Was denn nun?
Nur einen Tag nach dem Telefonat sickerte in den serbischen Medien die Nachricht durch, dass der russische Außenminister Sergej Lawrow Belgrad am 7. Juni einen offiziellen Besuch abstatten wird. Das neue Gas-Abkommen und der Lawrow-Besuch lassen die Balkanmedien grübeln: Welchen Kurs steuert Serbien nun eigentlich an?
Anfang Mai erklärte Vučić in einer Ansprache an sein Volk an, dass Serbien "für einen Platz in der europäischen Familie kämpfen" werde. "Serbien wird auf dem europäischen Weg stärker sein", betonte er und kritisierte Putin für seinen Kosovo-Sager.
Nach dem "guten Telefonat" stellt sich die Frage, wie diese starke wirtschaftlich-diplomatische Präsenz Russlands in Serbien zu interpretieren sei. Und, was noch wichtiger ist, ob Serbien, vielleicht noch inoffiziell, eine Seite im Streit zwischen Russland und dem Westen bezogen hat?
Im Gespräch mit Al Jazeera Balkans betont der serbische Politologe Dušan Janjić, wenn er über den Preis des russischen Gases spricht, bewusst dessen "politische Dimension". Berücksichtigt man zusätzlich den angekündigten Lawrow-Besuch, dann könne auch "ein Blinder deutliche politische Signale zwischen den Zeilen lesen".
"Wir reden über den politischen Preis, dabei hat der russische Botschafter in Belgrad bereits klar gesagt, dass dies eine Fortsetzung der bisherigen Zusammenarbeit ist. Der Besuch Lawrows zur Feier des Tages Russlands (12. Juni, Anm.) in Belgrad ist sicherlich ein klares Zeichen dafür, dass Russland Serbien in diesen Zeiten als seinen engsten Verbündeten betrachtet. Man sollte bedenken, dass es derzeit nur wenige Länder gibt, in die Lawrow jetzt gehen kann, um dort einen russischen Feiertag zu feiern", sagt Janjić.
Wichtiger Player
Die Nachricht über Vučićs Gas-Vereinbarung mit Putin käme zu einem ungünstigen Zeitpunkt, Vučić bereite damit der westlichen Anti-Putin-Allianz und insbesondere der Europäischen Union neue Kopfschmerzen, kommentierte CNN die neuesten Entwicklungen. Denn obwohl Serbien kein EU-Mitglied sei, wäre es ein Teil des EU-Erweiterungsplans, der einige seiner Nachbarländer umfasst.
Von diesen Balkanstaaten gilt Serbien aus mehreren Gründen als besonders wichtig. Seine Größe, Bevölkerung und geografische Lage machen es zu einem wichtigen geopolitischen Akteur in der Region. Wenn man über die Zukunft von Bosnien und Herzegowina oder dem Kosovo diskutieren will, braucht man die serbische Regierung mit am Tisch.
Bittere Pille
Ob die Beitrittsverhandlungen nun ins Stocken geraten oder ob die EU in Bezug auf Serbien einen anderen Ansatz verfolgen wird, bleibt abzuwarten. Eines ist gewiss: Die Entscheidungsträger in Brüssel mussten mit dem Gasdeal eine besonders bittere Pille schlucken.
"Wir sind besorgt. Die Zusammenarbeit zwischen Nicht-EU-Ländern ist wichtiger denn je für Länder innerhalb der EU, die versuchen, die Linie zu halten", sagte ein hochrangiger EU-Beamter gegenüber CNN und bezog sich dabei auf Ungarn, jenes EU-Mitgliedsland, das sich am stärksten gegen eine harte Haltung gegenüber Russland wehrt.
Es geht um die Zukunft Europas
Steven Blockmans, Forschungsdirektor am Zentrum für europäische politische Studien, sagte gegenüber CNN, dass die EU seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine Druck auf Drittländer, einschließlich China, ausgeübt habe, einen ähnlichen Sanktionsansatz zu verfolgen. Selbst wenn Länder, die derzeit versuchen, der EU beizutreten, die Sanktionen umgehen, verleihe dies EU-Mitgliedern Glaubwürdigkeit, dem Druck Brüssels für eine starke gemeinsame Haltung gegenüber Russland standzuhalten.
Die EU habe seit Beginn der Ukraine-Krise mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, und es sei keine leichte Aufgabe gewesen, alle 27 Mitglieder auf derselben Seite zu halten. Aber die Tatsache, dass das Gasabkommen mit Serbien in derselben Woche zustande kam, in der sich die Staats- und Regierungschefs der EU trafen, um sich auf ein Verbot russischer Energie zu einigen, unterstreicht das Ausmaß, in dem einige Dinge einfach außerhalb der zentralisierten Hände Brüssels liegen.
Im Laufe der Zeit könnte dies eine sehr unangenehme Frage für die Zukunft des europäischen Projekts werden, weist CNN darauf hin.
Kommentare