Wie Putin doch noch auf seinem Öl sitzen bleiben könnte

Russischer Öltanker
Ungarns Premier Orban setzt sich durch: Patriarch Kyrill wird von der Sanktionsliste gestrichen. Dafür kann die EU endlich ihr Ölembargo durchsetzen und zieht ein neues Druckmittel aus dem Hut.

Wirklich überrascht hat Viktor Orbáns jüngste Frontalbremsung nicht: Wieder einmal musste die EU die vergangenen Tage einen Notstopp hinlegen – und knickte auch noch ein: 

Der Name Kyrills I., Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche und Vertrauter von Kremlherr Wladimir Putin, wird auf Order Orbáns hin von der EU-Sanktionsliste gestrichen. Der greise Kirchenführer  hätte sonst nicht mehr  in die EU einreisen dürfen,  etwaiges Vermögen wäre eingefroren worden.  

Wäre da nicht eben der konservative ungarische Regierungschef gewesen. Der hatte  schon vor vier Wochen gedroht: Kyrills Name müsse von der Liste verschwinden. "Sanktionen gegen einen Kirchenführer würden auch die Freiheit der Religion in den ungarischen Gemeinden gefährden. Und die ist sakrosankt", hatte Orbán gesagt.

Wie Putin doch noch auf seinem Öl sitzen bleiben könnte

Ungarns Premier Viktor Orban

Kniefall vor Orbán

Dieser Kniefall vor dem in Brüssel stets auf Krawall gebürsteten Premier Ungarns  ist offenbar der Preis dafür, dass die EU endlich ihr Embargo gegen russisches Öl durchsetzen kann. Kyrill raus aus der Liste – dafür wird das restliche, sechste Sanktionspaket gegen Russland festgeschnürt.

Und selbst dort hatte Orbán die  anderen 26 Regierungschefs der EU schon vor sich hergetrieben: Auf seinen Druck hin wurde der geplante  Exportstopp von russischem Öl in die EU zu einem Teilembargo heruntergedimmt: Ungarn, Tschechien und die Slowakei dürfen weiter ihr russisches Öl via Pipeline erhalten. Alle anderen Staaten verzichten –  der Import von Öl per Schiff wird ab Jahresende verboten.

Aber länger mit Orbáns feilschen wollte gestern in der EU niemand mehr: Die Zeit drängt. Denn in  Brüssel glaubt man nun endlich eine  höchst treffsichere Waffe gegen Russlands Kriegskasse gefunden zu haben. Das Öl-Embargo ist dabei nur ein Teil davon. Weil künftig keine Tanker mehr mit russischem Öl in der EU anlegen dürfen, muss Russland  ab Jahresende bis zu 1,5 Mio. Barrel pro Tag  und per Schiff umleiten. Das entspricht einem Drittel der Rohölexporte Russlands.

Interessierte Käufer gibt es: China, Indien und andere. Doch hier soll nun das neue Druckmittel gegen Russland greifen: Wirklich schmerzvoll   dürfte das Verbot von Versicherungen für Schiffe – und zwar nicht nur russische, sondern, für weltweit alle – mit russischem Erdöl werden. Darauf haben sich nun EU und Großbritannien geeinigt.

London macht mit

In London liegt der Schlüssel zu diesem Coup: Dort ist der größte Marktplatz für Versicherungen der Hochsee-Schifffahrt. 90 Prozent aller derartigen Versicherungen werden hier abgeschlossen. Die meisten davon, Öltransporte betreffend, laufen nach Branchenausgaben im Juli aus. Neue Versicherungen dürften demnach kaum noch abgeschlossen werden.   

Auch die Rückversicherer, die wiederum die Versicherer gegen Umweltkatastrophen, Unfälle oder Unglücke versichern, sind angehalten, sich aus dem Geschäft mit russischen Öl zurückzuziehen.

Einem unversicherten Öltanker die Einfahrt in seine Hoheitsgewässer zu gestatten, wird  kaum ein Land erlauben. "Die Versicherungen zu stoppen, wird eine riesige Wirkung auf Russland und seinen Öl-Export haben", ist sich Rohstoffexpertin Helima Croft von RBC Capital Markets gegenüber der Financial Times sicher. "Das ist eine der schärfsten Sanktionen, die die EU in ihrem Schrank hat."

Gegenüber Schiffen mit Erdöl aus dem Iran, der unter internationalen Sanktionen steht, wird diese Waffe bereits seit Jahren genutzt.

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