Wieso niemand mehr kellnern, putzen oder pflegen möchte

Wieso niemand mehr kellnern, putzen oder pflegen möchte
Sie putzen, liefern Essen, chauffieren quer durch die Stadt und pflegen uns, wenn wir alt sind. Dienstleister sind immens wichtig. Doch die Branche sucht verzweifelt nach Arbeitskräften.

Simon P. * ist Dienstleister mit Leib und Seele. Sein Arbeitstag beginnt meist früh, wenn die anderen noch schlafen. Stehen in der Eingangshalle frische Blumen? Ist der Kühlschrank noch voll? Funktionieren alle technischen Geräte im Haus? Er selbst sagt, dass der Job erst dann gut gemacht ist, wenn man gar nicht sieht, dass überhaupt etwas getan wurde. Simon P. ist Hausmanager. Wo genau, verrät er nicht. Denn Diskretion ist eine der wichtigsten Eigenschaften in seinem Beruf.

Butler-Service 

Nach seiner Ausbildung an der Gastgewerbefachschule in Wien arbeitet er zuerst im Hotel Bristol und danach zehn Jahre lang im Hotel Imperial. Dort ist er bereits als Butler für VIP-Gäste zuständig. Das Imperial in Wien ist übrigens eines von wenigen Hotels weltweit, die einen sogenannten „Butler-Service“ anbieten. Eines Tages tritt ein befreundeter Chauffeur, der für das Innenministerium arbeitet, an ihn heran: „Hast du Lust auf ein Abenteuer?“ Ein wohlhabender Mann aus Italien suche einen Butler für seine Villa im 19. Bezirk.

Ungewöhnliche Berufswahl

„Das war mein Schritt ins Private“, erzählt Simon P. Bereut hat er seine ungewöhnliche Berufswahl nie, im Gegenteil: „Ich liebe die Herausforderung und bin glücklich, wenn ich jeden noch so scheinbar unmöglichen Wunsch erfüllen kann.“ Geregelte Arbeitszeiten kennt P. nicht. Wenn sein Arbeitgeber etwas braucht, ist er zur Stelle. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und noch einen Unterschied zu herkömmlichen Servicejobs gibt es: „Man braucht mehr Erfahrung und Fingerspitzengefühl als zum Beispiel ein Kellner oder eine Kellnerin“, erklärt der Butler mit Stolz.

Dienstleistungen mit Imageproblemen

Mitunter ein Grund, weshalb Simon P. mit seinem extravaganten Job in seinem Bekanntenkreis durchaus angesehen ist. Immer mehr Berufe aus dem Dienstleistungssektor hingegen kämpfen mit Imageproblemen. Woran liegt das? Jörg Flecker, Sozialwissenschaftler an der Uni Wien, weiß warum: „Ein dienender Beruf hat grundsätzlich weniger Prestige, als einer, in dem man andere beaufsichtigt, anleitet oder managt. Einen wesentlichen Einfluss auf das Ansehen habe auch die „Ethnizität“ einer Berufsgruppe.

Niedrige Entlohnung

„Es hängt davon ab, wer einen Job überwiegend ausübt. Wenn das beispielsweise größtenteils Migranten sind, wird die Tätigkeit oft automatisch abgewertet“, erklärt Flecker. Das wird besonders am Beispiel der Reinigungskräfte deutlich, deren Arbeitsbedingungen durch niedrige Entlohnung und atypische Arbeitszeiten gekennzeichnet sind. Hinzu kommt die niedrige gesellschaftliche Anerkennung.

Systemrelevant

Und das, obwohl der Job unverzichtbar und systemrelevant ist: „Sobald ein Beruf von Personen ausgeübt wird, die keine Stimme in der Gesellschaft haben, oft buchstäblich, weil sie die Sprache nicht sprechen, ist es schwer, einen solchen Beruf aufzuwerten“, analysiert Flecker.

Geforderte Qualifikationen

Manche einst angesehenen Dienstleistungsjobs haben erst über die Jahre an Wertigkeit verloren. Einen Grund dafür sieht Flecker im Verzicht von geforderten Qualifikationen: „Vor vielen Jahren hat man mit dem Beruf eines Briefträgers zum Beispiel eine lebenslange Anstellung verbunden. Man hat wichtige Aufgaben übernommen, den Menschen behördliche Dokumente und sogar Geld ausgehändigt. Briefträger waren in ihrem Dorf oder Grätzel angesehen. Sie trugen eine schöne Uniform, eine Ausbildung war notwendig.“ Heute verteilen Zusteller im Akkord Pakete und haben in den meisten Fällen nicht einmal mehr eine Anstellung.

Traumjob Flugbegleiterin

Als Traumjob schlechthin galt lange Zeit der Beruf der Flugbegleiterin und des Flugbegleiters. Eine geforderte Mindestkörpergröße, fließende Englischkenntnisse und ein strenges Ausleseverfahren vor der eigentlichen Ausbildung machten den Job über den Wolken nur für wenige Auserwählte möglich. Entsprechend hoch war auch das Ansehen, und entsprechend privilegiert waren noch in den Siebzigerjahren auch die Kunden.

Ein seltenes Vergnügen

Fliegen war ein seltenes und teures Vergnügen. Mit dem Verlust der Exklusivität der Dienstleistung begann auch der Glanz des Service-Jobs an Bord zu verblassen. Geblieben sind das Versprechen, die Welt zu sehen und die Verantwortung für die Sicherheit und das Wohlergehen der Passagiere.

Taxibranche leidet

Ganz anders sieht es bei der Personenbeförderung auf der Straße aus. Die Taxibranche hat in den vergangenen Jahren besonders gelitten, erklärt Soziologe Flecker: „Taxifahrer waren früher angesehene Kleinunternehmer und die Kunden umsorgte Gäste.“ Die konnten sich dafür auf die Person hinter dem Steuer verlassen, denn „eine anspruchsvolle Prüfung war Voraussetzung, um überhaupt fahren zu dürfen.“

Apps und Plattformen

2014 änderte sich alles mit dem Einstieg von Uber in den Wiener Markt. Jede und jeder konnte plötzlich mit seinem eigenen Pkw Chauffeur sein und Kunden viel günstiger als Taxis ans Ziel bringen. „Das Problem an diesen disruptiven Geschäftsmodellen ist, dass sich die Anbieter als Technologieunternehmen verstehen, die nur Apps und eine Plattform anbieten“, erklärt Flecker das Dilemma.

Alltagsmanager

Letztlich hat dieser Angriff von außen aber zu einer Solidarisierung innerhalb des Taxigewerbes geführt. Und genau in dieser Selbstorganisation sieht der Soziologe eine Chance für ein neues Selbstbewusstsein. Butler Simon P. bringt es auf den Punkt: „Wir sind Alltagsmanager.“ Und tatsächlich würde ein Alltag ohne Dienstleister nicht funktionieren.

* Name von der Redaktion geändert.

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