Über 2 Milliarden Euro Schulden: Wie KTM jetzt die Kurve kriegen will
Die Lage bei Europas größtem Motorradhersteller KTM um Stefan Pierer ist schlechter als erwartet. Am Freitag haben die KTM AG und ihre Tochterfirmen KTM Components GmbH und KTM Forschungs & Entwicklungs GmbH beim Landesgericht Ried das Sanierungsverfahren beantragt. Rund 3.500 Mitarbeiter sind von den Pleiten betroffen.
„Die intensive Beschäftigung mit den Signa-Pleiten hat überdeckt, wie schlecht es dem Mittelstand in Österreich tatsächlich geht“, sagt Gerhard Weinhofer von der Creditreform zum KURIER. „Wenn ein weltbekanntes Flaggschiff wie KTM pleitegeht, sollte das doch ein Weckruf sein.“
Laut Aktenlage haben die drei KTM-Gesellschaften mehr als zwei Milliarden Euro Schulden angehäuft, die unbesichert sind. Schafft die KTM AG den angebotenen Sanierungsplan, dann werden „nur“ 1,824 Milliarden Euro unbesicherte Verbindlichkeiten schlagend.
1,28 Milliarden Euro Schulden entfallen auf Banken
Auffällig an den unbesicherten Schulden ist, dass davon laut AKV 1,28 Milliarden Euro auf Banken entfallen.
„Laut Vermögensstatus der KTM AG sind diese Verbindlichkeiten völlig unbesichert“, sagt Franz Blantz vom AKV zum KURIER. „Es kommt aber darauf an, ob die nicht anderweitig bei anderen Gesellschaften besichert sind. Das ist immer das Problematische bei Konzerninsolvenzen.“ Nachsatz: „Das ist aber durchaus aufklärungswürdig.“
Managementfehler
Sollte die KTM AG am Ende liquidiert werden müssen, weil die Sanierung nicht klappt, werden laut Insolvenzantrag 2,149 Milliarden Euro unbesicherte Schulden schlagend. Rechnet man die durch bestimmte Vermögenswerte besicherten Schulden der KTM AG auch noch dazu, summieren sich die Schulden (Buchwert) gar auf 2,739 Milliarden Euro.
Wie ist es nun zu dieser Schieflage gekommen? Es dürfte zu gravierenden Managementfehlern gekommen sein. Bis Ende des Jahres 2023 waren die Motorrad-Geschäfte von gesteigerten Produktions- und Absatzmengen gekennzeichnet, heißt es im Sanierungsantrag aus der Feder der renommierten Anwältin Ulla Reisch.
Nachfrageflaute und Überbestand
Vor allem in der Corona-Zeit kam es zu einem starken Umsatz aus Verkäufen an externe Vertragshändler. Daraufhin habe KTM die Produktion laufend erhöht. Da die Verkäufe an die Endkunden nicht im selben Ausmaß gesteigert werden konnten, kam es zu einem angespannt hohen Händlerlagerbestand. Der sogenannte Überbestand an Motorrädern liegt aktuell bei rund 130.000 Stück. Das entspricht laut KSV1870 einem Vermögenswert in Höhe von einer Milliarde Euro.
Zwar wurden 2024 rund 265.000 Bikes an Endkunden verkauft, „doch die Lagerbestände erwiesen sich letztlich als zu hoch“.
Dazu kam, dass sich das Marktumfeld auf den wichtigen US-Markt als schwierig herausstellte. Die US-Nachfrage ging zurück und aufgrund der hohen Produktionskosten in Österreich verlor man an Wettbewerbsfähigkeit. Bei der Prüfung einer außergerichtlichen Sanierung im November 2024 hat sich herausgestellt, dass KTM rund 650 Millionen Euro frisches Kapital benötigt.
Antrag unausweichlich
Nach Gesprächen mit den wesentlichen Stakeholdern teilte die KTM AG dem Gericht mit: „Da die notwendigen Maßnahmen und Beiträge nicht erfolgsversprechend und in der zur Verfügung stehenden Frist nicht rechtssicher umsetzbar waren, sah sich der Vorstand zur gegenständlichen Antragstellung gezwungen“. Für die 30 Prozent Gläubigerquote wird die KTM AG insgesamt 550 Millionen Euro innerhalb von zwei Jahren aufbringen müssen. „Ich gehe davon aus, dass KTM aktuell frisches Kapital braucht“, sagt Creditreform-Experte Gerhard Weinhofer. „Aus dem Nichts eine Großpleite hinzulegen, hat bei den Gläubigern zu einem Vertrauensbruch geführt. KTM muss das Vertrauen der Gläubiger wieder zurückgewinnen.
Stellenabbau
Die KTM AG plant, 200 Mitarbeiter, die KTM Forschungs & Entwicklungs GmbH 250 Mitarbeiter und die KTM Components GmbH 50 Mitarbeiter zu kündigen. So sollen die gestiegenen Lohnkosten reduziert werden. Zugleich wird die Forschung zurückgefahren; die Produktion wird zwischen Mitte Dezember 2024 und Ende Februar 2025 gestoppt; die bei den Vertriebstöchtern gelagerten Bikes werden abverkauft. Auch soll die Finanzierung der nicht insolventen Vertriebstöchter gesichert werden.
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