öltransporte betreffend, laufen nach Branchenausgaben im Juli aus. Neue Versicherungen dürften demnach kaum noch abgeschlossen werden.
Auch die Rückversicherer, die wiederum die Versicherer gegen Umweltkatastrophen, Unfälle oder Unglücke versichern, sind angehalten, sich aus dem Geschäft mit russischen Öl zurückzuziehen.
Einem unversicherten Öltanker die Einfahrt in seine Hoheitsgewässer zu gestatten, wird kaum ein Land erlauben. "Die Versicherungen zu stoppen, wird eine riesige Wirkung auf Russland und seinen Öl-Export haben", ist sich Rohstoffexpertin Helima Croft von RBC Capital Markets gegenüber der Financial Times sicher. "Das ist eine der schärfsten Sanktionen, die die EU in ihrem Schrank hat."
Gegenüber Schiffen mit Erdöl aus dem Iran, der unter internationalen Sanktionen steht, wird diese Waffe bereits seit Jahren genutzt.
Kommentare